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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, ausländischer Angeklagter

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.03.2014 - 2 Ws 63/14

Leitsatz: 1. Ist die Mitwirkung eines Verteidigers weder aufgrund der Schwere der Tat noch wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten, so führt auch der Umstand, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, nicht generell zu einer notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO, da dessen Rechte auf Ausgleich der mit den sprachbedingten Verständigungsschwierigkeiten einhergehenden Beschränkungen durch die mit Wirkung vom 06.07.2013 neu gefasste Vorschrift des § 187 GVG hinreichend gewahrt werden.

2. Wird der Angeklagte durch einen sprachkundigen Wahlverteidiger vertreten, kann dies gemäß § 187 Abs. 2 Sätze 4 und 5 GVG nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass es keiner schriftlichen Übersetzung der Anklageschrift und des Urteils gemäß § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG bedarf.


Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss vom 03.03.2014 Aktenzeichen:
2. Strafsenat 2 Ws 63/14

Az.: 2 Ws 63/14
3 Ws 60/14 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg
4 Ns 705 Js 67666/13 Landgericht Nürnberg-Fürth
705 Js 67666/13 Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth



In dem Strafverfahren gegen

R… S… J… (geb. R…),


Verteidiger:
Rechtsanwalt …

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hier: Beschwerde des Angeklagten R… gegen Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Berufungsverfahren

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -2. Strafsenat- durch die unterzeichnenden Richter am 03.03.2014 folgenden
Beschluss

Die Beschwerde des Angeklagten R… gegen den Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.01.2014 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.



Gründe:

