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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Wohnungseinbruchsdiebstahl, Jugendrecht, Bewährung, junge Mutter

Gericht / Entscheidungsdatum: AG München, Urt. v. 11.06.2015 - 1034 Ls 468 Js 199228/14 jug

Leitsatz: Zur Bewährungsaussetzung bei einer jungen Mutter.


Amtsgericht München
Az.: 1034 Ls 468 Js 199228/14 jug
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - München

In dem Strafverfahren gegen
Verteidiger:
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
aufgrund der Hauptverhandlung vom 11.06.2015

Die Angeklagte ist schuldig des Wohnungseinbruchdiebstahls.
Die Angeklagte wird
zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr 9 Monaten verurteilt.
Es wird davon abgesehen, der Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die eigenen notwendigen Auslagen trägt die Angeklagte selbst.
Angewendete Vorschriften:
§§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB. , 105, 74 JGG

Gründe:
I.
Am 05.08.2014 zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 10:00 Uhr und 13:00 Uhr hebelte die Angeklagte mittels eines Schraubenziehers das Küchenfenster im Erdgeschoss des Reiheneckhauses der Eheleute pp. in der pp. in München auf, drang so in die Räumlichkeiten ein, durchsuchte sämtliche Schränke und Schubladen nach Stehlgut und entwendete eine Goldkette aus 585er Gelbgold mit einem gefassten blauen lupenreinen Tansanit von etwa 10 mm Durchmesser, leicht oval geschliffen, im Wert von ca. 300 EUR sowie Bargeld in Höhe von 200 EUR, um diese Gegenstände unberechtigt für sich zu behalten. An dem Küchenfenster entstand Sachschaden in Höhe von ca. 2.000.- €.

III.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht der Jugendgerichtshilfe beim LRA Aichach-Friedberg, der von der Angeklagten bestätigt und ergänzt wurde.

Die Auskünfte aus dem Bundeszentral- bzw. Erziehungsregister für Deutschland und für Frankreich wurden verlesen.

Der festgestellte Sachverhalt steht nach der durchgeführten Hauptverhandlung zur Überzeugung des Gerichtes fest.
Die Angeklagte hat den Tatvorwurf eingeräumt. Sie gab an, zu dieser Zeit in Kroatien gelebt zu haben und 2 bis 3 Tage vor der Tat mit ihrem Ehemann nach München gereist zu sein, um sich hier das Stadtzentrum anzusehen. Als Grund für den Einbruch nannte sie, dass sie kein Geld gehabt habe. Den Einbruch habe sie gemeinsam mit pp. begangen, die sie in München am Bahnhof kennengelernt habe. Das Geständnis der Angeklagten ist glaubhaft und korrespondiert mit dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme.

Die Geschädigte pp. berichtete anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder des Tatortes darüber, wie sie ihr Haus nach dem Einbruch vorgefunden habe. Aus den Lichtbildern gehen deutliche Verwüstungsspuren hervor, insbesondere im Arbeitszimmer. Schubladen wurden herausgezogen und Gegenstände auf dem Boden verstreut. Die Geschädigte schilderte insbesondere ihre nachhaltige Verunsicherung durch den Einbruch. Monatelang habe sie sich in ihrem Haus nicht mehr wohlgefühlt. Sie habe sich nicht mehr getraut, die Terrassentür offen zu lassen, wenn sie beispielsweise in die Küche oder auf der Toilette gegangen sei. Sie habe 4 bis 5 Tage gebraucht, um das stark verwüstete Arbeitszimmer nach dem Einbruch überhaupt betreten zu können. Seither sei ihr ein Stück „Lebensgefühl" verloren gegangen. Von dem Schaden am Küchenfenster übernehme die Versicherung nur ca. 400.-, sodass sie und ihr Ehemann auf ca. 1.600.- € „sitzen bleiben".

Die entwendeten Gegenstände bezeichnete und beschrieb die Geschädigte wie im Sachverhalt festgestellt.

Der Zeuge KHK pp. berichtete über den Verlauf der Ermittlungen. Eine am Tatort gesicherte DNA-Spur habe in Frankreich einen Datenbanktreffer ergeben. Das Muster sei in Frankreich bei mehreren Straftaten festgestellt worden. Allerdings seien dort die Personalien pp.. hinterlegt gewesen. Nach einem Abgleich der für .pp. über Interpol Paris übermittelten Fingerabdrücke mit den Fingerabdrücken der Angeklagten habe sich ergeben, dass es sich um dieselbe Person handele.

