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Entscheidungen

Sonstiges

Entschädigung, Zuziehung eines Rechtsanwalts, StrEG

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Düsseldorf, Urt. v. 03.01.2017 - 2b O 4/16

Leitsatz: Zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Entschädigungsverfahren nach dem StREG.


2b 0 4/16
Verkündet am 03.01 2017
Landgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des pp.
Klägers,
Prozessbevollmächtigter:

gegen
die Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Sternwartstr. 31, 40223 Düsseldorf,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat die 2 b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.12.2016

durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Entschädigungsbetrag in Höhe von 649,74 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem beklagten Land wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
Gegen den Kläger wurde im Jahr 2011/2012 das Sicherungsverfahren ppp. (LG Duisburg) geführt. Hierin wurde er durch Rechtsanwalt pp. verteidigt. Mit rechtskräftigem Urteil des LG Duisburg vom 9. Februar 201 2 wurde der Antrag auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten wurden der Staatskasse auferlegt.

Auf Antrag seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 19. Dezember 2014 wurde mit Beschluss vom 5. Februar 201 5 (Anlage K2) ausgesprochen, dass der Kläger für die in der Zeit vom 12. Juni 2011 bis zum 9. Februar 2012 in der Unterbringungssache erlittene vorläufige Unterbringung zu entschädigen ist.

Mit Beschluss vom 3. März 2015 wurde für den Kläger wegen einer chronifizierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis die gesetzliche Betreuung angeordnet und Herr Rechtsanwalt pp. zum Betreuer des Klägers für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt. Im Jahr 2012 war ein eingeleitetes Betreuungsverfahren wegen Ablehnungshaltung des Klägers gegenüber einer Betreuung eingestellt worden.

Mit Schreiben vom 15. April 2015 (Anlage K6) teilte die Staatsanwaltschaft Duisburg dem Kläger — zugestellt über seinen Prozessbevollmächtigten — mit, dass die Entschädigung für Nichtvermögensschäden 25,00 EUR Tag betrage und belehrte ihn, dass ein Anspruch nunmehr innerhalb von sechs Monaten gestellt werden könne.

Auf Anträge seines Prozessbevollmächtigten vom 12. März und 12. Mai 2015 wurde der dem Kläger zu leistende Entschädigungsbetrag mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 auf 6.075,00 festgesetzt. Dabei wurde ein beantragter Teilbetrag in Höhe von 649,74 für Rechtsanwaltskosten im Entschädigungsverfahren nicht anerkannt (Anlage K10). Nach Verrechnung mit einer Justizkostenforderung wurde ein Betrag in Höhe von 1.922,29 ausgezahlt.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn einen weiteren Entschädigungsbetrag in Höhe von 649,74 E nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2016 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.

Es ist der Auffassung, die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Entschädigungsverfahren sei nicht notwendig gewesen. Die Antragstellung sei angesichts der Informationen im Schreiben vom 15. April 2015 (Anlage K6) äußerst einfach. Jedenfalls hätte der zwischenzeitlich zum Betreuer des Klägers bestellte Rechtsanwalt die Antragstellung im Rahmen seiner Betreuungstätigkeit übernehmen können. Zumindest habe der Kläger anwaltliche Hilfe im Rahmen von Beratungshilfe zu Kosten von nur 15,00 E in Anspruch nehmen können.

Es bestreitet die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung im Hinblick auf eine etwa bestehende Geschäftsunfähigkeit des Klägers.


Das Gericht hat die Betreuungsakte beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger ist parteifähig. Gegen die erteilte Prozessvollmacht (BI. 29 GA) bestehen keine Bedenken. Nach den Ausführungen der psychiatrischen und nervenärztlichen Gutachten von Dr. pp. in der beigezogenen Betreuungsakte besteht beim Kläger eine chronifizierte psychische Erkrankung, die in produktiven Erkrankungsphasen zu einem Schuldausschluss im Sinne des § 21 StGB führt und die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung angezeigt erscheinen lässt. Für eine dauerhafte Aufhebung der Geschäftsfähigkeit bestehen allerdings keine Anhaltspunkte.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf weitere Entschädigung wegen der vorläufigen Unterbringung im Sicherungsverfahren (LG Duisburg) in Höhe von 649,74 EUR zu.