I.
Der Angeklagte ist polnischer Staatsangehöriger. Gemäß Auszug aus dem Bundeszentralregister ist er vorgeahndet. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.10.2010 (52 Cs 705 Js 71818/10), rechtskräftig seit 22.11.2010, ist gegen ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 € verhängt worden.
Im laufenden Strafverfahren begehrt der Angeklagte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Bei einer Verkehrskontrolle am …2012 wurde er von der Polizei angehalten und legte hierbei einen polnischen Führerschein vom 15.01.2009 vor. Da die Überprüfung dieses Führerscheins laut Aktenvermerk der Verkehrspolizeiinspektion Fürth "Unstimmigkeiten im Bereich des OVI, der UV-Sicherung, des verwendeten Urkundenpapiers, des Durchsichtregisters sowie der Lichtbilder (primär und sekundär)" ergab, wurde er sichergestellt. Das eingeholte Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 26.11.2012 ergab, dass sich das untersuchte Dokument in seiner Ausführung (Bedruckstoff, Drucktechnik, Sicherheitsausstattung) von authentischem Vergleichsmaterial unterscheidet, eine Nachahmung darstellt und nicht von einer amtlichen/autorisierten Stelle ausgestellt wurde.
Mit Schriftsatz vom 12.12.2012 teilte Rechtsanwalt Z… unter Beifügung einer Vollmacht des Angeklagten der Polizeiinspektion Fürth mit, dass dieser ihn mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt habe und vorerst keine Angaben zur Sache machen werde.
Mit Verfügung vom 05.07.2013 erteilte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth dem Verteidiger des Angeklagten Akteneinsicht mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 13.07.2013 leitete der Verteidiger die Akte zurück und bat um Verlängerung der Äußerungsfrist bis 30.08.2013.
Nachdem keine Stellungnahme einging, hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 03.09.2013 ihre Ermittlungen abgeschlossen und mit Anklageschrift vom 04.09.2013 Anklage wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 267 Abs. 1, 282, 53 StGB zum Amtsgericht Nürnberg erhoben sowie Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt.
Mit Verfügung vom 16.09.2013 ordnete das Amtsgericht Nürnberg an, eine beglaubigte Abschrift der Anklageschrift vom 04.09.2013 an den Angeklagten und dessen Verteidiger zuzustellen, und setzte eine Stellungnahmefrist von einer Woche. Eine Übersetzung der Anklageschrift in die polnische Sprache wurde nicht beigefügt. Die Zustellung erfolgte an den Angeklagten am 18.09.2013 und an dessen Verteidiger am 19.09.2013.
Mit an die Staatsanwaltschaft gerichtetem Schriftsatz vom 17.09.2013 - also noch vor Erhalt und in Unkenntnis der Anklageschrift - regte der Verteidiger an, das Strafverfahren einzustellen.
Nachdem keine Stellungnahme zur Anklageschrift erfolgte, hat das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 27.09.2013 die Entscheidung im beschleunigten Verfahren abgelehnt, die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Nürnberg eröffnet.
Mit Schriftsatz vom 04.10.2013 hat Rechtsanwalt Z… beantragt, ihn dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Angeklagte sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig. Es komme hinzu, dass der Angeklagte polnischer Staatsbürger sei und somit einem anderen Rechtskreis entstamme. Er sei weder mit seinen Rechten und Pflichten als Angeklagter noch mit dem Verfahrensablauf vertraut. Aufgrund des abweichenden Rechtsverständnisses gebiete die faire Verfahrensführung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers sei nicht ausreichend.
Diesen Antrag hat das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 10.10.2013 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 25.10.2013 verworfen, da der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bereits vorbestraft sei und somit bereits Kenntnisse des deutschen Strafsystems erworben habe.
In der Hauptverhandlung am 08.11.2013 war ein Dolmetscher für die polnische Sprache anwesend. Der anwesende Angeklagte wurde durch seinen Wahlverteidiger Rechtsanwalt Z… verteidigt.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten mit Urteil vom 08.11.2013 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt und ihm ein dreimonatiges Fahrverbot auferlegt.
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat Rechtsanwalt Z… mit Schriftsatz vom 08.11.2013, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am 11.11.2013, für den Angeklagten Berufung eingelegt.
Eine Abschrift des Urteils ist dem Verteidiger am 04.12.2013 zugestellt worden.
Mit Verfügung vom 09.01.2014 hat der Vorsitzende der 4. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth Termin zur Hauptverhandlung auf 17.03.2014 bestimmt und angeordnet, den Angeklagten, seinen Verteidiger, den bereits erstinstanzlich vernommenen Polizeibeamten als Zeugen sowie einen Mitarbeiter des Bayerischen Landeskriminalamts als Sachverständigen zu laden.
