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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Senior, Entziehung der Fahrerlaubnis

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Stade, Beschl. v. 20.10.2014 - 1 B 1544/14

Leitsatz: Zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach nicht spurtreuem Fahren


In pp.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, mit der er sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen wendet.
Der Antragsteller, geboren am 26. August 1940, war ursprünglich Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 nach altem Recht. Ab September 2012 meldeten wiederholt andere Verkehrsteilnehmer der Polizei, dass ein möglicherweise alkoholisierter Fahrer mit dem Fahrzeug des Antragstellers in Schlangenlinien fahre, so am 9. September 2012 und am 11. April 2013. Das Fahrzeug des Antragstellers wurde daraufhin jeweils einer Verkehrskontrolle unterzogen. Der Antragsteller saß selbst am Steuer. Eine Alkoholisierung konnte nicht festgestellt werden.
Am 3. Januar 2013 war der Antragsteller mit seinem Pkw in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein anderer Verkehrsteilnehmer hatte seinen Pkw auf dem Parkstreifen der Straße abgestellt, die der Antragsteller befuhr. Die Fahrzeugtür des parkenden Wagens war geöffnet, der Fahrer befand sich mit dem Oberkörper im Fahrzeuginneren. Der Antragsteller fuhr mit seinem Pkw am parkenden Fahrzeug vorbei und rammte dabei die geöffnete Fahrertür. Der andere Fahrer blieb unverletzt. Dieser gab später an, er habe lediglich einen Luftzug hinter sich vernommen.
Am 24. April 2013 meldeten Zeugen bei der Polizeistation D., dass sie beobachtet hätten, wie der Antragsteller in starken Schlangenlinien mit äußerst unsicherer Fahrweise seinen Geländewagen in Richtung E. gelenkt habe. Dabei sei er mehrfach auf die Gegenfahrbahn geraten. Bei einer anschließenden Verkehrskontrolle konnte erneut keine Alkoholisierung des Antragstellers festgestellt werden.
Drei Tage später kam der Antragsteller mit seinem Geländewagen Polizeioberkommissar (POK) F., Polizeistation D., auf der Gegenfahrbahn entgegen. Der Polizist erkannte den ihm persönlich bekannten Antragsteller am Steuer. Er schilderte später, das Fahrzeug des Antragstellers sei mit einer Reifenbreite über die gestrichelte Linie auf die Gegenfahrbahn geraten. Es sei dann, nachdem der Polizist die Lichthupe betätigt habe, zurückgelenkt worden.
Der Antragsgegner bat den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 6. Mai 2013 zu einem Gespräch. Hierin berichtete der Antragsteller über einen Schlaganfall vor einigen Jahren. Er übersandte später ein ärztliches Attest seines Hausarztes, in dem dieser u.a. einen Diabetes mellitus feststellt. Auf Vorschlag des Antragsgegners verzichtete der Antragsteller am 17. Juni 2013 auf die Fahrerlaubnis für die heutigen Klassen C1, C1E und CE79. Vom Verzicht ausgenommen blieben die Klassen A, BE, M, S und L.
Am selben Tage teilten mehrere Verkehrsteilnehmer dem Polizeikommissariat E. mit, dass das Fahrzeug des Antragstellers in deutlichen Schlangenlinien geführt werde. Die Polizei fand das Fahrzeug abgestellt vor, der Antragsteller wurde nicht angetroffen. Am 3. September 2013 ging bei der Polizeistation G. ein erneuter Hinweis auf eine mögliche Trunkenheitsfahrt des Antragstellers ein. Die Polizisten, die diesem Hinweis nachgingen, konnten sich mit ihrem Streifenwagen hinter das Fahrzeug setzen. Hierbei fiel ihnen auf, dass der Pkw nur mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h geführt wurde, obwohl 70 km/h erlaubt waren. Auf einer Strecke von etwa 500 Metern sei der Pkw wiederholt leicht über die Fahrbahnmitte hinaus geraten. Bei der anschließenden Kontrolle sei festgestellt worden, dass der Fahrzeugführer, der Antragsteller, nicht unter Alkoholeinfluss stand. Der Antragsteller erklärte gegenüber den Polizisten, dass er seit seinem Schlaganfall nur noch vorsichtig und langsam fahren würde, um nicht sich oder andere Personen zu gefährden.