Nach § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Dabei sind notwendige Auslagen für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts im Grundverfahren und im Betragsverfahren erstattbar (Meyer, StrEG, § 7 Rn. 17 „Anwaltskosten"). Als nicht notwendig wird die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Betragsverfahren angesehen, wenn völlige Klarheit über die Höhe der Haftung besteht, etwa wenn der Beschuldigte ausschließlich immateriellen Schaden verlangt (Meyer a.a.O. „b) Justizverwaltungsverfahren" m.w.N.).

Gleichwohl erachtet das Gericht die Zuziehung des Rechtsanwalts im Betragsverfahren vorliegend wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles als notwendig. Das Gericht ist nach den Erkenntnissen aus der beigezogenen Betreuungsakte und der persönlichen Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 überzeugt, dass es dem Kläger nicht zuverlässig möglich gewesen wäre, den - auch noch so einfachen - Entschädigungsantrag selbst zu stellen. Nach den Erkenntnissen in der Betreuungsakte bestehen immer wieder produktive Erkrankungsphasen. Er hat es in der Vergangenheit nicht geschafft seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitsamt angemessen vorzutragen, vielmehr ist ihm dort offenbar ein Hausverbot erteilt worden. Nach den Feststellungen des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. pp. vom 11. November 201 4 kann er sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Rechts- und Behördenangelegenheiten nicht selbst besorgen. Sinn und Wesen einer Betreuung seien ihm nicht zu vermitteln. Behandlungsmöglichkeiten nehme er erkrankungsbedingt nicht wahr. Auch in seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht nicht den Eindruck gewonnen, dass der Kläger die Informationen über das Entschädigungsverfahren aus dem Schreiben vom 15. April 2015 hätte verstehen und sachgerecht umsetzen können. Ihm war auch in seiner Anhörung der Sinn der Betreuung nicht klar, vielmehr nahm er an, diese beruhte auf Bewährungsauflagen.

Nach Dafürhalten des Gerichts kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, den bestellten Betreuer nicht mit der Geltendmachung der Entschädigungsansprüche befasst zu haben. Das Betreuungsverfahren lief in etwa zeitgleich mit der Beauftragung des hiesigen Prozessbevollmächtigten. Die Schilderung des Klägers in seiner Anhörung, er habe seinen Prozessbevollmächtigten als Verteidiger für ein neues Strafverfahren beauftragt, in diesem Zusammenhang sei die Entschädigungsproblematik zur Sprache gekommen, ist absolut lebensnah. Die ersten Anträge sind durch den Prozessbevollmächtigten auch bereits im Dezember 2014 und damit vor Anordnung der gesetzlichen Betreuung im März 2015 gestellt worden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung der Fall, dass ein Betreuer für seinen Betreuten als Strafverteidiger tätig wird, nicht mehr von dem allgemeinen Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden als gedeckt angesehen wird (z. B. OLG Schleswig, NJW RR 2008, 91; OLG Frankfurt, NJW RR 2005, 1166). Insoweit erscheint auch fraglich, ob eine Tätigkeit im Betragsverfahren als Annex zum Strafverfahren im Rahmen der gesetzlichen Betreuung vorliegend überhaupt zulässig gewesen wäre. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gebührenschneiderei liegen nach Dafürhalten des Gerichts nicht vor.

Soweit das beklagte Land schließlich einwendet, der Kläger habe Beratungshilfe in Anspruch nehmen können, schließt die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe den Gebührenanspruch gegen den Prozessgegner nicht aus (BGH VII ZR 169/10).

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 649,74 €


Einsender: RA M. Rahmlow, Duisbrug

Anmerkung:


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