Der Zeuge KHK pp. berichtete weiterhin, dass auf einer in einem Ladengeschäft namens pp.-Moden in der pp. in München sichergestellten Aufzeichnung der Videoüberwachung zu erkennen gewesen sei, dass die Angeklagte sich am Tattag, dem 05.08.2014, gegen 13.30 Uhr mit zwei männlichen und einer weiteren weiblichen Person dort aufgehalten habe. Bei der weiblichen Begleiterin habe es sich um pp. gehandelt, die wegen eines ebenfalls am 05.08.2014 begangenen Wohnungseinbruchsdiebstahls rechtskräftig verurteilt worden sei.

Hierzu wurden die vor der Videoüberwachung gefertigten Lichtbilder in Augenschein genommen. Die Angeklagte räumte hierzu ein, mit ihrem Ehemann, ihrem Cousin und pp.. in dem Ladengeschäft pp.-Moden gewesen zu sein, gab aber an, pp. nicht näher zu kennen.

Das vom Zeugen KHK. pp. angesprochene, gegen pp. ergangene Urteil des AG Jugendschöffengericht -München vom 17.12.2014 (rechtskräftig seit 09.04.2015) wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Danach wurde pp. wegen eines ebenfalls am 05.08.2014 gegen 15.55 Uhr begangenen Wohnungseinbruchsdiebstahls in der pp in pp. München, somit unweit des hiesigen Tatorts zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass auch dieser Einbruch durch Aufhebeln des Küchenfensters begangen wurde, die Vorgehensweise also der hiesigen Tat gleicht.

Die Nutzung von Aliaspersonalien in Frankreich, somit das Leben unter einer zweiten Identität, sowie der Umstand, dass Angeklagte am Vormittag des 05.08.2014 und ihre Begleiterin am Nachmittag des (15.08.2014 gleichartige Einbruchsdiebstähle begingen, lässt jedenfalls den Schluss zu, dass die Angeklagte sich in einem kriminogenen Umfeld bewegt, auch wenn sich im hiesigen Verfahren keine Bandenmitgliedschaft erwiesen hat.

Der Aufenthalt der von der Angeklagten benannten Mittäterin pp. ist nach Angabe des Zeugen KHK pp. nicht bekannt

IV.

Die Angeklagte hat sich daher schuldig gemacht des Wohnungseinbruchsdiebstahls gemäß den §§ 242 I. 244 I Nr. 3 S:GB.

Da die Angeklagte keine Angaben zur Tatbeteiligung ihrer am Tatort anwesenden Begleiterin pp. machte und zur Einschätzung deren konkreten Tatbeitrags keine weiteren Indizien vorliegen, kam eine Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Begehungsweise nach § 25 II StGB nicht in Betracht.

V.
Auf die Angeklagte ist gemäß § 105 I Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden. Die Angeklagte hat keine Schule besucht und kann weder lesen noch schreiben. Aufgrund dessen und wegen der zahlreichen Aufenthaltswechsel während ihrer Kindheit sind Reifeverzögerungen nicht auszuschließen. Auch nach dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung ist die Angeklagte in ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch eher einer Jugendlichen als einer Erwachsenen gleichzustellen.

Bei der Angeklagten liegen schädliche Neigungen vor, die gemäß § 17 II 1. Alternative JGG die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich machen:

Die Angeklagte wurde bereits 2-mal wegen Einbruchsdiebstahls verurteilt und verbüßte vor der Verurteilung in Frankreich im Jahr 2013 eine 9-monatige Haftstrafe und vor der Verurteilung im Jahr 2010 in Deutschland eine 2-monatige Haftstrafe. Dass die Angeklagte nunmehr erneut straffällig geworden ist, zeigt, dass weder die vorangegangenen Verurteilungen noch die Hafterfahrungen ihre Rechtstreue stärken konnten. Dies deutet auf erhebliche Anlage- und Charaktermängel h n, die eine längere erzieherische Einwirkung in Form der Jugendstrafe erforderlich machen

Die Schwere der Schuld als zweiter möglicher Anknüpfungspunkt für die Verhängung einer Jugendstrafe gemäß § 17 ll 2. Alternative JGG liegt nach Auffassung des Gerichtes hingegen weder unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tatfolgen noch im Hinblick auf die persönlichkeitsbegründete Beziehung der Angeklagten zur Tat vor.