Mit Schreiben vom 17. September 2013 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Aufforderung ein Gutachten eines amtlich anerkannten Facharztes für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Das Gutachten solle die folgende Fragestellung behandeln:
„Liegt bei dem Untersuchten eine Erkrankung vor, die nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Fahreignung beeinträchtigt oder gänzlich in Frage stellt? Erfüllt der Untersuchte die Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse BE oder sind ggf. Auflagen zu erteilen?“
Zur Begründung verwies der Antragsgegner auf die polizeibekannten Vorfälle sowie auf das vorgelegte Attest des Hausarztes.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2013 berichtete das Polizeikommissariat H. dem Antragsgegner von einem Vorfall, der sich am selben Tage ereignet habe. Die Großleitstelle I. habe dem Polizeikommissariat H. mitgeteilt, dass ein Fahrzeug starke Schlangenlinien fahren würde. Des Weiteren würde das Fahrzeug dauernd und langanhaltend in den Gegenverkehr geraten. Der meldende Verkehrsteilnehmer sei die gesamte Zeit hinter dem Zielfahrzeug gefahren. Dieses habe zwischendurch gewendet und würde ziellos umherfahren. Das Fahrzeug sei dann von der Polizei kontrolliert worden. Am Steuer habe der Antragsteller gesessen, der einen sehr verwirrten und desorientierten Eindruck gemacht habe. Er habe angegeben, dass es bereits die dritte Kontrolle in diesem Jahr sei. Immer werde ihm eine unsichere Fahrweise vorgeworfen, was er sich nicht erklären könne. Kurz nach der Kontrolle habe beobachtet werden können, dass der Antragsteller bereits nach wenigen Metern in den Gegenverkehr geriet und starke Schlangenlinien fuhr. Der Antragsteller sei daraufhin erneut angehalten worden. Ihm sei die Weiterfahrt aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht untersagt worden.
Der Antragsteller legte ein fachärztliches Gutachten zur Überprüfung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen von Herrn J., Facharzt für Allgemeinmedizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, vom 1. März 2014 vor. Herr K. stellte darin Anhaltspunkte für Erkrankungen fest, die zu einer negativen Auswirkung auf die Kraftfahreignung führen könnten. Hierzu verwies er unter anderem auf die Erkrankung an Diabetes mellitus. Im Ergebnis hielt der Gutachter es für vertretbar, dass der Antragsteller weiterhin fahren dürfe. Hinweise auf eine konkrete Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Antragsteller bestünden nicht. Gewisse Defizite seien tolerabel und Erfahrung sowie Routine könnten diese bis zu einem gewissen Maße kompensieren. Die Beurteilung für die untersuchte Führerscheingruppe I lautete: „geeignet“. Auflagen sah der Gutachter nicht als erforderlich an.
Am 8. März 2014 beobachtete Polizeikommissar (PK) L., Polizeistation G., wie der Antragsteller zwischen M. und G. die Kreisstraße befuhr, dies mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h. POK L. schildert, der Pkw des Antragstellers habe ständig das Fernlicht eingeschaltet und bei Gegenverkehr erst sehr spät wieder abgeblendet. Weiterhin sei der Pkw teils in starken Schlangenlinien, teils mittig der beiden Fahrspuren geführt worden. Am 4. April 2014 begegnete der Antragsteller mit seinem Fahrzeug erneut POK F.. Auch hierbei geriet er nach Aussage des Polizisten auf die Gegenfahrbahn und lenkte sein Fahrzeug auf seinen Fahrstreifen zurück, nachdem dieser die Lichthupe betätigt hatte.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 8. April 2014 auf, ein Gutachten über eine Fahrprobe innerhalb von drei Monaten vorzulegen, weil weiterhin Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers bestünden.
