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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Muslimische Beschneidungsfeier, Zulässigkeit, Durchführung, Karfreitag

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Köln, Urt. v. 10.12.2015 - 20 K 5562/14

Leitsatz: Zur Zulässigkeit der Durchführung einer muslimischen Beschneidungsfeier an einem Karfreitag.


In pp.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit welcher dem Kläger die Durchführung von unterhaltenden Veranstaltungen in dem von ihm vermieteten „Eurosaal“ an Sonn- und Feiertagen und insbesondere am Karfreitag untersagt worden ist. Dem ging Folgendes voraus:

Nach einem Bericht von Außendienstmitarbeitern der Beklagten vom 01.04.2013 wurde am Karfreitag, den 29.03.2013, u. a. der in der W. . in Köln betriebene Eurosaal des Klägers kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass dort eine Beschneidungsfeierlichkeit einer türkischen Familie stattfand, bei der ca. 400 Personen anwesend waren. Zum Zeitpunkt der Kontrolle gegen 19.15 Uhr spielte eine Liveband, die –so der Bericht der Außendienstmitarbeiter- bereits ca. 50 m vor dem Objekt gut hörbar war. Gegen 21 Uhr ging eine Beschwerde eines Anwohners vom C.---------weg ein. Der Außendienst stellte fest, dass vor dem dortigen Wohnhaus noch Musik wahrzunehmen war, innerhalb der Wohnung des Beschwerdeführers nicht mehr. Als der Eurosaal erneut aufgesucht wurde, wurden zu diesem Zeitpunkt nur Reden gehalten.

Unter dem 26.09.2013 wurde gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen das Feiertagsgesetz NRW erlassen. Auf Einspruch des Klägers wurde dieser durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 10.12.2013 – 525 OWi 737/13 – freigesprochen. Bei der als Ordnungswidrigkeit angesehenen Veranstaltung habe es sich um eine Beschneidungsfeier gehandelt, durch welche Jungen in die islamische religiöse Gemeinde aufgenommen würden. Die Feier sei hiernach religiös motiviert und unterfalle als solche insgesamt dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG (Freiheit der Religionsausübung). Die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene Aufspaltung der Veranstaltung in einem religiösen Teil (Beschneidung) und einen nicht-religiösen Teil (Feierlichkeit aus Anlass der Beschneidung) stelle eine unnatürliche Trennung einer einheitlichen religiös motivierten Veranstaltung dar, die durch das FeiertagsG NRW nicht eingeschränkt werde, da sie eben keinen unterhaltenden Charakter i. S. d. § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG NRW habe, sondern ausschließlich einen religiösen.

In einem Telefonat vom 14.04.2014 wurde der Kläger vorab darüber informiert, dass nach Rechtsauffassung der Beklagten die Veranstaltung einer Beschneidungsfeier am Karfreitag den Vorschriften des FeiertagsG NRW widerspreche und man davon ausgehe, dass am 18.04.2014 eine derartige Feier nicht stattfinde und auf einen anderen Tag verlegt werde. Dazu äußerte der Kläger, dass die Zeit zu knapp sei, die Veranstaltung abzusagen. Er wolle die Feier aber lärmmindernd durchführen.

Bei einem weiteren Telefonat vom 17.04.2014 teilte der Kläger mit, dass die Feier von ca. 16 Uhr bis 0 Uhr stattfinden werde. Die Beschneidung des Kindes selbst sei bereits vorher durch einen Arzt bzw. unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt worden. Im Eurosaal finde die religiöse Zeremonie statt und anschließend werde gefeiert. Es gebe verschiedene muslimische Strömungen, die die Feier jeweils anders ausrichteten. Er könne die Beschneidungsfeier wegen der Kurzfristigkeit nicht absagen.