Mit Schriftsatz vom 11.01.2014 hat Rechtsanwalt Z… seine Beiordnung zum Pflichtverteidiger beantragt und angekündigt, für diesen Fall sein Mandat als Wahlverteidiger niederzulegen. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vorbringen führte er aus, der Angeklagte sei nicht in der Lage, im Rahmen der Befragung des geladenen Sachverständigen dessen Ausführungen zu folgen und Fragen zu stellen. Er sei der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig und deshalb nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Im Übrigen sei die Anklageschrift nicht in die polnische Sprache übersetzt worden, was einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK darstelle. Im Lichte des Grundsatzes eines fairen Verfahrens sei daher die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten.
Mit Beschluss vom 13.01.2014 hat die 4. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth diesen Antrag abgelehnt, da die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 1 und 2 StPO nicht vorlägen. Dies gelte auch in Anbetracht der nunmehrigen Ladung eines Sachverständigen hinsichtlich der Totalfälschung des vom Angeklagten mitgeführten Führerscheins.
Gegen diesen dem Verteidiger formlos mitgeteilten Beschluss hat jener mit Schriftsatz vom 22.01.2014, eingegangen beim Landgericht am 23.01.2014, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verwies er auf seinen Antrag und den dort zitierten Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.11.2013 (7 Qs 78/13).
Mit Verfügung vom 27.01.2013 hat der Vorsitzende veranlasst, die Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zur Beschwerdevorlage an das Oberlandesgericht Nürnberg zuzuleiten.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, die Beschwerde kostenfällig als nicht statthaft zu verwerfen, da der nicht beigeordnete Verteidiger, der die Beschwerde offenbar im eigenen Namen eingelegt habe, kein eigenes Beschwerderecht gemäß §§ 141, 304 Abs. 1 StPO habe. Im Übrigen wäre die Beschwerde auch unbegründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung nicht vorlägen.
Hierzu nahm Rechtsanwalt Z… mit Schriftsatz vom 07.02.2014 Stellung und teilte klarstellend mit, dass die Beschwerde namens und im Auftrag des Angeklagten eingelegt worden sei.
II.
Die Beschwerde ist - jedenfalls nach Klarstellung im Schriftsatz vom 07.02.2014 - als Rechtsmittel des Angeklagten gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft (vgl. Meyer-Goßner StPO 56. Aufl., § 141 Rdn. 10) und zulässig (§ 306 Abs. 1 StPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da kein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 StPO gegeben ist.
Es liegt weder einer der in § 140 Abs. 1 StPO aufgezählten Fälle vor, noch ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO geboten.
1. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht aufgrund des Tatbestandsmerkmals der Schwere der Tat veranlasst. Wann eine Tat als schwer zu bewerten ist, beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (BGHSt 6, 199; Meyer-Goßner aaO., § 140 Rdn. 23; Haizmann, in: KMR-StPO § 140 Rdn. 26 m.w.N.), wobei die Grenze zur schweren Tat etwa bei um einem Jahr Freiheitsstrafe gezogen wird (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 16.01.2014 - 2 OLG Ss 259/13, Rdn. 11 ff. nach juris m.w.N.). Der Angeklagte ist erstinstanzlich lediglich zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt worden und ihm ist ein dreimonatiges Fahrverbot auferlegt worden. Da nur er selbst Berufung eingelegt hat, droht keine Strafverschärfung. Auch mittelbare Tatfolgen, etwa ein drohender Bewährungswiderruf, stehen nicht im Raum (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 16.01.2014, aaO., Rdn. 10 nach juris).
2. Es liegt auch kein Fall vor, in dem die Mitwirkung eines Verteidigers wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint. Diese ist zunächst aus dem Blickwinkel des Beschuldigten als juristischer Laie zu beurteilen, wobei entscheidend ist, ob der Beschuldigte zu seiner effektiven Verteidigung des Beistands eines Verteidigers im Hinblick auf dessen Fähigkeiten oder Rechten bedarf (vgl. Haizmann, aaO., § 140 Rdn. 30 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Eine Gesamtwürdigung von Sach- und Rechtslage (vgl. hierzu KG Berlin StV 2008, 625 Rdn. 7 nach juris; Haizmann aaO.) ergibt, dass kein besonderer Schwierigkeitsgrad des vorliegenden Strafverfahrens gegeben ist. Der dem Angeklagten unterbreitete Tatvorwurf beschränkt sich darauf, er habe, ohne - wie er gewusst habe - im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein, ein Kraftfahrzeug auf einer öffentlichen Straße geführt und den ihm kontrollierenden Polizeibeamten einen total gefälschten polnischen Führerschein vorgezeigt, um den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis vorzutäuschen. Die Aufklärung des Tatvorwurfs in der Hauptverhandlung erfordert weder eine länger andauernde Beweisaufnahme noch sind besondere Probleme im Rahmen der durchzuführenden Beweisaufnahme oder -würdigung zu erwarten (vgl. hierzu Haizmann, aaO § 140 Rdn. 32 f. m.w.N.).
