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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Schwierigkeit, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 19.07.2016 - 108 Qs 31/16

Leitsatz: Zur Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage i.S. des § 140 Abs. 2 StPO, wenn im Verfahren über die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes gestritten wird.


In pp.
Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 9.6.2016 - 583 Ds 145/16 - aufgehoben und der Angeklagten Herr Rechtsanwalt I2 als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführerin wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vorgeworfen, unerlaubt Betäubungsmittel besessen zu haben, indem sie am 1.2.2016 gegen 18:05 Uhr im Kölner Hauptbahnhof 0,46 Gramm Amphetamin mit sich führte.

Hintergrund des Vorwurfs ist, dass die Betäubungsmittel im Rahmen einer Polizeikontrolle und einer anschließenden Durchsuchung der Beschwerdeführerin sichergestellt werden konnten.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben ihres Verteidigers vom 24.5.2016, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragt, ihr diesen als Pflichtverteidiger beizuordnen. Den Beiordnungsantrag begründete der Verteidiger der Angeklagten damit, dass vorliegend die Schwierigkeit der Rechtslage die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gebiete. Vorliegend sei von einer schwierigen Rechtslage auszugehen, weil die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Durchsuchung der Beschwerdeführerin fraglich sei. Er gehe im Hinblick darauf, dass ein Anfangsverdacht gegen die Beschwerdeführerin nicht bestanden habe, die als Inaugenscheinnahme "verbrämte" Durchsuchung nicht durch einen Richter angeordnet worden sei und Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug weder ersichtlich, noch dokumentiert worden seien, davon aus, dass insoweit ein Verwertungsverbot bestehe. Das Amtsgericht hat den Beiordnungsantrag mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, welche die Auffassung vertrat, ein Fall der notwendigen Verteidigung liege nicht vor, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Durchsuchungsvoraussetzungen unproblematisch vorgelegen hätten. Es habe zudem eine "klassische Konstellation" von Gefahr im Verzug vorgelegen, da die Beamten keine Grundlage gehabt hätten, die Beschwerdeführerin bis zu einer Entscheidung des Richters festzuhalten und ohne sofortiges Eingreifen hätten befürchten müssen, dass die Beschwerdeführerin mitgeführte Betäubungsmittel verschwinden lässt oder sich entfernt.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung ihr Verteidiger sein Vorbringen aus dem Beiordnungsantrag wiederholt und zudem darauf verweist, dass es für die Frage der Beiordnung nicht darauf ankomme, ob tatsächlich ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Vielmehr reiche es aus, dass vernünftiger Anlass zur Prüfung dieser Frage bestehe. Dies könne vorliegend schwerlich in Abrede gestellt werden.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer über die Staatsanwaltschaft, welche keine Stellungnahme abgegeben hat, zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Vorliegend liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 II StPO vor, da die Rechtslage sich im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse als schwierig im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Maßgeblich ist insoweit nicht, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen ist. Ausreichend ist vielmehr, dass fraglich ist, ob ein Beweisergebnis einem Beweisverwertungsverbot unterliegt (vergl. Meyer-Goßner/Schmitt Strafprozessordnung, 59. Aufl. 2016, § 140 StPO Rn 27a, m.w.Nachw.). Insoweit erscheint die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls dann geboten, wenn die Annahme eines Verwertungsverbotes ernsthaft in Betracht kommt. Zunächst wird ein Angeklagter, der über keine juristische Vorbildung verfügt, die sich insoweit stellenden Rechtsfragen nicht beantworten können. Er bedarf daher insbesondere für die Frage, ob ein Berufen auf ein Beweisverwertungsverbot Aussicht auf Erfolg hat, die für die Wahl der Verteidigungsstrategie maßgeblich sein kann, der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt. Hinzu kommt, dass die Frage, ob von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist, regelmäßig ohne vollständige Aktenkenntnis nicht zu beantworten ist. Gemessen daran, liegt vorliegend ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, weil die Annahme eines Beweisverwertungsverbots jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt.