Am Karfreitag, den 18.04.2014 um 19.55 Uhr fand eine erneute Kontrolle der Veranstaltungshalle „Eurosaal“ statt. Grund war die Ausrichtung einer Beschneidungsfeier nach türkischem Brauch. Die Mutter des Jungen, zu dessen Beschneidung die Feier veranstaltet wurde, gab dabei an, die Beschneidung habe bereits vor rund 3-4 Wochen durch eine Kinderchirurgin stattgefunden. Um 21.24 Uhr gab es eine Beschwerde des Besitzers einer Kleingartenparzelle in der W. in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungssaal. Der Außendienst stellte fest, dass dort Lautsprecherdurchsagen aus dem Saal vernehmbar waren. Die Musik war laut Angaben des Anzeigenden kurz vor Eintreffen der Kontrolleure ausgeschaltet worden.

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 im Hinblick auf eine beabsichtigte Untersagungsverfügung angehört. Mit Schreiben vom 11.08.2014 ließ er vortragen, es handele sich bei den fraglichen Festen nicht um der Unterhaltung dienende Veranstaltungen, sondern um religiös motivierte Feierlichkeiten. Die geplante Ausweitung der Ordnungsverfügung (auf Sonn- und Feiertage, Volkstrauertag, den Allerheiligen-Tag und den Totensonntag) sei überraschend, weil es zu keinem Zeitpunkt entsprechende Verstöße gegeben habe.

Mit Ordnungsverfügung vom 08.09.2014 untersagte die Beklagte dem Kläger, seine Gaststätte „Eurosaal“ in der W. an Sonn- und Feiertagen von 6.00 bis 11.00 Uhr, Volkstrauertag, Allerheiligentag und Totensonntag von 5.00 bis 18.00 Uhr und am Karfreitag von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr des nächsten Tage für die dort näher beschriebenen Veranstaltungen unterhaltenden Charakters zu vermieten. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro angedroht.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass derartige Veranstaltungen nach den Vorschriften des FeiertagsG NRW an den jeweiligen Tagen nicht zulässig seien.

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (20 L 1916/14). Dazu hat er zunächst ausgeführt, im Eurosaal würden ganz überwiegend türkische Hochzeiten und sonstige Veranstaltungen von türkischstämmigen Personen durchgeführt. Am 29.03.2013 sei dort eine türkische Beschneidung gefeiert worden. Dabei handele es sich um eine religiös motivierte Veranstaltung, die keinen unterhaltenden Charakter habe. Ein solcher sei auch nicht deshalb vorhanden, weil die Veranstaltung mit Musik und Tanz verbunden sei. Die Feierlichkeit diene der Aufnahme der Jungen in die religiöse Gemeinschaft. Der Ablauf sei derart ausgestaltet, dass ganz überwiegend Reden gehalten und religiöse Texte vorgelesen würden. Außerdem würden dem neu in die Religionsgemeinschaft aufgenommenen Jungen Geschenke überreicht. Zu einem kleinen Teil werde auch Musik gespielt, dies gehöre aber zum traditionellen Ablauf einer solchen Feierlichkeit. Der „Eurosaal“ liege inmitten eines Gewerbegebietes fernab von Wohngebäuden. Von daher komme es nicht zu Störungen anderer Personen, die in Begehung des stillen Feiertags ihre eigene Religionsansicht ausüben wollten. Es entstehe der Eindruck, dass der Kläger habe abgestraft werden sollen, weil er sich im Rahmen der mit der Beklagten geführten Gespräche nicht auf einen Verzicht der Durchführung von Veranstaltungen am Karfreitag habe einlassen wollen. Denn die Ordnungsverfügung sei auf alle im Feiertagsgesetz enthaltenen Verbote ausgedehnt worden, ohne dass es zuvor jemals zu entsprechenden Störungen gekommen sei.

