Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Zivilrecht

Fahrstreifenwechsel, Haftung, Anscheinsbeweis

Gericht / Entscheidungsdatum: AG München, Urt. 01.10.2013 - 331 C 28375/12

Leitsatz: Zur Haftung bei einem Verkehrsunfall nach einem Fahrstreifenwechsel.


In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 07.09.2012 in München in der Plinganserstraße geltend.
An dem Unfall beteiligt war der PKW des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen xxx zum Unfallzeitpunkt gefahren von dem Zeugen xxx sowie der bei der Beklagten haftpflichtversicherte kroatische Reisebus, welcher zum Unfallzeitpunkt von dem xxx gefahren wurde.
Unstreitig ist, dass das Klägerfahrzeug zunächst auf der linken Spur gefahren ist und dann, wegen der Verengung der xxxstraße von zwei auf eine Fahrspur, auf die rechte Fahrspur gefahren ist. Das Beklagtenfahrzeug befand sich unstreitig bereits auf der rechten Fahrspur. Hier kam es dann zur Kollision, indem das Beklagtenfahrzeug auf das Klägerfahrzeug auffuhr.
Die Klageseite trägt vor, es handele sich vorliegend wegen der Schäden im Heckbereich mittig sowie im Bereich der Stoßstange und im Bereich der Heckklappe um einen typischen Auffahrunfall, so dass die Beklagtenseite zu 100% haftet.
Der Kläger beantragt:
1. 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.168,71 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.10.2012 zu bezahlen.
2. 2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 411,15 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.10.2012 zu bezahlen.
Die Beklagtenseite beantragt:
Klageabweisung.
Sie trägt vor, der Zeuge xxx habe mit dem klägerischen Fahrzeug plötzlich und vermittelt von der linken auf die rechte Fahrspur gewechselt, ohne auf das neben ihm fahrende Beklagtenfahrzeug zu achten. Das Klägerfahrzeug habe kurz vor dem Beklagtenfahrzeug eingeschert, weshalb es zur Kollision kam. Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden greife nicht ein, da das Klägerfahrzeug erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist.
Das Gericht hat Beweis erhoben in der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 durch uneidliche Vernehmung der Zeugin xxx und xxx.
Zur Ergänzung darf verwiesen werden auf die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen Aktenbestandteile, insbesondere das Protokoll samt Anlagen vom 01.10.2013.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Unfall.
Dem liegt eine Haftungsquote von 100 zu 0 zu Lasten der Klägerseite zugrunde.
Bei der Kollision mit einem anderen Fahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel spricht der Anschein für eine Mißachtung der Sorgfaltspflicht nach § 7 Abs. 5 StVO (VGL Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 7 StVO, Rnr. 16). Gemäß § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Er setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, das dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat, vgl. hierzu z.B. Landgericht Bielefeld, Urteil vom 15.05.2008, Az: 2 O 3/08.
Dass das Klägerfahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Kollision die Spur gewechselt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zeuge xxx selbst gab bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 an, dass die linke Fahrspur geendet habe und er deswegen auf die rechte Fahrspur gewechselt sei.
Auch der örtliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Spurwechsel ist vorliegend gewahrt. Der Zeuge xxx gab an, er sei ca. 10 bis 15 m auf der rechten Spur gefahren. Dies unterbricht den örtlichen und zeitlichen Zusammenhang nicht, vgl. hierzu OLG Bremen, Urteil vom 31.08.1988,3 0 66/88.
Gegen die Beklagtenseite spricht dagegen nicht der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden. Bei Unfällen durch Auffahren spricht zwar der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18.10.1988, Az: VI ZR 223/87.
Dieser erste Anschein wird nach allgemeinen Grundsätzen aber dann erschüttert, dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Licht erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird. Erforderlich ist hierfür der Nachweis, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches erst unmittelbar vor dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat und dadurch dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich war oder erheblich erschwert war, so BGH, Urteil vom 13.02.2011, VI ZR 177/10.
Dieser Spurwechsel des Klägerfahrzeug ist wie oben dargelegt vorliegend zwischen den Parteien unstreitig.
Das Kammergericht hat hierzu auch ausgeführt, Hinweisbeschluss vom 06.05.2011, Az: 12 O 144/09: "Im Fall eines Auffahrunfalls spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende den Unfall sorgfaltswidrig verursacht hat. Der Anscheinsbeweis ist jedoch entkräftet, wenn der Vörausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist und sich die Kollision beider Fahrzeuge daher in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat. Eine Fährt von 5 Sekunden auf dem Fahrstreifen unterbricht diesen Zusammenhang nicht. Diese kurze Zeitspanne Vom Fahrstreifenwechsel bis zur Kollision stellt einen atypischen Geschehensverlauf dar, der es nicht mehr zuläßt auf ein Verschulden des Auffahrenden zu schließen. Ereignet sich der Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass dieser die ihm gemäß § 7 Abs. 5 StVO obliegende Sorgfaltspflicht bei einem Fahrstreifenwechsel nicht in ausreichendem Maße beachtet und den Unfall verursacht hat und verschuldet habe."
Demnach haftet der Vorausfahrende bei einem sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel wegen der gemäß § 7 Abs. 5 StVO zu beachtenden höchst möglichen Sorgfalt in der Regel für die Unfallschäden alleine. Eine Mithaftung des anderen Unfallbeteiligten kommt nur dann in Betracht, wenn der Fahrstreifenwechsler Umstände nachweist, die ein Mitverschulden des anderen belegen.
Allein die Betriebsgefahr des unfallbeteiligten PKWs rechtfertigt keine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers.
Ein Verschulden der Beklagtenseite steht vorliegend zur Überzeugung des Gerichts nicht fest und ist im Übrigen von Klägerseite auch nicht substantiiert vorgetragen worden.
Damit haftet die Klägerseite im vorliegenden Fall allein für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall. Eine Mithaftung der Beklagtenseite besteht dagegen nicht. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs wird unter Berücksichtigung aller Umstände bei der gemäß § 17 StVG gebotenen Abwägung im Hinblick auf dem vom spurwechselnden Klägerfahrzeug ausgehenden Verursachungs- und Verschuldensbeitrag vollständig zurück.
Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz, der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten oder von Verzugszinsen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Verzugszinsen, mithin 3.168,71 Eur.


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".