Auch liegt kein Fall vor, in dem die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht umfassend vorbereitet werden könnte (vgl. hierzu etwa OLG Celle StV 2009, 8 Rdn. 8 nach juris; OLG Jena StV 2004, 585 Rdn. 23 nach juris; Laufhütte, in: KK-StPO, 7. Aufl. § 140 Rdn. 22 m.w.N. zur Rspr.). Allerdings befindet sich in den Akten ein Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 26.11.2012 zur Frage der Echtheit des sichergestellten polnischen Führerscheins des Angeklagten. Es handelt sich jedoch lediglich um ein kurzes Formblattgutachten, in dem allein das Ergebnis der Untersuchung des fraglichen Dokuments mitgeteilt wird. Insoweit wäre es ausreichend, wenn einem unverteidigten Angeklagten - worauf dieser nach § 147 Abs. 7 StPO einen Anspruch hätte - auf seinen Wunsch und seine Kosten eine Abschrift des Gutachtens aus den Akten gefertigt (vgl. hierzu KG Berlin NStZ-RR 2013, 116 Rdn. 7 nach juris; OLG Karlsruhe DAR 2005, 573 Rdn. 7 nach juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 06.12.2013 - 2 Ws 253/13 Rdn. 24 nach juris) und gegebenenfalls übersetzt würde. Auch die Anhörung des Sachverständigen in der zweiten Instanz erfordert angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts keinen Verteidiger. Die von der Polizei bereits durch Augenschein vor Ort festgestellten Fälschungsmerkmale sind so deutlich beschrieben, dass keine komplizierten Ausführungen des Sachverständigen zu erwarten sind, die nur ein rechtskundiger Verteidiger und nicht der Angeklagte tatsächlich und rechtlich zu würdigen verstünde.
3. Die Beiordnung eines Verteidigers ist auch nicht deshalb veranlasst, weil ersichtlich wäre, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen könnte.
An der Fähigkeit zu angemessener Selbstverteidigung fehlt es allerdings dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit oder seiner besonderen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein wird, alle Möglichkeiten einer angemessenen Verteidigung auszuschöpfen (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 6 nach juris m.w.N.).
Soweit der Verteidiger ausführt, der Angeklagte entstamme als polnischer Staatsbürger einem anderen Rechtskreis, der weder mit seinen Rechten und Pflichten als Angeklagter noch mit dem Verfahrensablauf vertraut sei, aufgrund des abweichenden Rechtsverständnisses gebiete die faire Verfahrensführung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Angeklagte ist Staatsangehöriger eines mitteleuropäischen Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Es ist nicht ersichtlich, dass der einfach gelagerte Tatvorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Urkundenfälschung in Polen rechtlich wesentlich abweichend beurteilt würde. Was seine Verfahrensrechte betrifft, so ist er unter anderem durch die Belehrungspflichten des Gerichts hinreichend geschützt (§ 243 Abs. 5 StPO).
Aufgrund des Akteninhalts ist allerdings davon auszugehen, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg am 08.11.2013 bekundete der als Zeuge vernommene Polizeibeamte M…, bei der Kontrolle des Pkw des Angeklagten sei diesem der Sachverhalt erklärt und durch einen zufällig anwesenden deutsch und polnisch sprechenden Arbeiter übersetzt worden. Ausweislich der Sachverhaltsmitteilung der Polizeiinspektion F… vom 28.06.2013 habe der Angeklagte gegenüber der Polizei mehrfach angegeben, die ihm vorgehaltene Vorahndung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis betreffe seinen Zwillingsbruder in Polen. Mit Schriftsatz vom 09.07.2013 teilte Rechtsanwalt Z… mit, es handele sich um ein offensichtliches Missverständnis sprachlicher Natur, dass der Beschuldigte einen Zwillingsbruder in Polen haben sollte. Aus der Akte ergibt sich weiter, dass dem Angeklagten hinsichtlich seiner Einwilligung zur molekulargenetischen Untersuchung ein Formblatt sowie "Hinweise zur Einwilligungserklärung" in polnische Sprache vorgelegt worden sind. Wenngleich das sprachliche Missverständnis bezüglich des angeblichen Zwillingsbruders wenig glaubhaft erscheint, sind doch genügend Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Angeklagte mit der deutschen Sprache nicht derart vertraut ist, dass er in der Lage sein würde, Schriftstücke juristischen Inhalts ohne Übersetzung hinreichend zu verstehen.
Dies erfordert aber nicht die Mitwirkung eines Verteidigers.
a. Der Angeklagte hat als Ausländer im Verfahren vor einem deutschen Gericht dieselben prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche (vgl. BVerfGE 40, 95 Rdn. 10 nach juris). Das Recht auf ein faires Verfahren verbietet es, den der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Angeklagten zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen; er muss in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge zu verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (BVerfGE 64, 135 Rdn. 34 nach juris). Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbietet jede Diskriminierung wegen der Sprache oder anderer dort aufgeführter Kriterien. Die Norm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie der dem Gesetzgeber darin eingeräumten Gestaltungsfreiheit engere Grenzen zieht. Die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmale dürfen grundsätzlich weder unmittelbar noch mittelbar als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden (vgl. BVerfGE 85, 191 Rdn. 52 nach juris; 97, 35 Rdn. 34 nach juris). Dem Beschuldigten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen daher keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen (vgl. zusammenfassend BVerfG, NJW 2004, 50, Rdn. 16 f. nach juris; OLG München, Beschluss vom 18.11.2013 - 4 StRR 120/13, NJW-Spezial 2014, 89, Rdn. 11 nach juris).
