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Entscheidungen

StPO

Beweisantrag, Antragsvoraussetzungen, Konnexität

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 06.11.2013 - 1 Ss 124/13

Leitsatz: Das Erfordernis der Konnexität begründet keinen weiteren Ablehnungsgrund im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, sondern dient der Feststellung, ob überhaupt ein nach § 244 Abs. 6 StPO bescheidungspflichtiger Beweisantrag vorliegt, bei dem das Gericht an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gebunden ist.


OLG Schleswig
1 Ss 124/13 (198/13)
Beschluss
in der Strafsache
gegen pp.
wegen Diebstahls
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts Itzehoe vom 15. Juli 2013 hat der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig nach Anhörung der Staatsanwaltschaft einstimmig am 6. November 2013 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Itzehoe zurückverwiesen.
Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 31. August 2011 verworfen. In jenem Urteil war der Angeklagte wegen Diebstahls (in einem besonders schweren Fall) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war.
Mit seiner zulässig angebrachten und ausgeführten Revision erhebt der Angeklagte eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge. Die Verfahrensrüge betrifft die Ablehnung eines „Hilfsbeweisantrages“ des Angeklagten in den Urteilsgründen. Nach Auffassung des Angeklagten soll diese Ablehnung rechtsfehlerhaft gewesen sein.
Die Revision des Angeklagten hat bereits mit dieser Verfahrensrüge - vorläufig - Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die allgemeine Sachrüge nicht mehr bedarf.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hat in ihrer an den Senat gerichteten Antragsschrift vom 31. Oktober 2013 hierzu u. a. ausgeführt:
„Die Revision rügt die Verletzung des Beweisantragsrechts durch fehlerhafte Ablehnung eines (Hilfs-)Beweisantrages, § 244 Abs. 3 StPO. Die Rüge ist in zulässiger Weise entsprechend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO angebracht worden, denn die Revision teilt sowohl den seitens der Verteidigung gestellten (Hilfs-) Beweisantrag als auch die Ausführungen des Urteils mit, durch die der Antrag zurückgewiesen wurde, und führt die Tatsachen aus, aus denen sich nach Ansicht des Revisionsführers die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt.
Auch in der Sache greift die Rüge durch. Die Zurückweisung des Beweisantrages hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Kammer hat insoweit ausgeführt, die beantragte Beweiserhebung sei „mangels vorhandener Konnexität gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abzulehnen“ gewesen. Das Gericht verkennt insoweit die Bedeutung des Erfordernisses der Konnexität zwischen Beweisziel und Beweismittel. Diese dient nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Abgrenzung von Beweisanträgen im Rechtssinne und Beweisermittlungsanträgen. Die Klassifikation eines Beweisbegehrens als Beweisantrag im Rechtssinne hängt danach nicht allein von der Bezeichnung der Beweistatsache und des Beweismittels ab, sondern erfordert zusätzlich auch Konnexität zwischen den beiden vorgenannten Elementen dergestalt, dass sich dem Antrag entnehmen lassen muss, weshalb ein Zeuge überhaupt etwas zu der unter Beweis gestellten Tatsache bekunden können soll (BGHSt 43, 321, 329 f.; BGH NStZ 1998, 97; 2000, 437, 438; 2006, 585, 586; 2011, 169, 170). Das Erfordernis der Konnexität begründet demnach keinen weiteren Ablehnungsgrund im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, sondern dient der Feststellung, ob überhaupt ein nach § 244 Abs. 6 StPO bescheidungspflichtiger Beweisantrag vorliegt, bei dem das Gericht an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gebunden ist.
Dies war vorliegend der Fall. Zwar führt der (Hilfs-)Beweisantrag allein das Beweisziel aus - dass dem Angeklagten aufgrund von im Einzelnen ausgeführten Rückenerkrankungen das alleinige Tragen des verfahrensgegenständlichen Tresors nicht möglich gewesen sei. Dem Antrag ist jedoch im Wege der Auslegung die bestimmte Beweistatsache zu entnehmen, dass der Angeklagte an entsprechenden Erkrankungen des Rückens leidet. Das Beweismittel zur Feststellung der genannten Beweistatsache wurde ebenfalls bezeichnet. Erfordert die Konnexität von Beweistatsache und -mittel im Falle des Zeugenbeweises die Erläuterung der Wahrnehmungskompetenz des Zeugen, so kann dies beim Sachverständigenbeweis in die Erläuterung der Kompetenz des Sachverständigen, zu der Beweistatsache eine sachverständige Beurteilung abzugeben, übersetzt werden. Die Kompetenz eines Facharztes für Orthopädie hinsichtlich der Feststellung von Erkrankungen des Rückens steht indes außer Zweifel. Gleiches gilt hinsichtlich des weiteren Beweisziels - der Bewertung, ob der Angeklagte aufgrund der Auswirkungen der Rückenerkrankung in der Lage gewesen sein kann, einen 35 kg schweren Tresor zu tragen.
