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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Schuss, Luftgewehr

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Neustadt, Beschl. v. 08.03.2016 - 3 L 168/16 NW.

Leitsatz: Zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach Verurteilung u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung nach einem (unmotivierten) Schuss mit dem Luftgewehr.


3 L 168/16
VERWALTUNGSGERICHT
NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE
BESCHLUSS
In dem Verwaltungsrechtsstreit des pp.
gegen
den Landkreis Germersheim, vertreten durch den Landrat, Luitpoldplatz 1, 76726 Germersheim,
- Antragsgegner -
wegen Entziehung der Fahrerlaubnis
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 8. März 2016, an der teilgenommen haben

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse A und B durch Verfügung des Antragsgegners vom 17. Februar 2016 wiederherzustellen, kann keinen Erfolg haben.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung, dass es mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßen-verkehrs unvereinbar wäre, wenn der Antragsteller bis zum Eintritt der Bestands-kraft der Verfügung weiter als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen könnte, nachdem seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sei, hält sich im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Dem Interesse des Antragstellers an dem Erhalt der Fahrerlaubnis steht nämlich das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass Personen, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, unverzüglich von der aktiven motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr aus-geschlossen werden, wie es der Antragsgegner in seiner Begründung der Anord-nung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung und in der Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung am 24. Februar 2016 dargelegt hat.
Das vorrangige öffentliche Interesse folgt auch daraus, dass sich die angefochtene Verfügung beim gegenwärtigen Sachstand aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV –. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist vorliegend nach dem Ergebnis des medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV in pp. vom 21. Dezember 2015 der Fall.

Der Antragsteller kann sich dagegen nicht darauf berufen, die Anordnung der früher zuständig gewesenen Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises Karlsruhe – Außenstelle Bruchsal, Amt für Straßenverkehr, Ordnung und Recht – vom 13. Oktober 2015, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, sei zu Unrecht ergangen. Wird nämlich das von einer Fahrerlaubnisbehörde verlangte Gutachten erstellt und vorgelegt – wie hier geschehen –, so ist mit der Vorlage des Gutachtens eine neue Tatsache gegeben, der selbständige Bedeutung zukommt und deren Verwertbarkeit nicht von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anord-nung abhängt (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13.01 –, NJW 2002, 78ff., und bereits zur Vorgängerregelung des § 15b Abs. 2 StVZO: BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 – 11 B 14/96 –, juris). Es muss daher nicht der Frage nachgegangen werden, ob auf Grund der Verurteilung des Antragstellers durch rechts-kräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Bruchsal vom 31. März 2015 (Az. ...) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Gewehrgeschoss traf einen Schüler leicht links versetzt im oberen Schulterbereich) die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vorlagen.
Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Straftaten im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen worden sein müssen. Dies ergibt sich schon aus § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie daraus, dass § 11 Abs. 3 Nrn. 6, 7 im Unterschied zu Nrn. 4, 5 nicht auf Straftaten oder Rechtsverstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder einen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr abstellen, sondern auf den Bezug zur Kraftfahreignung des Betroffenen. Die Kraftfahreignung umfasst indessen die charakterliche Eignung, welche auch durch ein Verhalten außerhalb des Straßenverkehrs betroffen sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1981 – 7 C 55/79 –, juris).

Das vorliegende Gutachten des TÜV pp. vom 21. Dezember 2015 zur Frage der Fahreignung des Antragstellers im Hinblick auf das bei ihm zu Tage getretene hohe Aggressionspotential ist verwertbar, weil widerspruchsfrei und nachvollzieh-bar. Es ist in seinem Gedankengang logisch und lässt keine Zweifel an seiner inhaltlichen Richtigkeit erkennen.

Gemäß Nr. 2 Buchst. a der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV müssen Fahreignungsgutachten in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachprüfbar und nachvollziehbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens und erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben werden. Das Gutachten braucht jedoch nicht im Einzelnen die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erhebung und Interpretation der Befunde wiederzugeben. Auch kann bei eindeutiger Befundlage das Gutachten knapper gehalten werden (Nr. 2 Buchst. b der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV). Zudem sind gemäß Nr. 1 Buchst. b der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV Gegenstand der Untersuchung nicht die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen, sondern nur solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Kraftfahreignung von Bedeutung sind (Relevanz der Kraftfahreignung).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das vorliegende Gutachten in seinem Gedankengang logisch und sind keine Zweifel an seiner inhaltlichen Richtigkeit zu erkennen. Es wurde bei dem Antragsteller nicht nur eine verkehrsmedizinische, sondern auch eine verkehrspsychologische Untersuchung durchgeführt. Im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung fanden eine Leistungsdiagnostik sowie ein psychologisches Untersuchungsgespräch statt. Die Überprüfung der Leistungsmöglichkeiten des Antragstellers erbrachten keine verkehrsbedeutsamen Beeinträchtigungen.

Der Gutachter hat in der „Fachlichen Bewertung der Vorgeschichte und Voraussetzungen für eine günstige Prognose“ ausgeführt, dass Forschungsergebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-strafrechtlichen Delikten, Aggressivität und Verkehrsauffälligkeiten belegten. Das Gefährdungsrisiko im Straßenverkehr steige mit der Anzahl allgemein-strafrechtlicher Delikte. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetze nehmen würden, setzten sich auch beim Fahren leicht über die Verkehrsbestimmungen hinweg. Zudem sei bei Straftaten, bei denen ein hohes Aggressionspotenzial zu erkennen sei, zu berücksichtigen, dass die hier gezeigte erhöhte Impulsivität eine zuverlässig kontrollierte Verhaltenssteuerung erschwere.