b. Demzufolge können sprachbedingte Verständigungsschwierigkeiten dazu führen, dass die Voraussetzungen, unter denen wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Bestellung eines Verteidigers notwendig wird, eher als erfüllt angesehen werden müssen, als dies sonst der Fall wäre (vgl. BVerfGE 64, 135, Rdn. 45 nach juris m.w.N.; BGHSt 46, 178 = NJW 2001, 309 Rdn. 8 nach juris; Laufhütte, aaO., §140 Rdn. 24 m.w.N.). Demgemäß besteht insbesondere dann Anlass zur Prüfung der Frage, ob der Angeklagte fähig ist, sich ohne den Beistand eines Verteidigers ausreichend selbst zu verteidigen, wenn er sprachbedingte Verständigungsschwierigkeiten hat oder aus einem anderen Kulturkreis stammt und mit dem deutschen Rechtssystem nur unzureichend vertraut ist (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 7 nach juris m.w.N.). Die Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung kann aber - bei (wie hier) einfacher Sach- und Rechtslage - nicht allein mit sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten begründet werden. Zur umfassenden Gewährleistung des Anspruchs des der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK ist es nämlich nicht grundsätzlich erforderlich, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, da dieser einen aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK herzuleitenden und nunmehr auch in § 187 GVG gesetzlich statuierten Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers für das gesamte Strafverfahren hat, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist (BGHSt 46, 178 = NJW 2001, 309 Rdn. 23 und 18 ff. nach juris). Einer Pflichtverteidigerbestellung bedarf es deshalb nicht, wenn die mit den sprachbedingten Verständigungsschwierigkeiten einhergehenden Beschränkungen durch den Einsatz von Übersetzungshilfen, insbesondere durch die (unentgeltliche) Hinzuziehung eines Dolmetschers, angemessen ausgeglichen werden können (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 8 nach juris).
c. Diese in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Fachgerichte anerkannten Grundsätze wurden in der durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 02.07.2013 (BGBl. I S. 1938) mit Wirkung vom 06.07.2013 neu gefassten Vorschrift des § 187 GVG kodifiziert, die der Umsetzung der Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2010/64/EU vom 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen im Strafverfahren (ABl. der EU L 280/1) und 2012/13/EU vom 22.05.2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung im Strafverfahren (ABl. der EU L 142/1) dient.
Gemäß § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG ist ein Dolmetscher oder Übersetzer heranzuziehen, soweit dies für einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten oder Verurteilten zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist, wobei gemäß Satz 2 das Gericht den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hinweist, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.
Erforderlich ist gemäß § 187 Abs. 2 GVG zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen (Satz 1). Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden (Satz 2). Diese ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen (Satz 3). An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden (Satz 4). Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat (Satz 5).
Mit dieser Bestimmung soll gewährleistet werden, dass der Angeklagte die wesentlichen Verfahrensvorgänge nachvollziehen und sich im Verfahren verständlich machen kann (OLG München, Beschluss vom 18.11.2013 - 4 StRR 120/13, Rdn. 15 nach juris).
d. Wie ausgeführt bedarf es unter dem Gesichtspunkt der (fehlenden) Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage einer Pflichtverteidigerbestellung nicht. Soweit die Grund- und Verfahrensrechte des Angeklagten nicht bereits dadurch gewahrt wurden, dass er im Zeitpunkt der Zustellung der Anklageschrift sowie des erstinstanzlichen Urteils tatsächlich durch einen der polnischen Sprache mächtigen Wahlverteidiger vertreten wurde (s. sogleich unter e.), und durch die mündliche Übersetzung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung am 08.11.2013 über den Inhalt des Tatvorwurfs unterrichtet worden ist, können sie angesichts des Verfahrensstandes (die Berufungshauptverhandlung hat noch nicht stattgefunden) jedenfalls auch ohne Bestellung eines Pflichtverteidigers noch dadurch gewahrt werden, dass dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptverhandlung eine in die polnische Sprache übersetzte Abschrift der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 04.09.2013 sowie des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 08.11.2013 übermittelt wird.