Am 16. Juni 2014 legte der Antragsteller eine Fahrprobe ab. Hierüber erstellte der Prüfer vom TÜV Nord ein Eignungsgutachten. Die Fahrprobe habe eine Stunde und dreißig Minuten gedauert. Der Antragsteller habe sich hierauf nach eigenen Angaben mit 30 Fahrstunden bei einem Fahrlehrer vorbereitet. Unter dem Punkt „Beachtung der Verkehrsregeln“ stellt das Gutachten fest: „Nicht ausreichend. Zweimaliges Übersehen von Einmündungen mit der Vorfahrtsregel ,rechts vor links‘“. Unter dem Punkt „Beachtung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen“ heißt es im Gutachten: „Nicht ausreichend. Herr N. fährt nicht spurtreu. Beim Geradeausfahren zeitweise sehr weit rechts an der Fahrbahnbegrenzung, dann wieder sehr weit links bis zur Mittellinie. Beim Fahrstreifenwechsel nach links wird über vorgelagerte Sperrflächen gefahren. Außerorts wurde das Verkehrszeichen 274 (zul. Höchstgeschwindigkeit) 70 km/h nicht beachtet. Eingriff bei v=95 km/h.“ Unter dem Punkt „Reaktionen in kritischen Situationen“ heißt es im Gutachten: „Vorfahrtsverletzung. Bei 2x Linksabbiegen werden vorfahrtsberechtigte Fahrzeuge nicht beachtet“. Zusammenfassend stellt das Gutachten fest: „Aufgrund der von Herrn N. gezeigten Leistungen kann der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis (Fz der Gruppe I) zu genehmigen nicht befürwortet werden. Innerhalb einer Fahrerlaubnisprüfung wäre die Prüfung mehrere Male mit einem negativen Ergebnis beendet bzw. abgebrochen worden.“
Der Antragsgegner kündigte daraufhin mit Schreiben vom 23. Juni 2014 dem Antragsteller an, dass er beabsichtige, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dieser bat um die Möglichkeit, eine erneute Fahrprobe zu absolvieren, denn es habe sich bei der ersten Fahrprobe allenfalls um eine Momentaufnahme gehandelt. Tatsächlich legte der Antragsteller bei einem anderen Prüfer des TÜV Nord am 7. August 2014 eine weitere Fahrprobe ab. In dem hierüber vom Prüfer erstellten Gutachten heißt es unter den Punkt „Fertigkeit in der Bedienung des Fahrzeuges“: „Bei insgesamt drei Parkvorgängen an verschiedenen Örtlichkeiten gab Herr N. so viel Gas, dass er jedes Mal auf den Bordstein bzw. Gehweg auffuhr“. Der Gutachter stellte fest, dass der Antragsteller außerorts mit angepasster Geschwindigkeit, grundsätzlich spurtreu und ohne weitere Auffälligkeiten gefahren sei. Einmal habe er jedoch in einer Linkskurve die Fahrbahnmitte überfahren. Innerorts habe der Antragsteller wiederholt Einmündungen mit der Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ übersehen bzw. sei so schnell gefahren, dass eine Vorfahrtgewährung unmöglich gewesen sei. In Linkskurven habe der Antragsteller wiederholt die Fahrbahnmitte überfahren. Der Antragsteller habe die Verkehrszeichen „zulässige Höchstgeschwindigkeit“, „verkehrsberuhigter Bereich“ sowie „Verbot der Einfahrt“ missachtet. Zusammenfassend führt der Prüfer aus, dass der Antragsteller in der ersten Hälfte der Fahrprobe einen normale Leistung gezeigt habe, diese Leistung jedoch nicht habe halten können. In der zweiten Hälfte der Fahrprobe habe er, der Prüfer, bei wechselnden Anforderungen einen deutlichen stetigen Leistungsabfall mit einer Häufung von erheblichen Fehlern feststellen können. Er halte den Antragsteller aufgrund des beschriebenen Leistungsabfalls und den damit verbundenen gravierenden Fahrfehlern nicht mehr für befähigt, ein Kraftfahrzeug sicher im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Der Antragsteller habe ihm gegenüber geäußert, dass er bereit sei, die Fahrerlaubnis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h einschränken zu lassen. Dies halte der Prüfer jedoch deshalb nicht für verantwortbar, weil der Antragsteller fast alle gravierenden Fehler bei einer Geschwindigkeit unter 45 km/h gemacht habe.