Die vom Kläger durchgeführten Veranstaltungen seien von seinem Recht auf Religionsfreiheit gedeckt. Die Beschneidung sei einer von fünf notwendigen Akten, die dem Eintritt in die islamische Religionsgemeinschaft vorauszugehen hätten. Für die Familie sei es ein ganz besonderes ehrenvolles Ereignis, wenn der Sohn das Beschneidungsritual hinter sich gebracht habe. Dieses werde traditionell mit einem großen Fest gefeiert, wobei es keine eigentliche Trennung zwischen religiösen Handlungen, dem Lesen aus dem Koran und den Feierlichkeiten gebe. Beides gehöre untrennbar zusammen. In islamischen Ländern sei der Ablauf dergestalt, dass am Tag der Beschneidung bereits früh morgens mit der Vorbereitung angefangen werde. Der eigentliche Eingriff finde dann am Spätnachmittag statt und werde im Haus der Eltern durchgeführt. Während der Beschneidung würden Teile aus dem Koran gelesen. Danach werde dem Jungen gratuliert und er werde beschenkt. Die Feierlichkeiten dauerten etwa bis Mitternacht, mancherorts werde sogar bis zu drei Tagen gefeiert. In Deutschland werde dies aus juristischen und medizinischen Gründen dahingehend abgewandelt, dass die Beschneidung des Jungen im Krankenhaus oder lokal bei hierfür speziell ausgebildeten Ärzten durchgeführt werde. Die eigentlichen Feierlichkeiten und auch die mit der Beschneidung in Zusammenhang stehenden religiösen Akte würden dann einige Tage bis Wochen später von diesem medizinischen Teil unabhängig durchgeführt. Die genaue Ausgestaltung des Ablaufes sei dabei nicht fest vorgegeben. Es sei aber Teil der religiösen Vorstellungen, dass die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft mit Gesang und Tanz gefeiert werde. Ebenfalls Teil der religiösen Vorstellungen sei es, dass es hierzu ein Festmahl gebe, an dem sämtliche eingeladenen Gäste teil hätten. Eine Aufspaltung in einen religiösen Teil und einen nicht religiösen Teil sei schon dem Sinn der Feierlichkeit nach unmöglich. Es wäre etwa so, als wollte man im christlichen Glauben beispielsweise die Predigt und das Abendmahl oder den Gesang von Kirchenliedern voneinander trennen. Auch dies sei nicht möglich, da beides normaler, fester und gemeinsamer Bestandteil eines zusammenhängenden religiösen Rituals sei.

Mit Beschluss vom 08.01.2015 – 20 L 1916/14 – hat die Kammer den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt, soweit die angefochtene Untersagungsverfügung den Karfreitag betrifft. Im Übrigen hat sie dem Antrag stattgegeben, weil bzgl. der übrigen Sonn- und Feiertage eine Erforderlichkeit der behördlichen Anordnungen nicht erkennbar sei.

Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Die Feier habe keinen rein unterhaltenden Charakter und könne nicht vom religiösen Hintergrund abgekoppelt werden. Allenfalls sei eine Einordnung nach § 6 Abs. 3 Nr. 4 FeiertagsG in Betracht zu ziehen. Es liege auch ein Wertungsspruch zu § 10 Abs. 1 FeiertagG NRW vor. Denn danach könne die Abhaltung von Märkten und gewerblichen Ausstellungen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden sowie sportliche und ähnliche Veranstaltungen, soweit sie in geschlossenen Räumen stattfänden. Danach würden nicht religiös motivierte Veranstaltungen gegenüber religiös motivierten Veranstaltungen privilegiert. Die konkrete Ausgestaltung der Feier sei kein dagegen anzuführendes Argument. Diese sei von Religionsgemeinschaft zu Religionsgemeinschaft verschieden. So würden z. B. christliche Kirchen in Afrika den Gottesdienst mit Gesang und Tanz feiern. Es könne nicht das FeiertagsG darüber entscheiden, welche Ausgestaltung einer religiösen Feierlichkeit geschützt sei.

Die Beschwerde wurde mit Beschluss des OVG NRW vom 23.03.2015 – 4 B 135/15 – zurückgewiesen.

