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Entscheidungen

StPO

Berufungsbeschränkung, Wirksamkeit, Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 2 RV 96/16

Leitsatz: Beschränkt sich das erstinstanzliche Urteil auf Feststellungen zum reinen Schuldvorwurf, ohne auf die auch für die Rechtsfolgenbemessung wesentlichen, das Handlungsunrecht der Tat prägenden Umstände der Tat einzugehen, ist eine nach § 318 StPO erklärte Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen unwirksam.


2 RV 96/16
Hanseatisches Oberlandesgericht
2. Strafsenat
Beschluss
In der Strafsache
gegen
Verteidiger:
hier betreffend Revision des Angeklagten
hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg am 3. Mai 2017 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
die Richterin am Oberlandesgericht
den Richter am Landgericht
einstimmig gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 3, vom 27. Mai 2016 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten der Revision — an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 5. Oktober 2015 wegen Betruges „unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27.3.2015 (Az.: 246 — 161/14) verhängten Strafen und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte mit am 8. Oktober 2015 eingegangenem Verteidigerschriftsatz „Rechtsmittel" eingelegt.

In der Berufungshauptverhandlung hat der Angeklagte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Berufung auf das Strafmaß beschränkt. Mit Urteil vom 27. Mai 2016 hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts vom 5. Oktober 2015 im Rechtsfolgenausspruch — unter Verwerfung der Berufung im Übrigen — dahingehend geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt ist.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit am 30. Mai 2016 eingegangenem Verteidigerschriftsatz Revision eingelegt und nach im Anschluss an die Fertigstellung des Protokolls am 6. Juli 2016 bewirkter richterlicher Urteilszustellung am 9. Juli 2016 mit am 8. August 2016 eingegangenem Verteidigerschriftsatz die Revision mit der teilweise ausgeführten allgemeinen Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat - vorläufigen - Erfolg, da das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Mai 2016 nicht der durch die allgemeine Sachrüge veranlassten revisionsrechtlichen Prüfung standhält. Die durch den Angeklagten erklärte Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß war materiell unwirksam. Dies hat zur Folge, dass das angefochtene Urteil mangels ausreichender Feststellungen zur Sache lückenhaft ist

1. Die Wirksamkeit einer gemäß § 318 StPO grundsätzlich möglichen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt unter anderem voraus, dass die erstinstanzlich zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entsprechende Bemessung der Rechtsfolgen bieten (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2008, Az.: 2 Rev 78/07). Zwar steht eine fehlerhafte Subsumtion der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich nicht entgegen (BGH in NStZ 1996, 352 (353)), doch muss der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat in zumindest groben Zügen erkennbar sein, da es anderenfalls an zureichenden Anknüpfungspunkten für die Strafzumessung fehlt (vgl. zu allem auch Senat in NStZ-RR 2006, 18 (19)). Wesentliche Bedeutung für die Rechtsfolgenbemessung kommt gemäß § 46 StGB dem Schuldumfang zu. Wegen Doppelrelevanz für Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch müssen die den Schuldumfang bestimmenden Tatsachen bereits erstinstanzlich festgestellt sein (BGHSt 29, 359 (366)). Der Schuldumfang wird wesentlich durch die subjektive Tatseite, insbesondere Ausrichtung und Reichweite des Vorsatzes sowie das Tatmotiv, mitbestimmt. Dem Tatmotiv kommt Doppelrelevanz für Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch zu (Senat a.a.O.; BGHSt 30, 340 (343ff.)). Entsprechendes gilt für die äußeren Begleitumstände der Tat, zu denen sich das Urteil zu verhalten hat.

2. Gemessen hieran konnte aufgrund der unzureichenden Tatsachenfeststellungen des amtsgerichtlichen Urteils die Berufung nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden. Zwar tragen die äußerst knappen amtsgerichtlichen Feststellungen noch den Schuldspruch. Sie erschöpfen sich indes in der Darlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB. Feststellungen namentlich zum Umfang des die Strafzumessungsschuld wesentlich mitbestimmenden Handlungsunrechts sind - mit Ausnahme der erheblichen und einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten - vom Amtsgericht nicht getroffen worden.

Beschränkt sich das erstinstanzliche Urteil auf Feststellungen zum reinen Schuldvorwurf, ohne auf die auch für die Rechtsfolgenbemessung wesentlichen, das Handlungsunrecht der Tat prägenden Umstände der Tat (insbesondere Beweggründe und Ziele, aus der Tat sprechende Gesinnung, aufgewendete „kriminelle Energie" usw.; vgl. im Einzelnen hierzu Senat, Beschluss vom 11. April 2003, Az.: II — 56/03; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1688) einzugehen, ist eine nach § 318 StPO erklärte Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen unwirksam: das erkennende Gericht hätte vielmehr eigene Feststellungen zum Schuldvorwurf treffen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom' 15. Juli 2016, Az.: 2 Rev 36/16).

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Der Senat hebt deshalb das Urteil mit den Feststellungen auf (§ 353 Abs. 1, 2 StPO) und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des derzeit nur vorläufig erfolgreichen Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurück (§ 354 Abs. 2 StPO).

III.
Dem neu entscheidenden Tatrichter werden nachfolgende Hinweise erteilt:

1. Sofern neuerlich Feststellungen getroffen werden, dass u.a. eine vollständige Rückzahlung des von dem Angeklagten betrügerisch erlangten Vermögensvorteils erfolgt ist, hat sich der Tatrichter mit der nahe liegenden Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen des § 46a StGB in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen; eine allgemein strafmildernde Berücksichtigung reicht nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2014, Az.: 2 Rev 78/14; Fischer § 46a Rn. 12 m.w.N.).

2. Im Hinblick auf den Umstand, dass das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 4. Oktober 2011 erst deutlich später am 19. Juni 2012 rechtskräftig geworden ist, wird zu prüfen sein, ob mit der am 3. Mai 2012 begangenen Tat zu Fall 2 des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 27. März 2015 vorrangig eine Gesamtstrafenlage zu beachten ist und diese deshalb vorliegend aus der zu bildendenden Gesamtstrafe entfällt.


Einsender: RA Voß, Braunschweig

Anmerkung:


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