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Entscheidungen

OWi

Vertretervollmacht, Ausstellung, Verwerfungsurteil

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 12.12.2016 - 3 Ws (B) 660/16

Leitsatz: Die Erteilung einer umfassenden Vertretungsvollmacht bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erteilt werden. In ihr kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
3 Ws (B) 660/16 - 122 Ss 190/16

In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 12. Dezember 2016 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 160 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht durch das angefochtene Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der ordnungsgemäß geladene Betroffene der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben sei. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung des § 74 Abs. 2 und des § 74 Abs. 3 OWiG. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Unzulässig ist allerdings die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 3 OWiG. Dass der Betroffene in der Ladung nicht über die Folgen seines Ausbleibens belehrt wurde, ist eine von der Rechtsbeschwerde darzulegende Verfahrenstatsache, die durch eine Verfahrensrüge positiv behauptet, im Einzelnen dargetan und gegebenenfalls bewiesen werden muss. Die Rechtsbeschwerde irrt, wenn sie meint, das Urteil müsse Feststellungen hierzu treffen.

2. Die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG hat jedoch Erfolg. a) Sie ist zulässig erhoben, denn sie teilt das folgende Verfahrensgeschehen mit:

Der Betroffene war zur Hauptverhandlung nicht erschienen, wohl aber sein Verteidiger. Eine schriftliche Verteidiger- oder Vertretervollmacht befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht bei den Akten. Der Verteidiger versicherte mündlich, vom Betroffenen „umfassend bevollmächtigt" zu sein. Er verfasste eine kurze Erklärung („Hiermit erteile ich Herrn RA pp. besondere Terminsvollmacht"), die er „i. V." im eigenen Namen unterzeichnete. Sodann bekundete der Rechtsanwalt, sein Mandant räume ein, gefahren zu sein, und er wolle sich nicht weiter einlassen. Schließlich beantragte der Verteidiger, den Betroffenen von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens zu entbinden. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, weil eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht nachgewiesen sei, und es verwarf den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG.

b) Dieses durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesene Verfahrensgeschehen offenbart eine Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG. Das Amtsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Betroffene nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG durch einen „schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten" war. Denn dieser hatte seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen. Dass der Betroffene diese Vollmacht nicht selbst unterzeichnet hat, ist unschädlich. Insoweit ist zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem Nachweis durch Vorlag einer entsprechenden Urkunde zu unterscheiden. Die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erteilt werden. In ihr kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen (vgl. Senat VRR 2014, 155 [Volltext bei juris]; BayObLG NStZ 2002, 277; Brandenburgisches OLG zfs 2015, 470; OLG Celle VRR 2014, 83 [Volltext bei juris]; OLG Dresden StRR 2013, 26 [Volltext bei juris]; HK-OWiG/Krumm, OWiG § 73 Rn. 28; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG 4. Aufl., § 74 Rn. 21; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 21 Rn. 11).

So liegt der Fall auch hier. Der Betroffene hatte, so die Begründung der Rechtsbeschwerde, seinen Verteidiger umfassend bevollmächtigt. Diese Erklärung schließt die Ermächtigung des Verteidigers ein, die Vollmachtsurkunde im Namen des Betroffenen zu unterschreiben. Damit war der Verteidiger des Betroffenen berechtigt, für den Mandanten Erklärungen zu Sache abzugeben und einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu stellen.

c) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Verteidiger den Entbindungsantrag erst zu Beginn der Hauptverhandlung angebracht hat. Denn dies ist nach überwiegender Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig (vgl. Senat NZV 2013, 99 [Volltext bei juris]; OLG Celle VRS 116, 451 mwN; OLG Zweibrücken zfs 2011, 708 mwN).

Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurück.


Einsender: RA B. Handschuhmacher, Berlin

Anmerkung:


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