Der Antragsgegner kündigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 13. August 2014 erneut an, ihm die Fahrerlaubnis aller Klassen zu entziehen. Der Antragsteller erwiderte darauf, dass er hierfür keinen Anlass sehe. Die Ursache seines Fahrverhaltens beruhe auf der Tatsache, dass er in der Vergangenheit passionierter Jäger gewesen sei und aus dieser Zeit noch die unbewusste Angewohnheit stamme, während der relativ langsamen Fahrt zeitweise nach links und rechts auf den Feldern nach freilaufendem Wild Ausschau zu halten. Dabei überschätze er in letzter Zeit offenbar seine Befähigung, gleichzeitig das Fahrzeug gleichmäßig in der Spur zu halten, so dass nach außen hin der Eindruck entstanden sei, dass sich in dem Fahrzeug ein unsicherer, möglicherweise betrunkener Fahrer befinden könne. Wenn auch noch bei der ersten Fahrprobe bemängelt worden sei, dass er nicht spurtreu fahre, so bedeute dies nur, dass er zeitweise auf seiner Fahrbahn mal weit rechts an der Fahrbahnbegrenzung und dann mal wieder weit links bis zur Mittellinie gefahren sei. Tatsache sei jedenfalls, dass er zu keinem Zeitpunkt seine Fahrspur verlassen habe, was letzten Endes entscheidend sein dürfe. Das ordnungsgemäße spurtreue Fahren habe auch bei der zweiten Fahrprobe bestätigt werden können. Bei der zweiten Fahrprobe sei ihm zudem bescheinigt worden, dass er normal auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert habe. Dies dürfe wohl der wichtigste Aspekt sein, der seine uneingeschränkte Fahrtauglichkeit untermauere. Etwaige Fahrfehler seien sicherlich auf seine prüfungsbedingte Nervosität zurückzuführen und dürften wohl kaum so gravierend gewesen sein, dass man ihm die Fahrtauglichkeit absprechen könne. Es habe sich dabei um Fehler gehandelt, die auch jedem anderen Fahrer jüngeren Alters unterlaufen könnten. Zu dem Punkt „Reaktionen in kritischen Situationen“ bei der zweiten Fahrprobe merke er an, dass er im verkehrsberuhigten Bereich möglicherweise etwas zu schnell gefahren sein könne. Dabei habe jedoch nicht, wie es aus dem Protokoll heraus verstanden werden könne, von dem Fahrprüfer eingegriffen werden müssen. Der Eingriff habe lediglich in einem Hinweis des Fahrprüfers bestanden, dass er vielleicht etwas zu schnell sei und er seine Geschwindigkeit verlangsamen möge, welches er eingesehen habe und schließlich auch sofort getan habe. Auch der Fahrlehrer, mit dem er sich auf die Fahrproben vorbereitet habe, habe gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten versichert, dass er regelmäßig nicht zu beanstandende Fahrleistungen zeige und daher von seiner Seite jedenfalls keine Bedenken gegen die Fahrtauglichkeit bestünden.
Mit Bescheid vom 28. August 2014 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung verwies er auf diverse polizeiliche Mitteilungen über Fahrauffälligkeiten sowie die nach den Fahrproben erstellten Gutachten. Soweit der Antragsteller angebe, dass er deshalb Schlangenlinien gefahren sei, weil er als passionierter Jäger daran gewöhnt sei freilaufendes Wild zu beobachten, sei doch fraglich, warum es dann während der ersten Fahrprobe innerhalb von O. zu eben solchen Auffälligkeiten gekommen sei. Wild dürfe hierbei nicht beobachtet worden sein. Der ständige Seitenwechsel innerhalb der Spur könne insbesondere im Zusammenhang mit den dokumentierten Geschwindigkeitsüberschreitungen zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen. Die Nervosität des Antragstellers bei der Fahrprobe könne ebenso wie bei jungen Fahranfängern nicht berücksichtigt werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete der Antragsgegner mit der Gefährdung von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer. In einem Kostenfestsetzungsbescheid vom gleichen Tage wurden Gebühren in Höhe von 127,95 € festgesetzt.
Hiergegen hat der Antragsteller am 8. September 2014 Klage erhoben, verbunden mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. In der zweiten Fahrprobe sei festgestellt worden, dass er grundsätzlich spurtreu im Fahrstreifen ohne weitere Auffälligkeiten fahre. Dies sei auch dadurch bestätigt worden, dass der letzte Vorfall bereits über fünf Monate zurückliege. Würde er, der Antragsteller, tatsächlich in Schlangenlinien fahren, so hätte dies auffallen müssen, denn er lege in der Regel täglich eine Wegstrecke von ca. 30 bis 40 Kilometern zurück.
