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Entscheidungen

Gebühren

Pauschgebühr, Bemessung, Kompensation,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 06.03.2015 - 1 RVGs 9/15

Leitsatz: Durch JVA-Besuche entstandener zeitlicher Mehraufwand des Pflichtverteidigers kann bei der Gewährung einer Pauschgebühr "durch nicht verbrauchte“ Hauptverhandlungszeit, die zur Gewährung eines Längenzuschlags geführt hat, kompensiert werden.


OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf den Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschvergütung nach Anhörung des Vertreters der Landeskasse durch die Richterin am Amtsgericht am 06.03.2015 beschlossen:
Die Bewilligung einer Pauschvergütung wird abgelehnt.

Gründe
Der Pflichtverteidiger beansprucht die Bewilligung einer Pauschvergütung. Zur Begründung trägt er vor:
„Der Unterzeichner hatte Herrn pp. in der JVA am 15.11.11, 29.11.11, 17.01.12, 12.03.12, 11.04.12, 03.05.12, 19.07.12, 25.07.12 und 02.08.12 besucht. Keiner dieser Besuche dauerte kürzer als 20 Minuten, der Besuch am 29.11.11 dauerte 70 Minuten, der Besuch am 17.01.12 dauerte 60 Minuten, der Besucher 03.05.2012 dauerte 45 Minuten. Der Unterzeichner hielt Kontakt zum später als Zeugen gehörten Vetter ppp. und telefonisch zur in Afrika lebenden elterlichen Familie. Im Zusammenhang mit Erklärungen der Gerichtshöfe zur angeblichen verteidigerseitig durchkreuzten Auflage eines Anti-Aggressionstraining in einem früheren Verfahren zog der Unterzeichner Vor-strafenhandakten bei und machte deren Inhalt zu einer Erklärung beim Schwurgericht."
Der Antrag auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinausgehenden Pauschvergütung gemäß § 51 RVG ist nicht begründet.
1
§ 51 Abs. 1 S. 1 RVG sieht die Festsetzung einer Pauschgebühr in Strafsachen für den Fall vor, dass die gesetzlichen Gebühren des gerichtlich bestellten Rechtsanwalts wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit „nicht zumutbar sind".
Die Vorschrift soll verhindern, dass der bestellte oder beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, dass ihm ein grund-rechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird (vgl. BVerfG NJW 2007, 1445). Dass dabei im Ergebnis die Vergütung des beigeordneten Anwalts gleichwohl deutlich unter der eines Wahlverteidigers' liegt bzw. liegen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420). Mit der Tatbestandsformulierung „nicht zumutbar sind" soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr die Ausnahme darstellt. Die Bewilligung setzt voraus, dass die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen - in ganz erheblicher Weise abheben muss (vgl. BGH, 3 StR 117/12, Beschluss vom 17.09.2013; BGH, 4 StR 73/10, Beschluss vom 11.02.2014; jeweils: „in exorbitanter Weise").

2. Das ist hier nicht der Fall.
Bereits die Einschätzung des Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer, das Verfahren habe für die Tätigkeit des Verteidigers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten geboten, weil eine problematische Schuldfähigkeit vorgelegen habe, teilt der Senat nicht. Denn zum einen enthält das - nicht abgekürzte - Urteil hierzu lediglich die schlichte Feststellung, dass der Angeklagte „auch schuldhaft" handelte. Zum anderen sind weder in der (übersichtlichen) Revisionsbegründung des Verteidigers Ausführungen zur Schuldfähigkeit enthalten, noch verhält sich die Stellungnahme des Generalbundesanwalts dazu. Der Bundesgerichtshof hat die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, ohne eine Erörterung der Frage für geboten zu erachten.

Auch nach Umfang von Anklageschrift (22 Seiten) und Urteil (70 Seiten), nach dem Aktenumfang (bis zur Terminierung der Hauptverhandlung 547 Blatt) und der Zahl der Hauptverhandlungstage (4) handelt es sich eher um ein als unterdurchschnittlich zu bewertendes Verfahren vor dem Schwurgericht.

Berücksichtigungsfähige Umstände, die eine Honorierung der Tätigkeit des Antragstellers im Rahmen der gesetzlichen Gebühren als unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Für eine Schwurgerichtssache, deren Umfang und Schwierigkeit der Gesetzgeber - wie bei Verfahren vor einer Wirtschaftsstrafkammer - gegenüber sonstigen Strafsachen bereits durch erheblich erhöhte Gebühren Rechnung getragen hat, weist die Sache keine (im oben genannten Sinne) ganz besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf.

Was die JVA-Besuche anbelangt, geht deren Anzahl zwar über die 3 Besuche hinaus, die nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig mit der gesetzlichen Gebühr abgegolten sind (SenE v. 03.11.2009 - 1 ARs 101/09 -; SenE v. 06.02.2009 - 1 ARs 15/09 -; SenE v. 21.03.2013 - III-1 RVGs 23/13 -). Der hier vorgetragene Mehraufwand erfährt aber eine Kompensation durch die Gebühren für die Hauptverhandlung. Denn der Antragsteller hat für die Teilnahme an 4 Hauptverhandlungsterminen jeweils eine Gebühr nach Nr. 4121 W RVG und zudem den Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV RVG erhalten hat. Damit ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein zeitlicher Aufwand von bis zu 32 Stunden angemessen vergütet. Diesen Gebühren steht nach der insoweit unwidersprochenen Stellungnahme des Vertreters des Landes NRW vom 05.02.2015 in vorliegender Sache eine tatsächliche Inanspruchnahme des Antragstellers durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung von insgesamt 27 Stunden und 14 Minuten gegenüber. Hieraus folgt, dass der Antragsteller für die von ihm aufgewendete Zeit zur Einarbeitung in die Sache und für Besprechungen mit dem Angeklagten durch die bereits an sie ausgekehrten gesetzlichen Gebühren angemessen entschädigt ist.

Mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Neuregelungen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes für die Bewilligung einer Pauschgebühr (vgl. Begründung zum Entwurf dieses Gesetzes, BT-Drucksache 15/1971) ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der weiter vorgetragenen anwaltlichen Bemühungen die Gewährung einer Pauschgebühr nicht gerechtfertigt. Die gesetzlichen Gebühren können nicht als unzumutbar gering gelten. Es ist nicht ersichtlich, dass die in der Antragsbegründung angeführten Tätigkeiten zu einer außergewöhnlichen Mehrbelastung des Antragstellers geführt haben.

Einsender: RA L. Pieplow, Köln

Anmerkung:


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