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Entscheidungen

Gebühren

Reisekosten, auswärtiger Rechtsanwalt, Spezialist

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.09.2016 – 6 W 47/16

Leitsatz: 1. Hat ein Insolvenzverwalter eine Vielzahl gleichartiger Zivilprozesse an verschiedenen Gerichtsorten, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet zu führen (hier: Klagen gegen weit über 100 Kommanditisten), kann es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sein, einen einzigen Rechtsanwalt mit der Bearbeitung aller dieser Verfahren zu betrauen mit der Folge, dass hierdurch anfallende Reisekosten von der unterlegenen Gegenpartei zu erstatten sind.
2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.


In pp.
I. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH & Co, KG,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R.,
gegen
B.
Beklagter und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S.,
wegen Haftung wegen erhaltener Auszahlung
hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde

hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19. Mai 2016 gegen den ihm am 11. Mai 2016 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. April 2016 am 26.09.2016 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. April 2016 geändert:

Die nach dem Anerkenntnisurteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom LG Frankenthal vom 21. Januar 2016 von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.378,79 € festgesetzt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 308,79 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:
I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Klägervertreters. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. GmbH & Co, KG die als Publikums-KG organisiert ist. Er wurde im hiesigen Verfahren vertreten durch eine in Berlin und S. ansässige Rechtsanwaltskanzlei. Der Beklagte hatte als Kommanditist der vorgenannten Insolvenzschuldnerin eine Einlageverpflichtung in Höhe von 60.000,00 DM übernommen. Im hiesigen Verfahren nahm der Kläger den Beklagten in Höhe von 5.427,10 € in Haftung und begründete dies damit, dass die in den Jahren 1999, 2005 und 2006 erfolgten Ausschüttungen an den Beklagten gem. § 72 Abs.4 Abs.2 HGB eine teilweise Rückgewähr der Kommanditeinlage darstellten. Zu der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Frankenthal vom vom 15. Januar 2015 reiste der Klägervertreter aus Berlin an. Nachdem in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Parteien ein Wechsel ins schriftliche Verfahren erfolgte, erkannte der Beklagte die Klageforderung an. Das Landgericht erlegte dem Beklagten mit Anerkenntnisurteil vom 27.Januar 2016 die Kosten des Rechtsstreits auf.

Im Kostenfestsetzungsverfahren verlangte der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger die Festsetzung zu erstattender Kosten in Höhe von 1.939,41 € (Bl. 173 ff d. A.). Hierin sind neben weiteren Positionen Taxi-, Bahn- und Flugkosten gem. Nr. 7004 VV RVG in Höhe von 195,06 €, Tage-und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG in Höhe von 40,00 € sowie Übernachtungskosten (1/2) gem. Nr.7006 VV RVG in Höhe von 73,73 €, mithin Anreise- und Übernachtungskosten in Höhe von insgesamt 308,79 € enthalten. Da der Kläger am Folgetag einen Gerichtstermin vor dem Landgericht Mainz wahrgenommen hatte, brachte er die Übernachtungskosten sowie die Kosten der Flugreise von Berlin nach Frankfurt am Main sowie das Bahnticket für die Fahrt von Frankenthal nach Mainz nur hälftig in Ansatz. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Schriftsätze vom 02.02.2016 (Bl. 173 ff d. A.) und vom 16.08.2016 (Bl. 250 ff d. A.).

Die Rechtspflegerin des Landgerichts setzte die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 28. April 2016 auf 1.070,00 € fest. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstattungsfähig, da es dem Insolvenzverwalter zuzumuten sei, einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen. Darüber hinaus brachte sie Gerichtskosten nur in Höhe von 165,00 € in Ansatz und hielt die geltend gemachte Mehrwertsteuer aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers für nicht erstattungsfähig.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Kläger die Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 308,79 € netto weiter. Er trägt vor, der Kläger habe im Rahmen des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen eine Vielzahl von Gesellschaftern im gesamten Bundesgebiet geltend zu machen. Wenn der Kläger in jedem Fall einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen würde, wäre die Rechtsverfolgung erheblich erschwert.

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung der Rechtspflegerin und trägt vor, der Kläger sei als Rechtsanwalt in der Lage gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtort sachgerecht zu informieren. Überdies lasse die Angelegenheit keinen Raum für besondere fachliche und juristische Spezialkenntnisse.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 568 ZPO in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist begründet. Die geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1. Dabei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Insoweit darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH, Beschluss vom 02. Dezember 2004, Az. BGH I ZB 4/04 - MDR 2005, 417; Beschl. v. 16. Oktober 2002, Az BGH VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898). Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit Fug darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011, AZ: VIII ZB 93/10 - NJW-RR 2012, 695; Beschl. v. 12. Dezember 2002 – I ZB 29/02, NJW 2003, 901).