Die Schwierigkeiten beim Einparken seien ebenfalls kein Grund, ihm die Fahrtauglichkeit abzusprechen, denn rückwärtiges Einparken werde auch von vielen routinierten Autofahrern nicht beherrscht. Er, der Antragsteller, habe im Übrigen sehr wohl die Einmündungen mit der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ wahrgenommen. Er habe jedoch, wenn er habe übersehen können, dass kein Fahrzeug sich der Einmündung von rechts näherte, sein Fahrt fortgesetzt, ohne das Fahrzeug abzustoppen. Dieses Verhalten könne möglicherweise seitens des Fahrprüfers zu dem falschen Rückschluss geführt haben, dass er, der Antragsteller, geltende Vorfahrtsregeln übersehen habe. Auch das Überfahren der Fahrbahnmitte in Linkskurven könne nicht als gravierender Fahrfehler bewertet werden. Er habe sich hierbei stets vergewissert, dass sich keine Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn befänden. Das Schneiden von Linkskurven werde nach seinen Beobachtungen von einer überwiegenden Anzahl von Verkehrsteilnehmern, teils sogar von Polizeifahrzeugen vorgenommen, wobei man die Fahrtauglichkeit dieser Verkehrsteilnehmer sicherlich auch nicht in Abrede stellen würde. Soweit er, der Antragsteller, einmal die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca. 15 km/h überschritten haben solle, sei fraglich, ob die Angaben des Fahrprüfers als zutreffend bewertet werden könnten. Bekanntlich habe der Fahrprüfer auf dem Rücksitz des Fahrzeuges gesessen und deshalb perspektivisch einen etwas ungünstigeren Einblick auf den Tacho des Fahrzeuges gehabt. Eine etwaige Geschwindigkeitsüberschreitung in dieser Höhe stelle im Übrigen nicht seine Fahrtauglichkeit in Frage. Er sei auch eher als ein langsamer Fahrer bekannt. Die Geschwindigkeitsübertretung im verkehrsberuhigten Bereich habe darin begründet gelegen, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass das Zeichen 325 eine höhere Geschwindigkeit als eine Schrittgeschwindigkeit verbiete. Bekanntlich habe der Antragsteller seinen Führerschein vor ca. 52 Jahren gemacht. Zu diesem Zeitpunkt habe es das Zeichen 325 noch nicht gegeben. Er habe erst im Rahmen der Fahrprobe erfahren, dass er sich im verkehrsberuhigten Bereich nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegen dürfe.
Die Angaben des Fahrprüfers, der Antragsteller habe kurzzeitig orientierungslos gewirkt, seien unsubstantiiert. Dies hätte in jedem Fall näher erläutert werden müssen. Richtig sei nur, dass er sich in den genannten Örtlichkeiten, um keinen Fahrfehler zu begehen, kurz über den weiteren Fahrverlauf Gedanken gemacht habe. Er erinnere im Übrigen an das ärztliche Gutachten des Sachverständigen A., der ihm unter medizinischen Gesichtspunkten die volle Fahrtauglichkeit bestätigt habe. Im Übrigen sei vom Fahrprüfer der ersten Fahrprobe unter dem Punkt „Anzeichen von Erschöpfung“ vermerkt worden: „Nach 65 Minuten Fahrzeit keine“. Dass der Fahrprüfer der zweiten Fahrprobe trotz der relativ leichten Fehler des Antragstellers dessen Fahrtauglichkeit verneint habe, dürfe wohl kaum durch das Ergebnis der weitgehend zufriedenstellenden Fahrprobe begründet sein. Der Fahrprüfer habe im Anschluss an die Fahrprobe dem Antragsteller von seinem Vater erzählt, der aufgrund einer altersbedingten Fahruntauglichkeit mit seinem Fahrzeug zwei schwere Verkehrsunfälle mit Personenschaden verursacht habe. Dieses offenbar traumatische Erlebnis im Familienkreis habe bei dem Fahrprüfer anscheinend die Wirkung, tendenziell die Fahrtauglichkeit bei älteren Verkehrsteilnehmern von vorneherein in Frage zu stellen. Hinzu komme, dass dem zweiten Fahrprüfer das negative Eignungsgutachten des ersten Prüfers bekannt gewesen sei.
Zu dem Vorfall am 3. Januar 2013 führt der Antragsteller aus, dass er an diesem Unfall gänzlich schuldlos gewesen sei. Es sei damals dunkel gewesen und das gegnerische Fahrzeug sei unbeleuchtet gewesen. Zudem sei er, der Antragsteller, durch die Scheinwerfer des Gegenverkehrs geblendet worden, wodurch er der Seitentür nicht mehr habe ausweichen können.
