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Entscheidungen

StPO

Einstellung nach § 154 StPO, Wiederaufnahme, Gründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 13.04.2015 - 2 RV 42/15

Leitsatz: Umstände, die bereits im Zeitpunkt einer Einstellungsentscheidung nach § 154 Abs. 2 StPO vorgelegen haben und die das Gericht hätte kennen können, rechtfertigen die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht.


OLG NAUMBURG
BESCHLUSS
2 Rv 42/15
In der Strafsache
gegen pp.

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 13. April 2015 beschlossen:

Auf die Revision des Ang klagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16. Dezember 2014 aufgehoben.
Das Verfahren wird gemäß § 354 Abs. 1 StPO eingestellt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:
Das Amtsgericht Schönebeck hatte den Angeklagten am 30. Juni 2014 wegen Betruges in vier Fällen unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt.
Am 29. Oktober 2014 fand die erste Hauptverhandlung vor der Berufungskammer statt. Im Termin wurde das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf zwei weitere gegen den Angeklagte anhängige, von der Staatsanwaltschaft angeklagte Verfahren vorläufig eingestellt.

Am nächsten Tag, dem 30. Oktober 2014, vermerkte der Vorsitzende der Berufungskammer, dass beabsichtigt sei, das Verfahren wieder aufzunehmen.

Die Kammer sei bei der Einstellungsentscheidung von der Erwägung ausgegangen, der Angeklagte habe zu den Tatzeiten einen Zahlungseingang aus der von ihm Rechnung vom 30 April 2013 erwarten können, deswegen sei die Vernehmung eines Zeugen erforderlich gewesen. erforderlich gewesen. Allerdings habe der Angeklagte auf der Rechnung eine Kontoverbindung angegeben, die am 30. April 2013 noch nicht existiert habe. Dies ergebe sich aus Unterlagen, die bereits vor der Hauptverhandlung im ersten Rechtszug zur Akte gelangt waren.

Von dem Vermerk erhielten die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Wiederaufnahme Der Verteidiger nahm keine Stellung, die Staatsanwaltschaft sehr knapp, sie schrieb das Wort: „Einverstanden!". Mit Beschluss vom 7. November 2014 nahm der der Vorsitzende das Verfahren wieder auf. Die Berufungshauptverhandlung fand nunmehr am 16. Dezember 2014 statt und endete mit einer Verurteilung des Angeklagten unter Einbeziehung der rechtskräftigen Strafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten.

Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und beanstandet, dass das Verfahren zu Unrecht wieder aufgenommen worden sei.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Das Verfahren wurde wieder aufgenommen, weil der Vorsitzende in der Hauptverhandlung den Akteninhalt teilweise nicht gekannt hatte. Dies ist kein zulässiger Wiederaufnahmegrund.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 23. März 2015 ausgeführt:

„Das Landgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 29.10.2014 das Verfahren wirksam gemäß §§ 154 Abs. 2i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt im Hinblick darauf, dass die Strafe, zu der die Verfolgung führen kann, neben den Strafen, die der Angeklagte in den Verfahren der Staatsanwaltschaft Magdeburg 235 Js 6541/14 und 778 Js 16752/14 zu erwarten habe, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Der gerichtliche Einstellungsbeschluss hat nach § 154 Abs. 2 StPO eine beschränkte materielle Rechtskraft (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 154 Rn. 17) und beendet die gerichtliche Anhängigkeit (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04.04.1984, 1 Ss 117/84 – zitiert nach juris).

Mit der Einstellung durch Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das nur durch einen förmlichen Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO beseitigt werden kann (vgl. BGH NStZ 2007, 476).

Zwar hat das Landgericht Magdeburg nach Anhörung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft der Sache nach einen Wiederaufnahmebeschluss gefasst. Entgegen dem Vortrag des Revisionsführers schließt § 154 Abs. 4 StPO eine Wiederaufnahme bereits vor rechtskräftigem Abschluss des anderen Verfahrens auch nicht aus (vgl. KK-Diemer, StPO, 7. Aufl. 2013, § 154 Rn. 30).

Da aber die Wiederaufnahme nur zulässig ist, wenn die Grundlage des Einstellungsbeschlusses nachträglich wegfällt und das Gesetz die Wiederaufnahme des Verfahren nur unter den in § 154 Abs. 4 StPO genannten Voraussetzungen zulässt, wird trotz Vorliegen eines Wiederaufnahmebeschlusses das Verfahrenshindernis nicht beseitigt, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nicht vorliegen [vgl. BGH NStZ-RR 2007, 83; KG Berlin Beschluss vom 19.03.2009, (4) 1 Ss 98/09 - zitiert nach juris].

So ist es hier. Zwar ist anerkannt, dass § 154 Abs. 4 StPO die zur Wiederaufnahme führenden Gründe nicht abschließend enthält und dass sowohl Einstellung als auch Wiederaufnahme jeweils eine Ermessensentscheidung des mit der Sache befassten Gerichts darstellt und sich daher hinsichtlich ihrer konkreten Grundlagen naturgemäß weitgehend einer gerichtlichen Überprüfung entziehen (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1985, 39).

Im Hinblick auf die beschränkte Rechtskraft und die unter Umständen auch Vertrauen erweckende Befriedungsfunktion der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO bedarf es aber für die Aufnahme eines nach Abs. 2 der Norm eingestellten Verfahrens eines sachlich einleuchtenden Grundes (KK-Diemer a. a. O.).

Auch wenn der Wiederaufnahmebeschluss vom 30.10.2014 keine Begründung enthält, ergibt sich aus dem Verfahrensgang und der Verfügung des Vorsitzenden der 8. Strafkammer vom 30.10.2014 (Bd. I Bl. 147 d.A.) zweifelsfrei, dass das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen hat, weil es durch den mit der Sache in 1. Instanz befassten Strafrichter darauf hingewiesen worden ist, dass sich aus den Akten bereits ergebe, dass es sich bei der Einlassung des Angeklagten um widerlegbare „Schutzbehauptungen " handele.

Die vorliegend unzulängliche Kenntnis des Vorsitzenden der Strafkammer vom Akteninhalt stellt einen solchen sachlichen Grund für die Wiederaufnahme aber nicht das. Bereits aus dem amtsgerichtlichen Urteil folgte, dass sich in der dortigen Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte für mögliche Exspektanzen des Angeklagten ergeben haben. Das weiter angeführte Schreiben der Stadtsparkasse Magdeburg vom 06.06.2014 befand sich ebenfalls in der Akten (Bd. 1 BI. 94 d. A.).

Die zur Wiederaufnahme herangezogenen Umstände hätte das Landgericht Magdeburg im Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung sämtlich kennen können.

Daher konnte der Wiederaufnahmebeschluss das sich aus der gerichtlichen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ergebene Verfahrenshindernis nicht beseitigen.

Da das Verfahrenshindernis bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten war, sodass das Landgericht Magdeburg nach § 260 Abs. 3 StPO hätte verfahren müssen, ist hier gemäß § 349 Abs. 4 StPO das Urteil aufzuheben und das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1 StPO einzustellen (vgl. OLG Gelle, NStZ 2008, 118; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. 0., § 206a Rn. 6)."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.


Der Fall gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass Verfahrenseinstellungen nach § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren in der Regel kaum sachgerecht sind, wenn das Hauptverfahren bereits eröffnet ist oder – wie – sogar ein erstinstanzliches Urteil vorliegt.


Einsender: RA J. Robert Funck, Braunschweig

Anmerkung:


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