Insoweit erscheint bereits die Annahme eines Anfangsverdachts nicht zwingend. Zwar vermag der Umstand, dass die Angeklagte auf die Polizeibeamten den Eindruck einer Drogenkonsumentin machte, den Verdacht begründen, dass diese in der Vergangenheit Betäubungsmittel konsumiert und - was die Strafbarkeit begründen würde - auch besessen hat. Ob sich allein hieraus und aus der nervösen Reaktion auf die Polizeibeamten - eine nähere Beschreibung dazu, weshalb die Polizeibeamten das Verhalten der Beschwerdeführerin als nervös bezeichneten, ist in den Akten nicht enthalten - bereits ein Anfangsverdacht darauf herleiten lässt, dass sich die Beschwerdeführerin im Moment der polizeilichen Kontrolle im Besitz von Betäubungsmitteln befand, die im Rahmen der Durchsuchung aufgefunden werden könnten, erscheint fraglich. Angehörige der sogenannten Drogenszene reagieren im Allgemeinen unabhängig davon, ob sie sich gerade im Besitz von Betäubungsmitteln befinden, auf Polizeibeamte eher zurückhaltend und nervös. Insoweit bleibt der Beweisaufnahme vorbehalten, welche konkreten Umstände die Polizeibeamten zu der Kontrolle veranlassten. Zwar würde die Verneinung eines Anfangsverdachts nicht zwingend zu der Annahme eines Verwertungsverbotes führen, die insoweit erforderliche Abwägung führt angesichts des eher geringfügigen Tatvorwurfs indes nicht zwingend zu einer Verwertbarkeit des Beweismittels.

Hinzu kommt, dass vorliegend die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Durchsuchungsmaßnahme unter Missachtung des Richtervorbehaltes erfolgte. Insoweit bleibt nämlich zunächst der Beweisaufnahme vorbehalten, ob die die Durchsuchung vornehmenden Polizeibeamten überhaupt erkannt haben, dass die vorliegende Maßnahme grundsätzlich nur durch das Gericht angeordnet werden darf und eine polizeiliche Anordnungskompetenz nur bei der Annahme von Gefahr im Verzug besteht. Diese Zweifel sind hier deshalb begründet, weil die Durchsuchung - um eine solche handelt es sich bei der "Inaugenscheinnahme" des Inhalts der von der Beschwerdeführerin mitgeführten Tasche zweifelsfrei - in der Akte nicht als solche bezeichnet wird und es an jeglicher Dokumentation in der Akte fehlt, auf welcher Grundlage die Durchsuchung vorgenommen wurde. Auch die Annahme von Gefahr im Verzug ist vorliegend nicht eindeutig. Zwar ist das Amtsgericht in den angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Durchsuchungsmaßnahme nur dann Aussicht auf Erfolg haben konnte, wenn sie durchgeführt wurde, ohne dass die Beschwerdeführerin vorher Gelegenheit hatte etwaige Beweismittel verschwinden zu lassen. Die Polizeibeamten hätten aber jedenfalls die Möglichkeit gehabt, die Beschwerdeführerin zu fragen, ob sie bereit wäre, bis zur Einholung einer Entscheidung durch den zuständigen Ermittlungsrichter zu warten.

Vor diesem Hintergrund bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung und der Verwertbarkeit der daraus resultierenden Beweismittel.

Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 140 II StPO kann vorliegend auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Beschwerdeführerin nach Aktenlage die Tat eingeräumt hat, nachdem sie mit den in ihrer Tasche aufgefundenen Betäubungsmitteln konfrontiert wurde. Denn insoweit steht in Rede, dass die Beschwerdeführerin sich nur deshalb zur Sache eingelassen hat, weil sie angenommen hat, dass die Beweismittel aus der Durchsuchung gegen sie verwendet werden könnten. Dann aber steht auch insoweit die Annahme eines Verwertungsverbotes in Rede.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 StPO.


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