e. Unabhängig von der Frage, ob dem Angeklagten die genannten Abschriften in polnischer Sprache zu übermitteln sind - worüber hier nicht zu entscheiden ist, da dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - ist der Senat der Auffassung, dass die von § 187 GVG dem Beschuldigten eingeräumten Grund- und Verfahrensrechte angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles bislang gewahrt sind.
aa. Der Umstand, dass die Anklageschrift vom 04.09.2013 bisher nicht in die polnische Sprache übersetzt worden ist, stellt keinen Verstoß gegen § 187 Abs. 2 GVG oder gegen Art. 6 Abs. 1 lit. a und b EMRK dar.
(1) Allerdings wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, eine Pflichtverteidigerbestellung sei regelmäßig in den Fällen geboten, in denen der aus § 201 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK folgende Anspruch des sprachunkundigen Angeklagten auf rechtzeitige Bekanntgabe der Anklageschrift unter Beifügung einer Übersetzung in einer ihm verständlichen Sprache verletzt worden ist und er sich deshalb nicht sachgerecht selbst verteidigen konnte (OLG Karlsruhe StV 2002, 299 Rdn. 11 nach juris, und StV 2005, 655 Rdn. 5 und 9 nach juris).
Nach bereits vor Inkrafttreten des § 187 Abs. 2 GVG einhellig in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener Ansicht hat der Angeschuldigte gemäß § 201 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 lit. a und b EMRK einen Rechtsanspruch auf Bekanntgabe der Anklageschrift mit einer Übersetzung in einer ihm verständlichen Sprache (vgl. nur OLG Düsseldorf StV 2010, 512 Rdn. 2 nach juris; OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 10 nach juris mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur; Meyer-Goßner aaO. Art. 6 MRK Rdn. 18 m.w.N.; Schneider, in: KK StPO 7. Aufl. § 201 Rdn. 4), es sei denn er ist anderweitig ausreichend über die Anklagegründe informiert worden (EGMR, Entscheidung vom 09.03.2010 - Nr. 60705/08 Rdn. 21 ff. nach juris). Dieser gesetzlichen Lage (Art. 6 Abs. 3 EMRK steht innerstaatlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes, vgl. BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3408 Rdn. 30 nach juris) trugen bereits vor Neufassung des § 187 Abs. 2 GVG die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Rechnung, die in Nr. 181 Abs. 2 die Pflicht statuieren, einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Ausländer Ladungen, Haftbefehle, Strafbefehle, Anklageschriften und sonstige gerichtliche Sachentscheidungen mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekannt zu geben. Die Mitteilung der Anklageschrift in einer ihm verständlichen Sprache sichert nicht nur den Anspruch des sprachunkundigen Angeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Zwischenverfahren. Sie gewährleistet darüber hinaus auch, dass er - frühzeitig - von dem Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft Kenntnis erhält und seine Verteidigung daher auf den konkreten Tatvorwurf und die Beweislage einrichten kann. Die vollständige und frühzeitige Information über den Anklagevorwurf und die Beweislage dient der Herstellung von "Waffengleichheit" zwischen der Staatsanwaltschaft einerseits und dem Angeschuldigten andererseits und ist für ein rechtsstaatliches und faires Strafverfahren essentiell (vgl. EGMR, NJW 1999, 3545, 3546) und daher auch in sachlich oder rechtlich einfach gelagerten Fällen unerlässlich (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 10 nach juris mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Die mündliche Übersetzung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung genügt hierfür regelmäßig nicht (OLG Hamm, StV 2004, 364 Rdn. 8 ff. nach juris; OLG Karlsruhe StV 2005, 655 Rdn. 11 nach juris; so auch Schneider, aaO. § 201 Rdn. 4 m.w.N. zum Meinungstand; differenzierend OLG Hamburg, StV 1994, 65 Rdn. nach juris 12 ff.; and. Ans. bei rechtlich und tatsächlich überschaubarem Verfahrensgegenstand OLG Düsseldorf, NJW 2003, 2766, 2767). Unterbleibt die gebotene Mitteilung der Anklageschrift in einer dem Angeschuldigten verständlichen Sprache, so soll dieser im Zwischenverfahren geschehene - schwere - Verfahrensfehler im weiteren Verfahren insbesondere durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ausgeglichen werden können (vgl. OLG Karlsruhe, StV 2002, 299 Rdn. 12 nach juris, und StV 2005, 655 Rdn. 11 nach juris).
(2) Einer Pflichtverteidigerbestellung bedarf es im vorliegenden Verfahren gleichwohl nicht. Für den Angeklagten hat sich nämlich bereits vor Anklageerhebung Rechtsanwalt Z… als Wahlverteidiger angezeigt. Der Angeklagte war somit sowohl bei Zustellung der Anklage als auch bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses tatsächlich anwaltlich vertreten, wobei der Wahlverteidiger ausweislich der Angaben auf der Homepage der Rechtsanwaltskanzlei Z… & Partner die polnische Sprache spricht und somit in der Lage war, dem Angeklagten die Anklageschrift zu übersetzen. Innerhalb der Frist zur Stellungnahme auf die zugestellte Anklageschrift hat der Wahlverteidiger auch nicht geäußert, eine Übersetzung der Anklageschrift in die polnische Sprache zu begehren. Der Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung ging erst nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses beim Amtsgericht Nürnberg ein.
