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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften, Strafmilderung, Schuldfähigkeit, Sachverständigengutachten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 13.12.2016 - 2 Ss 136/16

Leitsatz: 1. Nicht bei jeder Verurteilung wegen Verbreitung, Erwerb und/oder Besitz kinder-pornographischer Schriften bedarf es im Rahmen der Strafzumessung der Erörterung der Frage, ob der sich aus § 184b Abs. 3 StGB ergebende Strafrahmen über §§ 21, 49 StGB zu mildern ist.
2. Sofern sich jedoch aus den Urteilsgründen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Streben des Angeklagten nach kinder- und jugendpornographischen Bilddarstel-lungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer verfestigten sexuellen Neigung beruht, kommt das Vorliegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit in Betracht, so dass unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären ist, ob bei dem Angeklagten eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht.


2 Ss 136/16
Oberlandesgericht Celle

In der Strafsache
gegen pp.
wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht am 13. Dezember 2016 einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten mit Urteil vom 05. Oktober 2015 wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte, als auch die Staatsanwalt-schaft Hannover Berufung ein, woraufhin das Landgericht Hannover am 18. August 2016 die Berufung des Angeklagten verwarf und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abänderte, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt wurde.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu ver-werfen.

II.

Zur Person des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, dass der 60 Jahre alte Ange-klagte alleinstehend und kinderlos ist. Er bezieht aus einer Beschäftigung als Büroangestell-ter ca. 1.000 € netto im Monat und nimmt seit Dezember 2015 auf eigene Kosten Bera-tungseinzelgespräche beim M. e.V. wahr. Er ist zweifach einschlägig vorbestraft, da er durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 11. März 2009 wegen Erwerbs, Besitzes und Verbreitung kinderpornographischer Schriften sowie durch Urteil des Amtsgerichts Hanno-ver vom 28. Juli 2011 wegen Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig gesprochen und jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die später erlassen wurden.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde am 09. April 2015 im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung das Mobiltelefon Samsung Galaxy S 4 des Angeklagten sicherge-stellt. Die anschließende Auswertung ergab mindestens 100 Fotodateien kinderpornogra-phischen Inhalts und weitere mindestens 40 Fotodateien jugendpornographischen Inhalts.

Die Fotos zeigen überwiegend unbekleidete oder nahezu unbekleidete Mädchen im vorpu-bertären Alter, die ihre Geschlechtsteile mit gespreizten Beinen präsentieren. Zum Teil ma-nipulieren die Mädchen ihre Geschlechtsteile selbst oder wechselseitig. Teilweise sind auf den Fotos auch massive Missbrauchshandlungen erwachsener Männer an vorpubertären Mädchen abgebildet. Die Fotodateien jugendpornographischen Inhalts zeigen überwiegend Aufnahmen von Mädchen im Alter von wahrscheinlich über 14, aber sicher unter 18 Jahren, die ihre unbekleideten Genitalien präsentieren, wobei teilweise auch konkrete sexuelle Handlungen Jugendlicher untereinander oder von Jugendlichen mit Erwachsenen abgebil-det sind. Alle Bilddateien sind dem Angeklagten auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin von Teilnehmern eines Mobilfunkchats einzeln übermittelt und von ihm abgespeichert worden, wobei die Kammer keine näheren Details zu der Übermittlung feststellen konnte.

Rechtlich hat das Landgericht diese Tat als Besitz kinderpornographischer Schriften in Tat-einheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften gem. §§ 184b Absatz 3, 184c Absatz 3, 52 StGB gewertet.

Bei der Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des § 184b Absatz 3 StGB zugrunde gelegt und strafmildernd das werthaltige Geständnis des Angeklagten, seine wei-tergehenden Angaben zum Tatgeschehen und die Tatsache berücksichtigt, dass der Ange-klagte das Bildmaterial zur Befriedigung seiner drängenden sexuellen Neigung besessen habe.

Strafschärfend hat das Landgericht demgegenüber die Vielzahl von Dateien berücksichtigt, welche zudem z. T. massive Missbrauchshandlungen bis zum erzwungenen Geschlechts-verkehr eines erwachsenen Mannes an einem in hilfloser Lage gefesselten Kind im Grund-schulalter zeigen. Darüber hinaus hat das Landgericht erschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte zweifach einschlägig vorbestraft ist.

Die Vollstreckung dieser Strafe könne schon mangels günstiger Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Aufgrund der einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten sowie dem auf der verfestigten sexuellen Neigung des Ange-klagten beruhenden Streben nach kinder- und jugendpornographischen Bildmaterial sei auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte inzwischen seit Ende des Jahres 2015 therapeutische Einzelgespräche beim M. H. e. V. führe, davon auszugehen, dass der Angeklagte weitere gleichgelagerte Straftaten begehen werde.

