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Entscheidungen

OWi

Abstandsunterschreitung, nicht nur vorübergehend, Dauer, Strecke

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 18.08.2014 - 21 Ss OWi 144/14 (B)

Eigener Leitsatz: Zur Frage, wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt.


Aktenzeichen:
21 Ss OWi 144/14 [B]
Oberlandesgericht Rostock
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren gegen
Verteidiger:
Rechtsanwalt Bert Handschumacher, Grunewaldstraße 53, 10825 Berlin, Gz.: 12/H07 RA D 692-13
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Oberlandesgericht Rostock -Senat für Bußgeldsachen- durch den Richter am Oberlan-desgericht am 18.08.2014 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Parchim
vom 02.04.2014 - 5 OWi 1673/13 - einschließlich der zu Grunde liegenden Feststellungen
aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über. die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Parchim zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Parchim sprach den Betroffenen mit Urteil vom 02.04.2014 schuldig, als Füh-rer eines Kraftfahrzeugs fahrlässig bei einer Geschwindigkeit von 141 km/h einen ungenügen-den Sicherheitsabstand eingehalten zu haben, wobei der Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes betrug. Bei Kilometer 60, 187 auf der BAB 24 in Richtung Hamburg wurde im Rahmen einer polizeilichen Verkehrsüberwachung mit dem System Vidit Typ VKS 3.0 für sein Fahrzeug bei einer (nach Abzug eines nicht näher mitgeteilten Toleranzwertes) Geschwindigkeit von 141 km/h (nach den Feststellungen unter Ziff. IV. des angefochtenen Urteils 146 km/h) ein Abstand von nur 20 m zum vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt. Die Messstrecke betrug rund 100 m. Welche Strecke insgesamt im Messbereich übersehen werden konnte, teilt das Amtsge-richt nicht mit. Das Amtsgericht hat nicht ausgeschlossen, dass ein anderes Fahrzeug vor dem Betroffenen innerhalb des Messbereichs verlangsamt wurde und somit die Abstandsunter-schreitung beeinflusst hat. Des weiteren hat es festgestellt, dass hinter dem Fahrzeug des Be-troffenen weitere Fahrzeuge mit kürzerem Abstand waren, die eine Abstandsvergrößerung er-schwert hätten. Es verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 240,00 €. Zugleich ver-hängte es ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet be-antragt.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbe-schwerde hat mit der allein erhobenen Sachrüge — zumindest vorläufig — Erfolg. Die Urteils-gründe sind hinsichtlich der festgestellten Geschwindigkeit und zum (nicht) eingehaltenen Ab-stand lückenhaft (§ 267 StPO, §§ 267 Abs. 1, § 337 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofes wie auch der Obergerichte Erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situati-onen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen ab-standsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm NZV 1994, 120; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.05.2002 - 1 Ss 75/02 = BeckRS 2002, 30257446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 = BeckRS 2008, 08770; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 4 Rdn. 22).
Wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, wird in der Recht-sprechung der Obergerichte unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte halten eine Strecke von 250-300m, in der die Abstandsunterschreitung vorliegen muss, für ausreichend (vgl. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf NZV 2002, 519; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2235). Andere lassen jedenfalls 150 m ausreichen, wenn die Messung in einem standardisierten Messverfah-ren durchgeführt wurde, ein kurz zuvor erfolgter Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahr-zeugs ausgeschlossen werden kann und die Dauer der abstandsunterschreitenden Fahrt mehr als 3 Sekunden betrug (OLG Hamm DAR 2013, 656203; vgl. auch OLG Köln VRS 66, 463; Kö-nig a.a.O. Rdn. 22; vgl. aber auch BayObLG, NZV 1994, 241 für den Fall dreimaligen Auffah-rens für jeweils 1 Sekunde bei einer Abstandsunterschreitung von weniger als 10 m).
Im Gesetz selbst ist keine Mindestdauer als Voraussetzung der Ahndung einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung geregelt.
Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, wird die zeitli-che Komponente eine tragende Rolle spielen, da damit auch nur kurzfristige - und damit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht ahndungswürdige - Fehler des Fahrzeugführers berücksich-tigt werden können. Ob im vorliegenden Fall eine solch ahndungswürdige Abstandsunterschrei-tung vorliegt, kann schon mangels Mitteilung einer eindeutigen Geschwindigkeit (141 oder 146 km/h), mangels Angabe einer vom Tatrichter zu Grunde gelegten gemessenen Dauer der Un-terschreitung und mangels eindeutiger Angaben zu vor oder hinter dem Fahrzeug des Betroffe-nen fahrender Fahrzeuge nicht beurteilt werden. Hinsichtlich der für eine Beurteilung notwendi-gen Feststellungen wird insb. auf OLG Hamm, DAR 2013, 656 verwiesen. Auf der Grundlage der bisher mitgeteilten Tatsachen (Messstrecke 100 m, Abstand 20m, möglicherweise vor unter hinter dem Fahrzeug das Fahrverhalten beeinflussende Fahrzeuge, unklare Geschwindigkeit) bestehen allerdings aus Sicht des Senats erhebliche Zweifel am Vor-liegen einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung. Das wird jedoch letztlich der erneut zur Entscheidung berufene Tatrichter zu beurteilen haben.
Die Sache war daher im vollen Umfang zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Parchim zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.


Einsender: RA B. Handschumacher, Berlin

Anmerkung:


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