Anzumerken sei auch, dass die Anforderungen bei der Fahrprüfung eines Fahranfängers sicherlich nicht unwesentlich höher zu bewerten seien als bei einem Führerscheininhaber, bei dem es um die Feststellung seiner Fahrtauglichkeit gehe. Er, der Antragsteller, sei im Übrigen noch beruflich aktiv und benötige aus diesem Grunde sein Fahrzeug ganz dringend.
Der Antragsteller beantragt,
die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen sowie den Antragsgegner anzuweisen, den in Verwahrung genommenen Führerschein an den Antragsteller wieder herauszugeben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, dass die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sich zum einen aus den polizeilichen Mitteilungen über Fahrauffälligkeiten ergebe und zum anderen aus den zwei negativen Fahrproben. Insoweit werde auf die Ausführungen in der streitgegenständlichen Verfügung verwiesen.
Soweit dem Antragsteller die rückwärtigen Parkvorgänge nicht gelungen seien, lasse dies für sich genommen zwar keinen Rückschluss auf die fehlende Eignung zu, es sei aber maßgeblich, dass es dem Antragsteller nicht gelungen sei, das Gas in erforderlichen Maß zu dosieren. Hinsichtlich der Missachtung der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ könne davon ausgegangen werden, dass der Prüfer in der Lage sei zu beurteilen, ob ein Anhalten bei plötzlich nahendem Gegenverkehr möglich gewesen sei. Ebenso dürfte der Prüfer aufgrund seiner Erfahrung durchaus in der Lage gewesen sein festzustellen, ob eine Geschwindigkeitsübertretung vorliege. Hinsichtlich des Verkehrszeichens 325 „verkehrsberuhigter Bereich“ sei daraufhin zuweisen, dass für jeden Verkehrsteilnehmer die Pflicht bestehe, sich über neue Regelungen und Verkehrszeichen zeitnah zu informieren. Der Antragsteller könne eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mit seiner Unkenntnis begründen.
Ein Kraftfahrzeugführer müsse im Übrigen in der Lage sein, sich trotz Unkenntnis über die Örtlichkeiten im Straßenverkehr zurechtzufinden. Es müsse unterstellt werden, dass der Prüfer eine bloße Orientierung in einem fremden Fahrgebiet von einer Orientierungslosigkeit unterscheiden könne. Das positive Zeugnis des Fahrlehrers reiche nicht aus, um die Kraftfahreignung entgegen der Einschätzung der Prüfung zu bejahen. Schließlich werde Erstbewerbern die Fahrerlaubnis auch nicht nach einem Zeugnis des betreuenden Fahrlehrers erteilt. Das Ergebnis der Fahrprobe zeige, dass die Kraftfahreignung des Antragstellers nicht vorliege. Demnach sei die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen. Bei nachgewiesener Nichteignung bestehe kein Ermessen. So könne die persönliche Situation des Antragstellers nicht berücksichtigt werden.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte und zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung in formell ordnungsgemäßer Weise nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Er hat in den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird.
Anlass dafür, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, besteht nicht. Das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, kann das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht überwiegen. Denn nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Kammer keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides, weil davon auszugehen ist, dass der Antragsteller andernfalls von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen und mit dem Pkw die von ihm täglich gefahrene Strecke zwischen 30 und 40 km zurücklegen wird. Hierdurch wären andere Verkehrsteilnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit und in ihrem Vermögen ernstlich gefährdet.
Der Antragsgegner hatte dem Antragsteller gem. §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV, in der Fassung v. 13. Dezember 2010, BGBl. I S. 1980) die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Der Inhaber einer Fahrerlaubnis ist oder wird ungeeignet, wenn er die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen nicht oder nicht mehr erfüllt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV).
Die mangelnde Eignung des Antragstellers ergibt sich – neben den für sich sprechenden Vorfällen im Straßenverkehr – unzweifelhaft aus den Fahrfehlern, die der Antragsteller während beider Fahrproben begangen hat. Bereits einzelne der von den Prüfern dokumentierten Fahrfehler lassen darauf schließen, dass der Antragsteller tatsächlich nicht in der Lage war, altersbedingte Defizite durch Erfahrung und gewohnheitsmäßig geprägte Bedienungshandlungen auszugleichen.
