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Entscheidungen

OWi

landwirtschaftlicher Verkehr, Begriff, Jäger,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 27.05.2015 - 322 SsRs 154/14

Leitsatz: Bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung handelt es sich um "landwirtschaftlichen Verkehr .


Oberlandesgericht Celle
Beschluss
322 SsRs 154/14
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 27.05.2015 einstimmig beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Achim vorn 11.06.2014 aufgehoben.
Die Betroffenen werden freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Be-troffenen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Mit Bußgeldbescheiden vom 08.10.2013 hat der Landkreis Verden gegen die Betroffenen je-weils eine Geldbuße in Höhe von 20,- festgesetzt wegen fahrlässigen Führens eines Kraft-fahrzeugs in einem Verkehrsbereich, der durch das Verkehrszeichen 250 gesperrt und für den lediglich durch das Zusatzzeichen 1026-36 („landwirtschaftlicher Verkehr frei") ein Befahren mit Kraftfahrzeugen erlaubt war, §§ 24 StVG, 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, 141.3 BKat.

Auf die jeweiligen Einsprüche der Betroffenen hat das Amtsgericht Achim mit Urteil vom 11.06.2014 gegen die Betroffenen wegen „einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit - Befahren von nur für den landwirtschaftlichen Verkehr zugelassenen Flächen ohne Ausnahmegenehmigung" jeweils eine Geldbuße in Höhe von 20,- € verhängt.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Betroffenen als Jäger am 21.07.2013 nachmittags in der Achimer Marsch eine Jagdhundeausbildungseinheit durch-geführt haben. Dabei seien sie von ihrem Treffpunkt aus jeweils als Führer ihrer PKWs über Verkehrsflächen zu der Jagdhundeausbildungsstätte gefahren, die für den allgemeinen Fahr-zeugverkehr gemäß Verkehrszeichen 250 (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) ge-sperrt gewesen seien. Eine Ausnahmeregelung besteht ausweislich eines zu Beginn der jeweili-gen Zuwegung angebrachten Zusatzschildes 1026-36 lediglich für den „landwirtschaftlichen Verkehr", was den Betroffenen jeweils auch nicht entgangen sei.

Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass die Betroffenen den so beschilderten Bereich im Rahmen ihrer Jagdausübung - hier in Form der Jagdhundeausbildung - nicht hätten befahren dürfen, so dass sie einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit schuldig seien.
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweiligen Anträge der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Mit Beschluss vom 21.11.2014 hat der Senat die Rechtsbeschwerden der Betroffenen zur Fort-bildung des Rechts zugelassen, da die Frage, ob ein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art, von dem landwirtschaftlicher Verkehr ausgenommen ist, auch für Fahrzeug gilt, die zur Aus-übung der Jagd oder zur Ausübung von Tätigkeiten zur Durchführung der Jagd genutzt werden, in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist.

Die Betroffenen sind der Ansicht, dass sie als Jäger bei Ausübung einer Jagdaktivität wie der Jagdhundeausbildung unter die Ausnahmeregelung fielen, weil landwirtschaftlicher Verkehr auch die Verkehrsflächennutzung durch Jäger umfasse.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beantragt, die Zulassungsanträge zu verwerfen.

II.
Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen haben Erfolg.

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Achim war aufzuheben. Die Betroffenen waren frei-zusprechen.

1.) Die Sperrung eines Weges mit dem amtlichen Verkehrszeichen Nr. 250 (Verbot der Durch-fahrt für Fahrzeuge aller Art) erlaubt eine Durchfahrt für Jagdausübungsberechtigte nach soweit ersichtlich einhelliger Rechtsprechung und Literatur dann, wenn die Zeichen mit dem Zusatz-schild „Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei", Zeichen 1026-38, versehen sind (vgl. nur Schuck, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, § 3, Rn. 19; Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum BJagdG, 4. Auflage 1982, § 33, Rn. 4; Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 1 BJagdG, Rn. 48; AG Wolfshagen, Urteil vom 27.09.2004, Az.: 2 C 329/04).