Vor dem Hintergrund der gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Kläger zur Klagebegründung noch ausgeführt: Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung, da das FeiertagsG NRW verfassungswidrig sei. Es enthalte unzulässige Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Berufsfreiheit und der Religionsfreiheit. So werde nicht nur die Begehung der dort genannten Feiertage geschützt, sondern die Vorschriften enthielten erhebliche Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit aller anderen Einwohner. Der Teil der Bevölkerung, die diesen Feiertag begehen wolle, sei eine Minderheit. Zwar gehörten zwei Drittel der Bevölkerung Deutschlands der römisch-katholischen oder evangelischen Kirche an, aber den allerwenigsten Angehörigen der christlichen Religionen sei die Bedeutung des Karfreitags und dessen religiöse Grundlage bewusst. Vielmehr nehme der überwiegende Teil der Bevölkerung den Karfreitag als arbeitsfreien Tag wahr, der ganz normal mit Freizeitgestaltung verbracht werde ohne jeglichen Bezug zur Religionsausübung. Im Rahmen der Abwägung sei auch zu beachten, dass es in den letzten Kalenderjahren zu einem stetigen Anstieg der Kirchenaustritte gekommen sei. Damit dokumentiere sich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung an den religiösen Vorstellungen nicht festhalten wolle. Aufgrund dieses geringen Anteils der Bevölkerung, die den Karfreitag in religiös motivierter Weise begehen wolle, sei es nicht gerechtfertigt, die anders denkenden Teile der Bevölkerung in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zu beschränken. Die Abwägung der widerstreitenden Grundrechte könne nicht zugunsten der Wenigen ausfallen. Selbst wenn man von der Verfassungsmäßigkeit des Feiertagsgesetzes NRW ausgehe, sei die Verfügung aus den genannten Gründen rechtswidrig. Im Übrigen lasse das FeiertagsG NRW Ausnahmen zu, wenn es sich um religiös motivierte Veranstaltungen ohne unterhaltenden Charakter handele. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Kläger selbst eine Beschneidungsfeier durchführen wolle oder die Halle lediglich im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit anderen Personen anbiete. Wenn eine Veranstaltung in einem gemieteten Saal unzulässig wäre, könnten Beschneidungsfeiern im Ergebnis nicht durchgeführt werden. Denn dazu würde die gesamte, auch weitläufige Verwandtschaft eingeladen sowie Freunde. Regelmäßig kämen hier mehrere hundert Menschen zusammen, so dass man die Feier nicht in der eigenen Wohnung abhalten könne. Rein vorsorglich werde ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die angefochtene Verfügung aufgehoben, soweit die Regelungen sich nicht auf den Karfreitag beziehen. Die Parteien haben insofern übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,
die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 08.09.2014 in Gestalt der heutigen Abänderung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch der des Verfahrens 20 L 1916/14, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Bußgeldakte 942 Js – OWi 11872/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Soweit die Parteien übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es einzustellen (entspr. § 92 Abs. 3 VwGO).

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 08.09.2014 in Gestalt der Abänderung vom 10.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten ( § 113 Abs. 1 VwGO).

Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass das Feiertagsgesetz NRW verfassungsmäßig ist. Mit den dortigen Regelungen wird dem in der Verfassung verankerten Schutz der betreffenden Feiertage Rechnung getragen (vgl. Art. 25 der Verfassung des Landes NRW sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV), was in der Argumentation des Klägers keinen Niederschlag findet. Dies rechtfertigt die im FeiertagsG NRW vorgesehenen Einschränkungen. Dies trifft auch in Bezug auf die hier vom Kläger postulierte Schutzwürdigkeit seiner Berufsfreiheit zu. Denn er will sich die Vorteile des Bestehens eines gesetzlichen Feiertages in Bezug auf die Vermietbarkeit seines Festsaales zunutze machen, ohne die Beschränkungen, die gerade aus der Eigenart dieses christlichen Feiertags resultieren und seine Berechtigung begründen, hinnehmen zu wollen. Gerade daraus lässt sich keine verfassungsrechtlich schutzwürdige Position ableiten. Davon abgesehen bleiben die Behauptungen des Klägers zur angeblich geringen Zahl von Bürgern, der die religiöse Bedeutung und Grundlage des Karfreitag noch bewusst sei, ohne jede Substantiierung –unbeschadet der Frage der rechtlichen Relevanz-.