Gemäß § 187 Abs. 2 Sätze 4 und 5 GVG kann an die Stelle der schriftlichen Übersetzung eine mündliche Übersetzung der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden, was in der Regel dann anzunehmen ist, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.
In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren wird ausgeführt, dass § 187 Abs. 2 GVG in den Sätzen 4 und 5, gestützt auf die Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2010/64/EU, die dargestellten Grundsätze der bisherigen Rechtspraxis aufnehme, wonach dem Beschuldigten anstelle der schriftlichen Übersetzung lediglich eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung der wesentlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden kann, soweit das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 Abs. 3 lit. e EMRK gewährleistet ist (vgl. BTDrucks. 17/12578, Seite 12).
Demgemäß nennt § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG als Regelbeispiel für die fehlende Notwendigkeit einer schriftlichen Übersetzung den Fall des verteidigten Angeklagten. Damit soll - der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend - die Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsübersetzung in der Regel dann nicht greifen, wenn eine effektive Verteidigung des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet wird, "dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt" (BVerfGE 64, 135, Rdn. 56 nach juris). In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen soll, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 StPO vorliegt oder ob der Angeklagte auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 StPO einen Wahlverteidiger beauftragt hat. Entscheidend soll allein das bestehende Mandatsverhältnis zu einem Verteidiger in dem betreffenden Strafverfahren sein. Für das Gespräch mit dem Verteidiger habe der nicht ausreichend sprachkundige Beschuldigte bereits nach geltendem Recht Anspruch auf einen kostenlosen Dolmetscher aus Artikel 6 Abs. 3 lit. e EMRK sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (unter Hinweis auf BVerfG NJW 2004, 50). Die Beratung mit dem Verteidiger ermögliche damit auch dem der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtigen Beschuldigten die Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte und gewährleiste ein faires Verfahren. Der Anspruch des Beschuldigten auf umfassende Verdolmetschung umfasse auch die Gespräche mit seinem Verteidiger etwa zur Vorbereitung der Begründung eines Rechtsmittels, also in einem Zeitpunkt, in dem die schriftliche Urteilsbegründung im Sinne des § 275 StPO bereits vorliegt. Der Dolmetscher stehe mithin zur Verfügung, um dem Beschuldigten im Rahmen dieses Gespräches das Urteil mündlich ganz oder teilweise zu übersetzen (BTDrucks. 17/12578, Seite 12).
Nichts anderes dürfte aber (entsprechend) im Hinblick auf die Übersetzung der an den Angeschuldigten und seinem Verteidiger zugestellte Anklageschrift gelten.
Danach war aus Sicht der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts zum Zeitpunkt der Erhebung und Zustellung der Anklage und auch noch zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses aufgrund der Bestellung eines Wahlverteidigers das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren gewährleistet, auch wenn die Anklageschrift nicht in die polnische Sprache übersetzt worden war. Die Vertretung durch einen Verteidiger schließt zwar nicht aus, dass auch der Beschuldigte selbst - etwa aufgrund eigener Fachkundigkeit - durchaus ein berechtigtes Interesse haben kann, das Urteil (oder die Anklageschrift) in einer ihm verständlichen Sprache selbst zu lesen. Indiz für ein solches Interesse und eine daraus resultierende Pflicht zur vollständigen oder teilweisen schriftlichen Übersetzung kann dabei das begründete Verlangen des Beschuldigten nach einer entsprechenden Übertragung der Entscheidung sein (vgl. BTDrucks. 17/12578, Seite 12). Eine Übersetzung der Anklageschrift hat der Angeklagte jedoch innerhalb der Frist zur Stellungnahme auf die zugestellte Anklageschrift nicht verlangt.
Hieran ändert auch nichts der in der Beschwerdebegründung zitierte Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.11.2013 (1 Qs 78/13), wonach in der Zustellung der Anklageschrift in deutscher Sprache an einen sprachunkundigen Ausländer ohne Übersetzung ein Verfahrensmangel liege, der im Lichte des Grundsatzes des fairen Verfahrens die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich mache. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich nämlich in einem entscheidenden Punkt von dem vorliegenden Verfahren. Dort hat das Amtsgericht die nicht übersetzte Anklageschrift an den Angeschuldigten zu einem Zeitpunkt zugestellt, zu dem sich für diesen noch kein Verteidiger angezeigt hatte.
