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Entscheidungen

Gebühren

Terminsgebühr, Aufruf

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.08.2015 - 1 Ws 51/15

Leitsatz: 1. Das Entstehen der Terminsgebühr setzt nicht voraus, dass ein förmlicher Aufruf erfolgt ist.
2. Bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer ist eine einstündige (Mittags)Pause auch dann abzuziehen, wenn der Verteidiger sie für die Erstellung eines Befangenheitsantrages genutzt hat.


2 Ws 51/15
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen des Verdachts des Mordes
hier: Beschwerde von Rechtsanwalt Günal, Bonn gem. §§ 56, 33 RVG
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 17.August 2015 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Günal wird der Beschluss des Landgerichts Kassel vom 04. Mai 2015 mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Beschwerde-führer für den Hauptverhandlungstag am 28. Juli 2014 die Gebühr nach 4121 VV-RVG zu zah-len ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:.
Der Beschwerdeführer ist Pflichtverteidiger, des in der Haft befindlichen Angeklagten B. in ei-nem Strafverfahren vor dem Landgericht Kassel.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Kassel hatte mit Verfügung vom 22.01.2015 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für den Verteidiger des Angeklagten B. auf 13.463,66 EUR festgesetzt und dabei die Terminsgebühr für den 28.07.2014 abgesetzt und eine mehr als ein-stündige Pause am 04.08.2014 abgezogen. Hiergegen hatte der Beschwerdeführer mit Schrei-ben vom 29.01.2015 Erinnerung eingelegt, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hatte. Mit Beschluss vom 04.05.2015 hat der Vorsitzende Richter als Einzelrichter die Erinnerung zurück-gewiesen.

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Terminsgebühr am 28.07.2014 festzuset-zen ist, weil an diesem Tag eine Hauptverhandlung im Sinne des § 243 StPO stattgefunden hat. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass die Hauptverhandlung von 9:02 Uhr bis 9:20 Uhr stattgefunden habe.

Bei dem Hauptverhandlungstermin am 04.08.2014 hätte die Pause nicht abgezogen werden dürfen, weil er diese Pause, in der die Hauptverhandlung unterbrochen war, dafür genutzt ha-be, einen Befangenheitsantrag zu fertigen.

Das Landgericht Kassel hat die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen.

II.
Die Beschwerde gern. §§ 56, 33 RVG hat hinsichtlich der abgesetzten Hauptverhandlungster-minsgebühr vom 28.07.2014 Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Das Landgericht Kassel hat völlig zutreffend darauf abgestellt, dass die Terminsgebühr nur dann anfällt, wenn am 28.07.2014 ein Verhandlungstermin (Hauptverhandlungstag im Sinne der Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 4121 VV-RVG) stattgefunden hat. Der Beschwerde-führer hatte vorliegend unmittelbar vor Aufruf der Sache zum ersten Hauptverhandlungstag am 28.07.2014 ein schriftliches Befangenheitsgesuch eingereicht. Das für den Sitzungstag gefertig-te Protokoll das vom Vorsitzenden und der Protokollführerin unterschrieben ist, weist eine Ver-handlung vom 9:02 Uhr bis 9:20 Uhr auf. In dem Protokoll ist die komplette Anwesenheit der Richterbank inklusive der Schöffen vermerkt. Ein formaler Aufruf zur Sache ist nicht notiert. Ebenso sind die weiteren Anwesenden nicht vermerkt. Weiter ist festgehalten, dass der Vorsit-zende sodann mitteilte, dass aufgrund des Ablehnungsantrages am heutigen Tag die Haupt-verhandlung nicht durchgeführt werden könne und der nächste Termin zur Hauptverhandlung wie bereits bestimmt am Donnerstag, den 31.07.2014 stattfinden werde.

Das Protokoll belegt damit, dass eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Dass vorliegend nicht förmlich aufgerufen wurde und auch die Anwesenheit nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist, ist insoweit unschädlich. Ein förmlicher Aufruf zur Sache ist ebenso wie die Präsenz-feststellung, keine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner § 243 Rdnr. 4 am Ende und Rdnr. 5).

Ob verhandelt werden soll, ergibt sich durch das äußere Erscheinungsbild, bei dem die Beteilig-ten als erstes erkennen können, dass zur Sache verhandelt werden soll. Dies ergibt sich vorlie-gend dadurch, dass die komplette Kammer inklusive Schöffen als anwesend im Protokoll ver-merkt worden sind und zumindest über die bloße Entgegennahme des Ablehnungsantrages auch eine Einlassung oder eine Erklärung des Beschwerdeführers zum Ablehnungsantrag ver-merkt worden ist. Entscheidend ist darüber hinaus, dass nicht die Kammer nach § 228 StPO die Hauptverhandlung abgesetzt und am nächsten geplanten Sitzungstag neu begonnen hat, sondern der Vorsitzende die (weitere) Verhandlung lediglich (auf Grund des Befangenheitsan-trags) auf den nächsten Sitzungstag verlegt hat.

Damit ist kostenrechtlich ein Sitzungstag angefallen, so dass die Hauptverhandlungsgebühr vom Pflichtverteidiger im Ergebnis zu Recht in Ansatz gebracht worden ist.

Die Berechnung der Terminsgebühr am 04.08.2014 ist zutreffend. Die Hauptverhandlung dau-erte ausweislich des Protokolls am 04.08.2014 von 9:11 Uhr bis 17:05 Uhr. Die Verhandlung war u. a von 13:16 Uhr bis 14:31 Uhr für mehr als eine Stunde unterbrochen. Während dieser Zeit musste der Verteidiger auch nicht damit rechnen, dass die Hauptverhandlung vom Gericht wieder aufgerufen werden wird. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats, auf die das Landgericht Kassel bereits hingewiesen hat, war diese über eine Stunde dauernde Pause bei der Berechnung in Abzug zu bringen, sodass insgesamt eine normale Hauptverhandlungsge-bühr und keine mit Zuschlag für Überlänge festzusetzen war. Während dieser Zeit war der Be-schwerdeführer nicht für die Kammer tätig, mußte auch nicht bereit stehen, mithin ist er auch nicht zu vergüten. Es stand ihm frei, dieses Zeitfenster anderweitig - auch im eigenen Interesse - zu nutzen. Was er mit diesem Zeitfenster macht, wie er es ausfüllt und was er in dieser Zeit tut, ist, wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung ausführlich begründet hat, völlig irrele-vant. Entscheidend ist, dass er nicht mehr für dieses Verfahren und nicht mehr für das Gericht zur Verfügung stehen muss. Dass der Beschwerdeführer die Zeit vorliegend dazu genutzt hat, einen Befangenheitsantrag zu schreiben, ist keine Tätigkeit, die durch die Hauptverhandlungs-gebühr erfasst wird. Es ist vielmehr eine Tätigkeit, die durch die normale Verfahrensgebühr ab-gegolten ist. Die Hauptverhandlungsgebühr ist ausschließlich dafür da, dass der Verteidiger während der laufenden Hauptverhandlung seine Tätigkeit entfaltet. Was er außerhalb der Hauptverhandlung tut, obliegt ihm allein. Soweit es sich um verfahrensbezogene Tätigkeiten handelt, sind sie durch die anderen Gebührentatbestände bereits vollständig erfasst. Der Abzug erfolgte daher zu Recht. Da damit keine überlange Hauptverhandlung stattgefunden hat, war auch nur die normale Hauptverhandlungsgebühr mit Zuschlag nach 4121 VV-RVG festzuset-zen.


Einsender: RA Günal, Bonn

Anmerkung:


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