In Bezug auf die Frage, ob die fragliche Beschneidungsfeier unter ein Verbot des FeiertagsG NRW fällt und ob eine Ausnahmegenehmigung in Betracht kommt, hat die Kammer im Beschluss vom 08.01.2015 -20 L 1916/14- (u.a.) ausgeführt:

„Die Vorschriften des FeiertagsG dienen der Umsetzung entsprechender verfassungsrechtlicher Vorgaben (Art. 25 Landesverfassung NRW, Art. 140 GG iVm Art.139 WRV). Sie sind daher nach deren Zwecksetzung auszulegen und anzuwenden. Die Verbote des FeiertagsG NRW enthalten ein abgestuftes System ausgehend von dem Schutz allgemeiner Sonn- und Feiertage (§§ 3 und 5 FeiertagsG NRW) über weitergehende Verbote am Volkstrauertag sowie zusätzlichen Einschränkungen am Allerheiligentag und am Totensonntag. Entsprechend seiner hervorragenden Bedeutung in den christlichen Religionen wird der Karfreitag als besonders schützenswert erachtet, was sich in noch umfassenderen Verbotstatbeständen niederschlägt. Insoweit geht die gesetzgeberische Zielsetzung grundsätzlich dahin, unterhaltende Veranstaltungen, die keinen ernsten, dem Zweck des jeweiligen Feiertages entsprechenden Charakter haben, nur nach Maßgabe der jeweiligen Beschränkungen zuzulassen,
vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 07.10.1993 – 4 A 3101/92 -, NVwZ RR 1994, 206 zum FeiertagsG a.F. und BVerwG Beschluss vom 21.04.1994 – 1 B 14/94NJW 1994, 1975; OVG NRW, Urteil vom 14.05.1998 – 4 A 5592/96 – (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11.09.1998 – 1 B 83.98).

Davon ausgehend spricht aus Sicht der Kammer einiges dafür, dass eine Beschneidungsfeier in der Ausgestaltung, wie sie seitens des Antragstellers beschrieben worden ist, unter § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG fällt und eine Abwägung der jeweils betroffenen Schutzgüter im Rahmen des § 10 FeiertagsG erfolgt.

Die Feierlichkeiten beinhalten Lesungen aus dem Koran, aber auch Gesang und Tanz sowie ein Festmahl. Während die Lesung aus dem Koran als religiöser Akt zu bewerten ist, spricht einiges dafür, dass die Feier im Hinblick auf Gesang und Tanz auch unterhaltenden Charakter hat. Denn einerseits liegt vom genannten Schutzzweck gerade des Karfreitages die Bewertung nahe, dass der letztgenannte Teil der Veranstaltung nicht dem ernsten Charakter und besonderen Wesen des Karfreitages entspricht. Andererseits ist (bisher) nicht ersichtlich, dass dieser Teil der Feierlichkeit religiösen Vorgaben entspricht (der Antragsteller selbst spricht davon, dass die genaue Ausgestaltung des Ablaufs nicht fest vorgegeben sei). Dass die Beschneidung mit Gesang und Tanz gefeiert wird, mag daher durchaus traditionellen Vorstellungen entsprechen, dient jedoch nicht der Befolgung religiöser Forderungen. Im Hinblick darauf, dass auch nach den Darlegungen des Antragstellers die gesamte Feier nicht in einen religiösen und in einen nicht-religiösen Teil aufgeteilt werden kann, dürfte sie im Hinblick auf die unterhaltenden Elemente insgesamt dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG unterfallen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass insoweit nicht relevant ist, in welchem örtlichen Bereich sich die Veranstaltungslokalität befindet und ob etwa Bewohner umliegender Häuser die Feier wahrnehmen können. Denn § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG NRW verbietet generell unter die Norm fallende Veranstaltungen.