bb. Auch die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg erforderte nicht die Beiordnung eines Verteidigers. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO lagen - wie bereits ausgeführt - nicht vor. Aufgrund der Teilnahme eines Dolmetschers für die polnische Sprache war das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren gewährleistet.
cc. Auch die unterbliebene Übersetzung des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 08.11.2013 erfordert nicht die Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren.
Der Angeklagte war im Verfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg durch einen von ihm bevollmächtigten Wahlverteidiger vertreten. Dieser hat auch Berufung eingelegt und an diesen ist das erstinstanzliche Urteil zugestellt worden. Aufgrund des bestehenden Mandatsverhältnisses war die Zustellung einer Urteilsabschrift in deutscher Sprache ohne Beifügung einer Übersetzung in die polnische Sprache ausreichend, um das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren und Gewährung rechtlichen Gehörs zu wahren (vgl. EGMR Urt. v. 19.12.1989, EGMR-E 4, 450, 475 Rdn.. 85; OLG Stuttgart, Beschl. vom 09.01.2014 - 6 - 2 StE 2/12,Rdn. 9 nach juris). Auf die obigen Ausführungen unter aa (2) wird insoweit verwiesen.
Hieran ändert auch die neue Vorschrift des § 37 Abs. 3 StPO, wonach das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen ist, nichts. § 37 Absatz 3 StPO bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf Fälle, in denen eine Urteilsübersetzung nach § 187 Abs. 1 und 2 GVG zur Wahrung der Verteidigungsrechte unerlässlich ist. Nicht erfasst sind - so die Begründung des Gesetzgebers - also Konstellationen, in denen nach den Grundsätzen der bisherigen Praxis - insbesondere aufgrund der Mitwirkung eines Verteidigers - dem Recht auf ein faires Verfahren bereits durch Simultandolmetschung der mündlich eröffneten Urteilsgründe und die Zustellung des schriftlichen Urteils an den Verteidiger Genüge getan werden kann (vgl. BTDrucks. 17/12578, Seite 14).
dd. Sonstige Gründe, welche die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren geboten erscheinen lassen, liegen wie bereits oben ausgeführt nicht vor. Der Senat hat mit Rücksicht auf die Ausführungen unter 3.d. keinen Anlass, zu besorgen, dass die 4. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth die dem Angeklagten durch § 187 GVG eingeräumten Verfahrensrechte nicht gewähren wird, zumal für den Termin zur Hauptverhandlung auch ein Dolmetscher für die polnische Sprache geladen wurde.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
5. Das Verfahren muss dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorgelegt werden.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 06.10.1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, S. 3415 ff., Rdn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfGE Beschluss vom 28.01.2013 - 2 BvR 1561 - 1564/12, Rdn. 178 nach juris).
Danach ist eine Vorlageverpflichtung nicht gegeben. Die Frage der Übersetzung der Anklageschrift und des erstinstanzlichen Urteils in die polnische Sprache ist nicht entscheidungserheblich.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/64/EU stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass verdächtige oder beschuldigte Personen, die die Sprache des Strafverfahrens nicht verstehen, innerhalb einer angemessenen Frist eine schriftliche Übersetzung aller Unterlagen erhalten, die wesentlich sind, um zu gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Das Unionsrecht lässt in Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2010/64/EU eine Ausnahmeregelung zu dieser Verpflichtung zu, die im deutschen Recht durch § 187 Abs. 2 Sätze 4 und 5 GVG umgesetzt wird. Eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2010/64/EU ist - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen.
Der Senat legt zwar die nationale Bestimmung § 187 Abs. 2 Sätze 4 und 5 GVG in Übereinstimmung mit der Begründung zum Gesetzentwurf und der bisherigen Rechtsprechung aus. Entscheidungserheblich ist allerdings nicht die unionsrechtliche Frage, ob dem Angeklagten im vorliegenden Verfahren eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift oder des erstinstanzlichen Urteils zur Verfügung hätte gestellt werden müssen, sondern die nicht vom Regelungsinhalt der genannten Richtlinie umfasste Frage, ob bei Fehlen einer schriftlichen Übersetzung ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist. Dies hat der Senat unter den vorliegenden Umständen des Einzelfalles verneint. Selbst wenn man die Notwendigkeit einer Übersetzung der genannten Schriftstücke im vorliegenden Strafverfahren bejahen würde, führt dies nicht dazu, dass dem Angeklagten im noch laufenden Strafverfahren ein Pflichtverteidiger zu bestellen wäre, sondern dazu, dass ihm umgehend diese in einer ihm verständlichen Sprache übersetzten Schriftstücke zu übergeben wären. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.



Dr. Caspar Dr. Hoefler Beck
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Richter
am Oberlandesgericht Richter
am Oberlandesgericht




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