III.

Die zulässige Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - zumindest vorläu-fig - Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Das angefochtene Urteil war hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches auf die Sachrüge aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO zurückzuweisen.

1. Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, da sie nicht in der gem. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form erhoben worden ist.

Die Rüge der Verletzung richterlicher Aufklärungspflicht darf sich nicht auf die Mitteilung der Tatsachen beschränken, die nach Meinung des Beschwerdeführers nicht genügend er-forscht sind, sondern muss bestimmte Beweisbehauptungen und die konkrete Angabe des erwarteten Beweisergebnisses enthalten (BGH NStZ 1984, 329; 2001, 425).

Die Revision teilt nicht mit, was das Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung gewesen wäre.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. In die-sem Umfang verwirft der Senat die Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ge-mäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.

3. Das Urteil konnte allerdings im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben, da sich die Strafzumessung als rechtsfehlerhaft erweist.

Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen, in Zweifelsfällen muss die Strafzumes-sung des Tatrichters hingenommen werden (vgl. BGHSt 34, 345; 29, 319; StraFo 2006, 383). Dies setzt allerdings voraus, dass der Tatrichter seiner Strafzumessung den richtigen Strafrahmen zugrunde gelegt hat und das Revisionsgericht bei mehreren zur Verfügung stehenden Strafrahmen die vorgenommene Auswahl des letztlich zugrunde gelegten Straf-rahmens nachvollziehen und auf mögliche Rechtsfehler hin überprüfen kann (vgl. BGH NJW 1978, 174; wistra 1982, 225; Senat, Beschluss vom 31. August 2016, 2 Ss 93/16; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O., § 337 Rn. 35). Dem wird das angefochtene Urteil des Landgerichts nicht gerecht.

Das Landgericht ist zwar zutreffend zunächst vom Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB ausgegangen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vorsieht. Das Landgericht hat es jedoch unterlassen, sich im angefochtenen Urteil mit der Frage auseinanderzuset-zen, ob eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist.

Zwar ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, selbst nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie, die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seeli-schen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Vielmehr kann auch nur eine gestörte se-xuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Allerdings kann die Steuerungsfä-higkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer einge-schliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 03. September 2015 - 1 StR 255/15, juris; BGH, Beschluss vom 06. Juli 2010, 4 StR 283/10 - juris; BGH vom 17. Juli 2007, 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S. 204 f.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung und der durch das Landgericht gleich mehr-fach betonten, verfestigten sexuellen Neigung des Angeklagten hätte es im vorliegenden Fall der Erörterung der Frage bedurft, ob bei dem Angeklagten im Tatzeitpunkt eine erheb-lich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB gegeben war.
Ausweislich der Feststellungen des Urteils hat der Angeklagte das Bildmaterial „zur Befrie-digung einer drängenden sexuellen Neigung“ in seinem Besitz gehabt (vgl. S. 7 UA). Der über die Taten hinweg stetig steigende Umfang des besessenen Bildmaterials lasse besor-gen, dass das „mit hoher Wahrscheinlichkeit einer verfestigten sexuellen Neigung“ folgende Streben des Angeklagten nach kinder- und jugendpornographischen Bilddarstellungen von drohenden Strafvollstreckungen unbeeinflusst auch weiterhin noch ungebremst vorhanden sei (vgl. Seite 8 UA). Angesichts dieser Ausführungen sowie der Tatsache, dass der Ange-klagte bereits zweifach einschlägig vorbelastet ist, erscheint es im vorliegenden Fall zumin-dest möglich, dass die bei dem Angeklagten vorhandene, von der Norm abweichende se-xuelle Präferenz ihn im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert hat, dass er zur Bekämp-fung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufgebracht und somit nur einge-schränkt steuerungsfähig war.

Der Senat vermag den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, dass das Landgericht dies erkannt und bedacht hat. Es ist nicht auszuschließen, dass das Land-gericht bei Beachtung der Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB eine Strafrah-menverschiebung vorgenommen und auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Bereits deshalb konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, sondern war unter Zurückverwei-sung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revi-sionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover aufzuhe-ben.

Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung lässt den Schuldaus-spruch des angefochtenen Urteils unberührt, da eine vollständige Aufhebung der Schuldfä-higkeit hier ausgeschlossen erscheint.


Das Landgericht wird unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob bei dem Angeklagten eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht.


Einsender: 2. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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