Gericht / Entscheidungsdatum: LG Arnsberg, Beschl. v. 24.02.2017 - 2 Qs 14/17
Leitsatz: Zur Frage einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung i.S. des § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO
In pp.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg vom 10.02.2017 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft B führt unter dem AZ.: 410 UJs 237/16 ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls am 23.11.2016 zwischen 15:40 Uhr und 22:10 Uhr in N, L. Ausweislich der Strafanzeige und des Tatortbefundberichts ergaben sich Hinweise auf ein Aufhebeln eines Fensters und das Durchsuchen nahezu sämtlicher Schränke und Schubladen. Entwendet wurden ein Tablet-PC der Marke T, ein Mobiltelefon der Marke U, 20 Münzgeld, 200 Bargeld samt roter Geldkassette, ein Laptop der Marke D, diverser Gold und Silberschmuck und ein kleiner Goldbarren, insgesamt im Wert von ca. 1000 . Gegen 15:15 Uhr sah die Nachbarstochter eine verdächtige Person, die aus der Einfahrt des Einbruchsobjektes herauskam. Ein Phantombild dieser Person wurde veröffentlicht. Die entwendete Geldkassette wurde am nächsten Morgen mit Papieren und Sparbüchern, aber ohne Bargeld, in E aufgefunden.
Die Staatsanwaltschaft B beantragte am 31.01.2017, die Anordnung der Herausgabe sämtlicher zukünftig anfallender Verkehrsdaten, die Anordnung der Zielverkehrssteuerung, die Erhebung und Kontrolle der Bestands- und Verbindungsdaten im Netz, die Aufenthaltsermittlung durch Übermittlung der aktuellen Funkzelle sowie die Übermittlung aller systembedingten Statusmeldungen bezogen auf die dem entwendeten Mobiltelefon zuzuordnende IMEI.
Das Amtsgericht Ermittlungsrichter B hat den Antrag auf Verkehrsdatenerhebung gemäß § 100g StPO mit Beschluss vom 10.02.2017 abgelehnt und dazu ausgeführt, dass aufgrund der Angaben der Zeugin Hinweise auf eine Bandentat nicht vorlägen. Insoweit sei eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung im Sinne des §§ 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO nicht erkennbar. Auch fehle es an besonderen Umständen, die den konkreten Einzelfall als besonders gravierenden Fall eines Wohnungseinbruchsdiebstahls erscheinen ließen.
Dagegen hat die Staatsanwaltschaft B am 14.02.2017 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, eine Anordnung nach § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 3 StPO sei zulässig, wenn eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung vorliege und die Erhebung der Daten für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich sei. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung läge vor, wenn diese mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzuordnen und geeignet sei, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören und das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Dies sei bei Wohnungseinbrüchen der Fall. Im Übrigen sei der Wert der Beute auch nicht nur unerheblich. Darüber hinaus sei ein nicht unerheblicher Sachschaden entstanden. Der Beschluss des Amtsgerichts lasse Ausführungen dazu vermissen, warum eine Bandentat nicht ersichtlich sei. Aufgrund der Erhebung der Verkehrsdaten sei eine Ortung des Mobiltelefons möglich, so dass festgestellt werden könnte, wo sich dieses zurzeit befinde und wer es im Besitz habe. Der etwaige Nutzer des Mobiltelefons käme zumindest als Hehler in Betracht.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Nichtabhilfebeschluss hat es ergänzend Ausführungen zur gesetzgeberischen Intention der Katalogtaten gemacht.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für die Anordnung der Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO verneint.
Gemäß § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 3 StPO ist die Erhebung von Verkehrsdaten, insbesondere Standortdaten, zulässig, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat, begangen hat. Der Katalog des §§ 100a Abs. 2 StPO enthält unter dem Buchstaben j) die Delikte des Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und des schweren Bandendiebstahls nach § 244a StGB. Das Delikt des Wohnungseinbruchsdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist im Katalog nicht enthalten. Eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung sind Straftaten der mittleren Kriminalität, denen auch im Einzelfall aufgrund der besonderen Umstände, des Gewichts des geschützten Rechtsgut und des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung erhebliche Bedeutung zukommen können (Meyer-Goßner/Schmitt 59. Aufl., § 100 g, Rz. 13). Straftaten von erheblicher Bedeutung sind unter anderem anzunehmen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese gewerbs- oder gewohnheitsmäßig (§ 98a Abs. 1 S. Nr. 5 StPO) oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise (§ 98a Abs. 1 S. Nr. 6 StPO) organisiert begangen worden sind (Meyer-Goßner/Schmitt 59. Aufl., § 100g, Rz. 13 mit Verweis auf § 98a, Rz. 5). Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass sich aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der verfahrensgegenständliche Wohnungseinbruchsdiebstahl durch mehrere Personen begangen wurde, so dass eine Bandentat anzunehmen sein könnte. Die bisherige Aussage der Nachbarstochter lässt derzeit allein einen Verdacht auf eine Person zu. Auch die Durchführung der Tat, die sich aufgrund der Spuren im Haus ergeben, lässt nicht zwingend den Verdacht auf die Ausführung durch mehrere Personen zu. Im Hinblick darauf, dass die betroffenen Eigentümer mehrere Stunden abwesend waren, ist auch eine Durchsuchung der Räume durch eine Person möglich. Aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis ergibt sich ebenfalls nicht, ob diese Tat einer so genannten Einbruchsserie zugeordnet werden könnte, die einen Schluss auf die Begehung durch mehrere Täter oder eine gewerbsmäßige Begehung nahelegen könnte.
Das Amtsgericht hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob sich aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen der verfahrensgegenständliche Wohnungseinbruchsdiebstahl als eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung darstellt und dies zutreffend verneint. Wegen der Begründung schließt sich die Kammer vollumfänglich der Begründung des angefochtenen Beschlusses in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses an. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung auch auf die Höhe des entstandenen Sachschadens abstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist das Einstiegsfenster durch Aufhebeln beschädigt worden. Eine konkrete Schadenshöhe ergibt sich nicht. Ein Eindringen durch ein aufzuhebelndes Fenster stellt eine typische Begehungsart eines Wohnungseinbruchsdiebstahls dar. Weitere Sachschäden sind derzeit nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
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