Die Durchfahrt ist aber auch dann erlaubt, wenn sie lediglich für den „landwirtschaftlichen Ver-kehr" (Zusatzzeichen 1026-36) freigegeben ist. Die Betroffenen haben sich deshalb nicht ord-nungswidrig verhalten.

Bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung handelt es sich um „landwirtschaftlichen Verkehr". Auch die Fahrt zum Treffpunkt der anstehenden Jagdhundeausbildung gehört dazu. Dies folgt bereits aus § 4 Abs. 4 Satz 1 NJagdG, wonach die Ausbildung von Jagdhunden als Jagdaus-übung gilt.

Dass auch Fahrten im Zusammenhang mit der Jagdausübung unter den Begriff des „landwirt-schaftlichen Verkehrs" nach der StVO fallen, ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
a) Landwirtschaft ist eine auf Erwerb gerichtete Urproduktion, welche die regelmäßige und da-rum pflegliche Nutzung des Bodens zum Zwecke der Gewinnung von Nahrungs- und techni-schen Rohstoffen pflanzlicher und tierischer Natur zum Gegenstand hat. Landwirtschaftlicher Verkehr erfolgt zum Zwecke des Betriebes der Landwirtschaft, wobei es keine Rolle spielt, ob der Wegbenutzer selbst Eigentümer oder nur Nutzungsberechtigter des anliegenden Grund-stücks ist (vgl. Drosse, DAR 1986, 269 (270 f.); OLG Koblenz, Beschluss vom 14.12.1981, Az.: 1 Ss 485/84; OLG Köln, Urteil vom 27.01.1970, Az,: 1 Ws (OWi) 184/69).

Es reicht aus, dass die Fahrt im Rahmen der üblichen Verrichtungen durchgeführt wird, die der Bewirtschaftung der anliegenden landwirtschaftlichen Grundstücke dienen (vgl. BayObLG, Be-schluss vom 25.02.1982, Az.: 1 Ob OWi 40/82; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.1990, Az.: 1 Ss (OWi) 96/90; OLG Köln, Beschluss vom 18.04.1986).

Das Jagdrecht ist als Nutzungsrecht am freilebenden Wild den land- und forstwirtschaftlichen Flächen zugeordnet. Gem. § 1 Abs. 2 BJagdG ist der Wildbestand unter besonderer Berück-sichtigung der ökologischen Ausgleichsfunktion des ländlichen Raumes auszurichten und an die land- und forstwirtschaftlich genutzte und betreute Landschaft anzupassen. Die Hege ist dabei so durchzuführen, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischerei-wirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden reduziert bzw. verhindert werden, so dass die Jagd unmittelbar sowohl land- als auch forstwirtschaftlichen Zwecken dient und demzufolge sowohl der Land- als auch der Forstwirtschaft zuzuordnen ist. Dies spricht für eine Einordnung der Jagd als Landwirtschaft, die als Wildbewirtschaftung ein Wirtschaftszweig der Land- und Forstwirtschaft ist (vgl. Pardey, Niedersächsisches Jagdgesetz - Kommentar, § 1 BJagdG, Anm. 1, § 7 BJagdG, Anm. 5; i.E. ebenso Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 22. Auflage 2012, § 2 StVO, Rn. 88).

b) Die Einordnung der Jagd in den Bereich der Landwirtschaft folgt auch aus der Koppelung des Jagdrechts an die jeweiligen Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden, wie sie sich aus § 3 BJagdG ergibt und an die Nutzungsrechte für Grundflächen, wie sie etwa in §§ 6 ff, NJagdG angesprochen sind.

Daraus folgt weiter, dass eine Differenzierung zwischen. der Freigabe für landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Verkehr bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung nicht gerechtfer-tigt ist.