Besonders gravierend erscheint, dass der Antragsteller in der ersten Fahrprobe nicht in der Lage war, das nicht spurtreue Fahren abzustellen, obwohl er sich in der Prüfungssituation befand und ihm bekannt war, dass dies der – bislang – hauptsächliche Kritikpunkt an seiner Fahrweise war. Selbst wenn es ihm in einer zweiten Fahrprobe gelang, „grundsätzlich“ spurtreu zu fahren, so überfuhr er doch in dieser Probe wiederholt in Linkskurven die Fahrbahnmitte. Dass auch andere Verkehrsteilnehmer teilweise Linkskurven „schneiden“, worauf der Antragsteller hinweist, ändert nichts an dem erheblichen Gefährdungspotential dieses klar verkehrswidrigen Fahrmanövers. Anzumerken ist auch, dass eine Verkehrsgefahr nicht erst dann entsteht, wenn das Fahrzeug die Fahrspur insgesamt verlässt, wie der Antragsteller offenbar meint. Gerät ein Fahrzeug auch nur mit einer Reifenbreite in die Fahrspur des Gegenverkehrs, kann dies tödliche Verkehrsunfälle verursachen. Dieses Manöver ist auch dann nicht zulässig, wenn der Fahrer sich vergewissert, dass kein Verkehr auf der Gegenspur herrscht, wie der Antragsteller es getan haben will. Außerhalb der Fahrproben hat der Antragsteller sich im Übrigen nicht stets vergewissert, dass kein Gegenverkehr nahte, bevor er über seine Spur hinausfuhr. Dies ergibt sich insbesondere aus den glaubhaften Schilderungen des POK P.
Die übrigen gezeigten Fahrfehler in den Proben begründen ebenfalls Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers. Dies gilt insbesondere für das Linksabbiegen unter Missachtung der Vorfahrt, welches der Antragsteller offenbar nicht bestreitet.
Die nicht-negativen Feststellungen der Prüfer, die der Antragsteller betont – etwa der Umstand, dass bei der ersten Fahrprobe nach 65 Minuten keine Anzeichen von Erschöpfung festgestellt wurden – bedeuten nur, dass die Prüfer insoweit keine zusätzlichen Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers hatten. Die Feststellungen vermögen aber in keiner Weise die bestehenden erheblichen Fahrfehler auszugleichen.
Auch die vom Antragsteller vorgebrachten Einwände gegen die Beurteilung der Fahrprobe durch den Sachverständigen greifen nicht durch. Anhaltspunkte dafür, dass sich in der Beurteilung des zweiten Prüfers eine Übervorsicht aufgrund „traumatischer Erlebnisse im Familienkreis“ niedergeschlagen haben könnte, bestehen nicht. Auf das Ergebnis der zweiten Fahrprobe kommt es zudem nicht an, da schon das Ergebnis der ersten Fahrprobe mit hinreichender Sicherheit auf die mangelnde Fahreignung des Antragstellers schließen lässt. Die Beobachtungen des Fahrlehrers haben demgegenüber kein Gewicht, schon weil sie sich nicht auf das relevante Fahrverhalten während der Fahrproben beziehen. Weder das Alter des Antragstellers noch seine Nervosität während der Fahrproben vermögen die Fahrfehler zu relativieren. Im Übrigen ist nicht einmal erkennbar, dass der Antragsteller während der Fahrproben an den strengen Anforderungen gemessen wurde, die bei der Fahrprüfung zum erstmaligen Erwerb einer Fahrerlaubnis angelegt werden. Im Gegenteil hat der erste Prüfer vermerkt, dass die Prüfung gleich mehrere Male mit negativem Ergebnis abgebrochen worden wäre, wenn es sich um eine Fahrerlaubnisprüfung gehandelt hätte.
Der Umstand, dass die Berufsausübung des Antragstellers ohne Fahrerlaubnis erheblich erschwert ist, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Fahrerlaubnisentzugs. Der Antragsgegner verfügt über keinen Ermessensspielraum, innerhalb dessen er trotz festgestellter mangelnder Fahreignung eine Fahrerlaubnis belassen dürfte. Dies gebietet schon die staatliche Schutzpflicht gegenüber den Rechtsgütern des Antragstellers selbst, aber auch gegenüber denen anderer Verkehrsteilnehmer.
Aus diesen Gründen hat auch der Antrag keinen Erfolg, den Antragsgegner anzuweisen, den Führerschein herauszugeben. Da Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht bestehen, fehlt es hierfür bereits an einem Anordnungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach Maßgabe der §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 Gerichtkostengesetz (GKG).


Einsender: entnommen openjur.de

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