Diese in dem Gutachten wiedergegebene Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisse greift der Antragsteller nicht substantiiert an. Die Kammer hat keine Veranlassung an der Richtigkeit der von dem Gutachter aufgezeigten Voraussetzungen für eine positive Beurteilung zu zweifeln (vgl. auch Kap. 7, S. 205, der Beurteilungskriterien, 3. Aufl.).
Unter Zugrundelegung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse hat der Gutachter das mit dem Antragsteller geführte psychologische Untersuchungsgespräch ausgewertet. Da die Wiedergabe des Gesprächsinhalts von dem Antragsteller nicht angegriffen wird, ist davon auszugehen, dass die Angaben des Antragstellers in dem Gutachten vollständig und korrekt festgehalten sind. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, dass das Gesprächsverhalten des Antragstellers von inneren Widersprüchen geprägt gewesen sei. Dies begründete der Gutachter im Wesentlichen damit, dass die Brüche und Unstimmigkeiten in der Schilderung des Tathergangs am 10. Juli 2014 auch durch Nachfragen und Konfrontation nicht durch den Antragsteller aufzulösen gewesen seien. So habe der Antragsteller behauptet, mit dem Druckgasgewehr auf eine Wiese (neben einer Schule) gezielt zu haben. Im weiteren Gesprächsverlauf habe er aber geäußert, auf eine Gruppe von Schülern (auf dem Schulhof) gezielt zu haben. Er habe aber nicht geschossen, als er dorthin gezielt habe. Er habe den Schuss „aus irgendwelchem Ding raus“ „einfach ins Leere rein“ abgegeben. Seine Äußerung „Das wäre ein guter Kopftreffer“ habe er damit relativiert, dass er dies nur „daher gesagt“ habe. Laut Gutachter habe der Antragsteller den Zusammenhang zwischen seiner aktenkundigen Auffälligkeit und den persönlichen Hintergründen nicht erkennen können. Der Antragsteller habe im Wesentlichen äußere Umstände (das geladene Luftgewehr) oder andere Personen (seinen Cousin, der auf ihn einen ungünstigen Einfluss ausgeübt habe) und nicht persönliche Anteile für sein Fehlverhalten verantwortlich gemacht. Die Auffälligkeit – d.h. die Verletzung eines Menschen durch den abgegeben Gewehrschuss –, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt habe, werde von dem Antragsteller insgesamt bagatellisierend bzw. als von ihm nicht gewollt und auch nicht bemerkt dargestellt.

Angesichts der Einlassungen des Antragstellers in dem psychologischen Untersuchungsgespräch unter Berücksichtigung der in dem Gutachten dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine positive Begutachtung ist die Schlussfolgerung des Gutachters, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche/strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbar.

Der Einwand des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Werthaltigkeit von Gut-achten im Rahmen der so genannten MPU stehe nicht nur in der kritischen öffentlichen Diskussion, sondern gerade im vorliegenden Fall zeigten sich die offenkundigen Mängel, weil aus einem im „Unverstand“ begangenen Geschehen auf eine mangelnde Regulierung bei der Teilnahme im öffentlichen Straßenverkehr ohne Weiteres geschlossen werde, lässt jede Auseinandersetzung mit den in dem Gutachten zitierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Einlassungen des Antragstellers vermissen. Der Antragsteller kann daher mit diesem Einwand die Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens nicht erschüttern.

Der Umstand, dass die Gutachtensstelle dem Antragsteller mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 ein positives Ergebnis der Begutachtung mitteilte, ändert an der Nachvollziehbarkeit des Gutachtens vom 21. Dezember 2015 nichts. Bei dem Schreiben vom 21. Dezember 2015 handelt es sich offensichtlich um eine falsche Mitteilung.

Soweit der Antragsteller geltend macht, die strafrechtliche Verurteilung vom 31. März 2015 liege bereits „eineinhalb Jahre“ zurück, muss er sich vorhalten lassen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis am 17. Februar 2016 nicht bereits auf der Verurteilung, sondern auf dem Gutachten vom 21. Dezember 2015, dessen Beibringung am 13. Oktober 2015 angeordnet worden war, beruht.

Durfte der Antragsgegner nach alledem das vorliegende nachvollziehbare Gutachten zur Fahreignung des Antragstellers verwerten, so musste er dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klasse A und B entziehen, weil dieser sich danach als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Dem Antragsgegner ist insoweit durch § 3 StVG und § 46 FeV kein Ermessen eingeräumt.

Erweist sich nach alledem der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, so ist dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids der Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, einzuräumen. Die mit dieser Entscheidung für den Antragsteller verbundenen beruflichen Nachteile müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Nach Nr. 1.5 und Nr. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) ist, soweit es um die Entziehung einer Fahrerlaubnis im Eilverfahren geht, die Hälfte des Streitwerts des Verfahrens der Hauptsache anzusetzen.

Einsender: entnommen Justiz Rheinland-Pfalz

Anmerkung:


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