So ist etwa für die Begründung eines Eigenjagbezirks eine Fläche von zusammenhängend 75 Hektar erforderlich, die „land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbar ist, §§ 7 Abs. 1 BJagdG, 12 Abs. 1 Satz 3 NJagdG, wobei die unterschiedlichen Flächennutzungen vom Ge-setzgeber gleichberechtigt nebeneinander genannt sind. Dies legt es nahe, die Jagd jedenfalls auch als landwirtschaftliche Nutzung eines Grundstückes zu verstehen, zumal Jagd nicht nur auf forstwirtschaftlich genutzten Flächen stattfindet, sondern auch - und womöglich häufiger - auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.

c) Darüber hinaus definiert auch der Gesetzgeber die Jagd in verschiedenen Vorschriften als Angelegenheit der Landwirtschaft.
im Rahmen der siebten Verordnung zur Änderung von § 6 Abs. 5 Nr. 1 FeV, wo es um die Fahrerlaubnis für land- und forstwirtschaftliche Zwecke geht, ist zum 30.06.2012 in die Vor-schrift das Wort „Jagd" eingefügt worden. In der amtlichen Begründung (BRs.-Drs 245/12, BI. 26) heißt es hierzu, mit dieser Änderung solle klargestellt werden, dass auch die Jagd unter den Begriff der fand- oder forstwirtschaftlichen Zwecke falle. Dies zeigt, dass auch die Jagd im Rahmen des Fahrerlaubnisrechts zur Land- und Forstwirtschaft zählt (vgl. auch Ternig, ZfSch 2013, 9), ohne zwischen diesen beiden Formen der wirtschaftlichen Nutzung von Flächen zu differenzieren. Ausschlaggebend für diese Ergänzung von § 6 Abs. 5 Nr. 1 FeV war nach Aus-kunft des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dass das Jagdrecht als Nutzungsrecht am Wild den land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zugeordnet und der Wildbestand an die land- und forstwirtschaftlich genutzte Landschaft anzupassen ist. Die Jagd diene auch dem Zweck, Beeinträchtigungen der land-, forst- und fischerei-wirtschaftlichen Nut-zung zu vermeiden.

Gegen eine strikte Trennung von Land- und Forstwirtschaft spricht auch der gemeinsame Er-lass der-Ministerien für Umwelt und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt - eine entsprechende Regelung existiert in Niedersachsen nicht - vom 09.07.2010, -41-64002, wonach dort Fahrten zum Zwecke der Jagdausübung trotz des Verbotszeichens 250 dann erlaubt sind, wenn die Zu-satzzeichen 1026-36 („Landwirtschaftlicher Verkehr frei"), 1026-37 („Forstwirtschaftlicher Ver-kehr frei") oder 1026-38 („Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei") die Durchfahrt gestatten.

Ausweislich dieses Erlasses ist die Jagdausübung als Teil der Urproduktion der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen; der zur Jagdausübung nach dem Landesjagdgesetz befugte Jä-ger dürfe deshalb - so die ausdrücklichen Gründe des o.g. Erlasses - zum Zwecke der Jagdausübung öffentliche Straßen, die mit den vorgenannten Zusatzzeichen gesperrt seien, befahren, ohne dass es hierzu einer Ausnahmegenehmigung gem. § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO bedürfe.
Schließlich wird auch in § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII die Jagd als „landwirtschaftliches Unter-nehmen" unmittelbar der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unterstellt.
Dies alles spricht entscheidend dafür, Fahrten für jagdliche Zwecke als landwirtschaftliche Stra-ßennutzung zu behandeln. Damit haben die Betroffenen nicht gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßen, sie haben die durch Zeichen 250 gesperrte, durch Zusatzzeichen 1026-36 allerdings für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegebene Straße befugt befahren.

2.) Da das Amtsgericht umfassende Feststellungen. getroffen hat, konnte der Senat selbst in der Sache gem. §§ 79 Abs. 6 OWiG, 354 Abs. 1 StPO entscheiden und die Betroffenen aus rechtlichen Gründen freisprechen.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 StPO.

Einsender: RÄin, S. Quaß, Delmenhorst

Anmerkung:


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