Aus Sicht der Kammer ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen und Schutzgüter (einerseits Feier eines ganz zentralen islamischen Festes, andererseits Schutz eines der höchsten christlichen Feiertage) letztlich im Rahmen des § 10 FeiertagsG NRW zu suchen.
Vgl. insoweit auch Hess VGH, Beschluss vom 30.01.2004 – 11 TG 326/04 – (juris, Rn.4) zum FeiertagsG HE: „...ist deshalb die Begehung eines religiösen Festes auch durch nichtchristliche Religionsgemeinschaften eine grundrechtlich durch Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 geschützte Tätigkeit, die dem Schutzgut des Art 140 WRV, Art 139 WRV unterfällt. Insoweit sind die grundrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit und der Religionsausübung und das Schutzgut des Art. 139 WRV in gegenseitiger Abstimmung der Gewährleistungsbereiche zu interpretieren.“

Insoweit würde eine Untersagungsverfügung rechtlichen Bedenken unterliegen, wenn die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Verbot des § 6 Abs. 3 FeiertagsG NRW vorlägen, zumindest müsste die Behörde dem Betroffenen in derartigen Fällen zuvor die Gelegenheit zur Stellung eines entsprechenden Antrags geben. Bei der nur möglichen summarischen Überprüfung dürfte hier allerdings viel für die Annahme sprechen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 10 FeiertagsG NRW nicht gegeben sind.

Insoweit ist hier unter Berücksichtigung der genannten Bedeutung der Feier bzw. des Feiertags für die jeweilige Religion einzustellen, dass es sich bei dem Karfreitag um einen kalendergebundenen kirchlichen Feiertag handelt, während weder die Beschneidung eines Jungen noch die anschließende, hier streitige Beschneidungsfeier kalendermäßig vorgegeben ist.
Vgl. insoweit auch Hess VGH, Beschluss vom 30.01.2004 a.a.O. in Bezug auf die Begehung des kalendermäßig festliegenden ersten Tages des muslimischen Opferfestes.

Die Motivation der den Saal mietenden Familien, das Fest gerade am Karfreitag zu feiern, beruht nicht auf irgendwie gearteten religiösen Vorgaben, sondern ist (vermutlich) dem Umstand geschuldet, dass es sich um ein „langes Wochenende“ mit mehreren arbeitsfreien Tagen handelt. Auch wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Beschneidungsfeier als Einheit anzusehen ist und wegen der religiös geprägten Teile Art. 4 Abs. 2 GG unterfällt, wird im Hinblick auf die genannten Gegebenheiten der Schutz des Karfreitages letztlich nicht zurücktreten müssen.“

An dieser -zunächst vorläufigen- Bewertung hält die Kammer nach Überprüfung fest, insbesondere auch im Hinblick auf den Beschluss des OVG NRW vom 23.03.2015 -4 B 135/15-,
Dabei bedarf die vom OVG NRW angesprochene Frage, ob die Durchführung einer Beschneidungsfeier zwingenden religiösen Vorgaben entspricht und nicht nur traditionellen Vorstellungen, keiner Prüfung durch ein Sachverständigengutachten (ob dies angesichts z.T. sehr unterschiedlicher islamischer Strömungen überhaupt allgemein verbindlich geklärt werden könnte, sei dahin gestellt). Denn auch wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, führt dies weder im Hinblick auf § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG NRW noch im Hinblick auf § 10 FeiertagsG NRW zu einem anderen Ergebnis.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Frage, ob der religiöse Teil der Beschneidungszeremonie tatsächlich in seinem Ablauf untrennbar mit den anschließenden Feierlichkeiten in der Gaststätte des Klägers verbunden ist, was auch aus Sicht der Kammer durchaus nicht zweifelsfrei erscheint.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der seitens des Klägers in seiner Argumentation erweckte Eindruck, dass mit der streitigen Untersagung die Möglichkeit der Feier des Beschneidungsfestes als solche in Frage gestellt wird, ersichtlich unzutreffend ist. Denn es geht nur um die Untersagung der Feier an einem bestimmten Tag des Jahres.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S.1 VwGO. Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass der Schwerpunkt der Klage auf der Untersagung von unterhaltenden Veranstaltungen am Karfreitag liegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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