Die Kammer stützt den Mangel der Konnexität zwischen der Beweistatsache und dem Beweismittel darauf, dass sich aus dem Vorhandensein einer solchen die Wirbelsäule betreffenden Erkrankung der Zusammenhang mit dem erstrebten Beweisziel - der Feststellung, der Angeklagte könne aufgrund der Erkrankung den ca. 35 kg schweren Tresor nicht tragen - nicht erschließe und begründet dies weiter damit, dass die Ursache, Intensität und Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung je nach Person und Ausprägung sehr unterschiedlich sein könne und eine bei einem Großteil der Bevölkerung auftretende Verkrümmung der Wirbelsäule - anders eine Querschnittslähmung - nicht per se den Schluss nahelege, die Person könne ein Gewicht von 35 kg nicht anheben.
Die Ausführungen der Kammer zeigen, dass das Gericht das vom Bundesgerichtshof entwickelte Kriterium der Konnexität mit dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit eines Beweismittels gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 StPO vermengt. So führt das Gericht auch aus, ein Facharzt für Orthopädie könne im Rahmen eines Sachverständigenbeweises lediglich Feststellungen dazu treffen, ob der Angeklagte tatsächlich unter der behaupteten Erkrankung leide, ein entsprechendes Sachverständigengutachten sei jedoch vor dem Hintergrund der behaupteten Erkrankung nicht dazu geeignet festzustellen, ob der Angeklagte grundsätzlich in der Lage wäre, einen solchen Tresor zu tragen.
Auch gemessen an dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des beantragten Sachverständigenbeweises hält die Zurückweisung des Beweisantrages einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Völlig ungeeignet ist ein Beweismittel, dessen Inanspruchnahme von vorn herein aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmelei erschöpfen müsste. Die völlige Ungeeignetheit muss sich dabei aus dem Beweismittel selbst in Zusammenhang mit der Beweisbehauptung ergeben. Das sonstige Ergebnis der Beweisaufnahme darf hierzu nicht herangezogen werden (BGH NStZ 2007, 476, 477; StV 1997, 338). Die Zurückweisung der beantragten Erhebung eines Sachverständigenbeweises wegen seiner völligen Ungeeignetheit ist daher fehlerhaft, wenn die Hinzuziehung eines Gutachters aus dem Grunde abgelehnt wird, dass dem Gutachten voraussichtlich kein zwingender oder zumindest (hoch-) wahrscheinlicher, sondern lediglich ein (gänzlich) eingeschränkter Beweiswert zukommen könnte. Sachverständige sind bereits dann als geeignetes Beweismittel anzusehen, wenn sie zwar keine sicheren oder eindeutigen Schlüsse ziehen könnten, ihre Folgerungen die unter Beweis gestellten Behauptungen aber mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen, so dass sie hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen können (BGH NStZ 1985, 515, 516; NStZ 2007, 476, 477).
So lag der Fall hier. Die Eignung des Sachverständigenbeweises für die Feststellung der Art und Ausprägung der Rückenerkrankung des Angeklagten liegt auf der Hand. Zwar wird es zutreffen, dass ein Facharzt für Orthopädie nach Untersuchung des Rückenleidens des Angeklagten nicht absolut zuverlässig zu beurteilten vermag, ob dieser an den verfahrensgegenständlichen Tresor mit einem Gewicht von 35 kg über die von der Zeugin pp. beschriebene Wegstrecke hätte tragen können. Allerdings ist es möglich, dass der Sachverständige dem Gericht beurteilungsrelevantes Erfahrungswissen zu den gemeinhin erwartbaren Auswirkungen der Rückenerkrankung des Angeklagten auf dessen Fähigkeit zum Heben und Tragen schwerer Gegenstände über bestimmte Distanzen hätte vermitteln können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass derartige Erkenntnisse Einfluss auf die Beweiswürdigung gewinnen können.
Vor diesem Hintergrund konnte das Gericht die Ablehnung des Beweisantrages auch nicht auf den in der Begründung der Zurückweisung des (Hilfs-) Beweisantrages ebenfalls anklingenden Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache gem. § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO stützen. Ein Zusammenhang zwischen der Beweistatsache und der abzuurteilenden Tat ist unzweifelhaft gegeben. Ohne Kenntnis der Ausprägung des Rückenleidens des Angeklagten und der Auswirkungen der Erkrankung konnte das Gericht jedoch die daraus zu ziehenden Schlüsse nicht als nur möglich, nicht aber zwingend bewerten und die Zurückweisung des Antrages damit begründen, dass es die möglichen Schlüsse nicht ziehen wolle.
Die Zurückweisung des (Hilfs-)Beweisantrages stellt somit einen den Angeklagten beschwerenden Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO dar.“
Dem tritt der Senat bei.
Bei der erneuten Verhandlung wird die andere kleine Kammer des Landgerichts Itzehoe auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.


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