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Entscheidungen

StPO

Ordnungsgeld, Zeuge, Ungebühr vor Gericht

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.05.2017 - 1 Ws 245/17

Leitsatz: Selbst wenn ein Zeuge nachvollziehbar sehr erregt gewesen ist, ist es für ein Gericht nicht hin-nehmbar, wenn der Zeuge in aggressiver Weise versucht, den Staatsanwalt zu maßregeln.


Oberlandesgericht
Oldenburg (Oldenburg)
1 Ws 245/17

Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen übler Nachrede,
hier: Ordnungsgeldbeschluss gegen den Zeugen W.
Beschwerdeführer: W.,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 30. Mai 2017
durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Die Beschwerde des Zeugen W. gegen den Beschluss der Strafrichterin des Amtsgerichts Meppen vom 16. März 2017,
durch den gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von zwei Tagen, festgesetzt worden ist, wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.


Gründe
In dem gegen Herrn H. vor dem Amtsgericht Meppen geführten Strafverfahren hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 16. März 2017 als Zeuge ausgesagt. Im Hauptverhandlungsprotokoll vom 16. März 2017 ist vermerkt:
„Als sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft äußern wollte, wurde der Zeuge W. laut und aggressiv und erwiderte, er hätte sich da nicht einzumischen, die Richterin würde die Fragen stellen.“
Auf Anregung des Vertreters der Staatsanwaltschaft hat die Strafrichterin gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft verhängt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer die in das Protokoll aufgenommene Erklärung abgegeben, er nehme das Ordnungsgeld nicht an und hat dies mit einem an das Oberlandesgericht gerichteten Schreiben vom 16. März 2017 näher ausgeführt.

Die Erklärung des Beschwerdeführers ist als Beschwerde im Sinne von § 181 GVG auszulegen und als solche zulässig, aber unbegründet.
Zwar ist dem Protokoll nicht zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer vor der Beschlussfassung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Das Absehen von einer vorherigen Anhörung des Betroffenen ist aber ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Ungebühr und der Ungebührwille völlig außer Frage stehen und die Anhörung nur zu weiteren Ausfällen Gelegenheit gäbe (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 178 GVG Rn. 14).
So ist es hier. Der Beschwerdeführer hat den protokollierten Geschehensablauf in seinem Schreiben vom 16. März 2017 bestätigt. Der im Protokoll weiter angeführte Erregungszustand des Beschwerdeführers („laut und aggressiv“) barg die Gefahr, dass dieser bei einer Gelegenheit zur Äußerung vor Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses erneut die Würde des Gerichts oder des Vertreters der Staatsanwaltschaft angreifen könnte.

Diese Einschätzung lässt sich zudem auf das Folgegeschehen stützen, als der Beschwerdeführer ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach Verkündung des Ordnungsgeldbeschlusses „wütend und abrupt den Sitzungssaal mit einem lauten Türknallen“ verließ.

Auch inhaltlich ist der Beschluss nicht zu beanstanden.
Nach § 178 GVG kann gegen Zeugen, die sich in der Sitzung der Ungebühr schuldig machen, ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt werden.
Hierbei ist nach § 182 GVG bei einem Ordnungsmittel wegen Ungebühr sowohl der darüber gefasste Beschluss mitsamt Begründung und auch dessen Veranlassung in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen, um so dem Beschwerdegericht ein möglichst objektives, von Erinnerungsfehlern freies und umfassendes Bild des Vorgangs zu vermitteln (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO., § 182 GVG Rn. 1).
Zwar enthält das Hauptverhandlungsprotokoll vom 16. März 2017 keine ausdrückliche Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses. Das Fehlen einer solchen Begründung ist aber ausnahmsweise dann unschädlich, wenn aufgrund des Protokollvermerks über die Veranlassung des Beschlusses davon auszugehen ist, dass die Gründe hierfür auch für den Beschwerdeführer außer Zweifel standen und der Protokollvermerk dem Beschwerdegericht die volle Nachprüfung des Beschlusses ermöglicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO., § 183 GVG Rn. 4).
So liegt es hier. Im Protokoll ist vermerkt, dass der Beschwerdeführer, als der Vertreter der Staatsanwaltschaft sich äußern wollte, laut und aggressiv erwiderte, er - der Staatsanwalt - hätte sich da nicht einzumischen, die Richterin würde die Fragen stellen.
Dieses Verhalten stellt eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG dar. Danach ist Ungebühr ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den „Gerichtsfrieden“ und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO., § 178 GVG Rn. 2).
Selbst wenn der Beschwerdeführer sich aufgrund des Gegenstands der Verhandlung und seiner Vernehmung in einem Zustand emotionaler Erregung befunden haben sollte, ist es für ein Gericht nicht hinnehmbar, wenn ein Zeuge in aggressiver Weise versucht, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zu maßregeln.
So obliegt die Verhandlungsleitung gemäß § 238 Abs. 1 StPO ausschließlich dem oder der Vorsitzenden. Die Äußerung des Beschwerdeführers in Richtung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, er habe sich da nicht einzumischen, die Richterin würde die Fragen stellen, zielt darauf ab, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft sein Fragerecht abzuschneiden. Insbesondere den Zeitpunkt der Ausübung des Fragerechts gemäß § 240 Abs. 2 StPO bestimmt aber der oder die Vorsitzende (vgl. Meyer-Goßner/Meyer-Goßner, aaO., § 240 StPO Rn. 6). Dem Beschwerdeführer als Zeugen steht dies hingegen nicht zu.

Selbst der in zeitlicher Hinsicht früher einsetzende vom Beschwerdeführer geschilderte Geschehensablauf rechtfertigt ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr. Danach habe er am Ende seiner Zeugenaussage noch zwei Sätze sagen wollen, was die Vorsitzende versucht habe zu unterbinden. Als der Staatsanwalt sich eingemischt habe, habe er diesem erwidert, er solle ruhig sein, er - der Staatsanwalt - sei von der Richterin nicht zum Sprechen aufgefordert worden.
Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Vorsitzende dem Beschwerdeführer zumindest schlüssig das Wort entzogen hatte, weshalb dieser zu weiteren Ausführungen nicht berechtigt gewesen ist. Schon ein Weitersprechen seinerseits stellte eine Missachtung der richterlichen Verhandlungsleitung dar. Hingegen war das Zulassen der Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als zumindest schlüssige Anordnung zu verstehen, dem Sitzungsvertreter das Wort zu erteilen. Die an den Staatsanwalt gerichtete maßregelnde Erwiderung des Beschwerdeführers stellte insofern zugleich eine Missachtung des Gerichts dar.
Die Höhe des gegen den Beschwerdeführer festgesetzten Ordnungsgeldes und die Dauer der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft, denen der Beschwerdeführer nicht näher entgegengetreten ist, sind nicht zu beanstanden.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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