Für die Bemessung der Jugendstrafe war der Strafrahmen des § 18 I S. 1 i. V. m. § 105 III S. 1 JGG (6 Monate bis 10 Jahre) zugrunde zu legen.

Dabei sprach für die Angeklagte, dass sie geständig war. Mildernd war auch zu berücksichtigen, dass die Untersuchungshaftbedingungen für die Angeklagte besonders belastend waren, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrscht und zudem in der Haft ihr Kind gebar. Dass die Angeklagte nun als eine Folge der Inhaftierung von ihrer neugeborenen Tochter getrennt ist, fiel bei der Strafzumessung ebenfalls mildernd ins Gewicht.

Für die Angeklagte sprach auch, dass sie sich in der Hauptverhandlung mit eigenen Worten bei der Geschädigten entschuldigte.

Zu Lasten der Angeklagten war hingegen zu sehen, dass sie in Deutschland bereits 1-mal wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls verurteilt wurde, und dies nach dem Bundeszentralregisterauszug in 2 vollendeten und 4 versuchten Fällen. Die Verurteilung in Frankreich als solche fiel bei der Strafzumessung hingegen nicht strafschärfend ins Gewicht, da die diesbezügliche Tat ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs bereits am 18.09.2008 begangen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Angeklagte 13 Jahre alt und somit nach deutschem Recht noch nicht strafmündig. Erschwerend musste allerdings gesehen werden, dass die Angeklagte sich trotz der 9-monatigen Untersuchungshaft, die sie in Frankreich vor dem im Jahr 2013 ergangenen Urteil verbüßte, nicht davon abhalten ließ, am 05.08.2014 die hiesige Tat zu begehen, was für eine stark ausgeprägte kriminelle Gesinnung spricht.

Erschwerend fielen auch die Tatfolgen für die Geschädigte ins Gewicht, insbesondere deren durch die Tat ausgelöste längerfristige psychische Beeinträchtigung. Während die Tatbeute als solche nicht erheblich war, was mildernd zu berücksichtigen war, mussten der entstandene Sachschaden in Höhe von 2.000.- € und die im Haus angerichteten Verwüstungsspuren strafschärfend geweitet werden.

Bei Abwägung aller für: und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hält das Gericht die Verhängung einer Jugendstrafe von 1 Jahr 9 Monaten zum Zweck der gemäß § 18 II JGG gebotenen erzieherischen Einwirkung auf die Angeklagte für erforderlich, aber auch ausreichend.

Die Strafe konnte nicht gemäß § 21 I, II JGG zur Bewährung ausgesetzt werden. Eine günstige Sozialprognose besteht nicht:. Die Angeklagte ist bereits mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Weder die bisherigen Verurteilungen noch die verbüßten Untersuchungshaftzeiten haben die Angeklagte von erneuter Delinquenz abgehalten. Es sind auch weder neue Lebensumstände noch wesentliche Einstellungsänderungen ersichtlich, die erwarten ließen, dass die Angeklagte künftig ein rechtstreues Leben zu führen gewillt und in der Lage wäre. Zwar ist sie mittlerweile Mutter geworden und hat in der Hauptverhandlung nachvollziehbar geäußert, ihr Kind sehr zu vermissen. Angesichts der tief verwurzelten kriminellen Energie der Angeklagten hat das Gericht jedoch nicht die Hoffnung, dass allein die Mutterrolle und die damit verbundene Verantwortung für ihr Baby die Angeklagte künftig längerfristig auf einem rechttreuen Lebensweg halten kann.

Da das Gericht aus den vorgenannten Gründen von einer negativen Sozialprognose ausgeht, die einer längeren erzieherischen Einwirkung in Form einer Vollzugsstrafe bedarf, kam auch der Ausspruch einer Vorbewährung gemäß § 61 JGG nicht in Betracht.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.

Einsender: Präsident des AG München, München

Anmerkung:


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