8In Anwendung dieser Grundsätze kann dem Kläger im Ergebnis die Erstattung der Reisekosten nicht mit der Begründung versagt werden, dass sie im Falle der Mandatierung eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwaltes nicht angefallen wären.

a) Auch wenn die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- und Geschäftsortes der Partei ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt, ist die Notwendigkeit im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach gefestigter Rechtsprechung zwar gleichwohl zu verneinen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist nicht nur regelmäßig dann anzunehmen, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache erarbeitende Rechtsabteilung verfügt und aus diesem Grund in der Lage ist, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Bevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2003, Az BGH I ZB 36/02 - NJW 2003, 2027, 2028). Diese für ein Gewerbeunternehmen entwickelten Grundsätze sind auch auf einen als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter übertragen worden, da dieser in gleicher Weise ohne Weiteres imstande ist, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006, Az. BGH IX ZB 44/04 - NJW-RR 2007, 129; Beschluss vom 08.März 2012, Az. BGH IX ZB 174/10 - NJW-RR 2012, 698).

b) Vorliegend erscheint die Mandatierung eines auswärtigen Anwalts trotz der dadurch entstehenden Mehrkosten gleichwohl geboten vor dem Hintergrund dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter eine Vielzahl gleichartiger Zivilprozesse zu führen hatte, in denen an verschiedenen Gerichtsorten jeweils die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin in Anspruch zu nehmen waren. Zum einen wird der Rechtsanwalt, der mit einer großen Zahl an gleichartigen Verfahren von einer und derselben Partei betraut wurde, bereits dadurch zum Spezialisten. Denn er ist verlässlicher als jeder andere Rechtsanwalt mit den tatsächlichen und rechtlichen Eigentümlichkeiten der Ansprüche vertraut, die der Kläger gerichtlich vielerorts verfolgen muss (Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 03.06.2008 3 W 549 u. 550/08 - Juris). Der Rechtsanwalt, der alle gleichartigen Verfahren für eine Partei führt, erhält dadurch einen Gesamtüberblick, wie ihn ein Rechtsanwalt, der nur einziges Verfahren am Gericht seines Kanzleisitzes führt, nie haben kann. Wird etwa der Vortrag durch ein Instanzgericht als unzureichend erachtet, kann er auch in allen Verfahren nachbessern. Aus diesem Grund wird eine vernünftige Partei im wohlverstandenen eigenen Interesse auch in Anbetracht der dadurch entstehenden Mehrkosten nur einen Rechtsanwalt mit der Führung aller Verfahren mandatieren. Überdies ist es einer Partei bei massenhaft anfallenden Gerichtsverfahren (hier: Klagen gegen weit über 100 Kommanditisten) nicht zumutbar, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet Rechtsanwälte am jeweiligen Prozessgericht zu mandatieren (vgl. Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 02. Mai 2008, 1 W 12/08). Auch wenn es dem Kläger als Rechtsanwalt möglich wäre, an jedem Gerichtsort einen ortsansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen und zur Führung des Verfahrens zu unterrichten, so sind die dadurch eintretenden Reibungsverluste für den Kläger nicht hinnehmbar. Die notwendige Korrespondenz mit einer Vielzahl an Rechtsanwälten würde für den Kläger einen erheblichen personellen Aufwand bedeuten. Insoweit ist die Situation nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise vergleichbar mit dem Fall einer bundesweit tätigen Versicherungsgesellschaft, die alle ihre Rechtstreitigkeiten nach endgültiger Leistungsablehnung durch einen Rechtsanwalt bearbeiten lässt, mit dem sie in ständigen Geschäftsbeziehungen steht (sog. „Hausanwalt“). Hier hält der BGH die (in diesem Fall fiktiven) Reisekosten für erstattungsfähig und lehnt einen Verweis auf die Möglichkeit, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen erg. ab, obgleich die Versicherung - ähnlich wie vorliegend der Kläger - zur Instruktion auswärtiger Rechtsanwälte grundsätzlich in der Lage gewesen wäre (BGH NJW 2006, 3008).

2. Die geltend gemachten Fahrt- und Übernachtungskosten sind auch der Höhe nach erstattungsfähig. Indem der Klägervertreter die Terminswahrnehmung im hiesigen Verfahren mit der Wahrnehmung eines Termins vor dem Landgericht Mainz am Folgetag verband und infolgedessen die Kosten der Anreise überwiegend nur hälftig in Ansatz brachte, wählte er trotz der dadurch entstandenen (hälftigen) Übernachtungskosten die kostengünstigste Form der Anreise. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die unstreitigen Ausführungen in den Schriftsätzen vom 02.02.2016 (Bl. 173 ff d. A.) und vom 16.08.2016 (Bl. 250 ff d. A.). Die geltend gemachten Reise- und Übernachtungskosten sind auch offensichtlich geringer als die (fiktiven) Reisekosten eines am Geschäftsort des Klägers in Hamburg ansässigen Rechtsanwaltes, so dass auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechung des BGH zum „Rechtsanwalt am dritten Ort“ (vgl. BGH, Beschluss vom 25.Oktober 2011, VIII ZB 93/10 -Juris) keine Kürzung vorgenommen werden kann.

III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 91 Abs.1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 47 Abs.1, 48 Abs.1 Satz 1 GKG, 2, 3 ZPO. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.


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