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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Diebstahl geringwertiger Sachen, Strafzumessung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 11.07.2017 - 4 RVs 80/17

Leitsatz: 1. Jedenfalls dann, wenn der Beutewert die Geringwertigkeitsgrenze des § 248a StGB nicht überschreitet, ist eine Berücksichtigung dieses Umstandes im Rahmen der Strafzumessung bei einem abgeurteilten Eigentumsdelikt unerlässlich.
2. Bei einem Diebstahl geringwertiger Sachen scheidet die Verhängung einer mehrmonatigen, deutlich über dem gesetzlichen Mindestmaß liegenden (vollstreckbaren) Freiheitsstrafe nicht von vornherein aus. Es müssten dann aber – um die Verhängung einer solchen Freiheitsstrafe zu rechtfertigen – die straferschwerenden Umstände so stark überwiegen, dass dem an sich sehr wichtigen Umstand des (geringen) Werts der Tatbeute nur noch eine untergeordnete Rolle zukommt.


In pp.
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

1
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen des Diebstahls von einem Paket Tabak im Wert von 18,50 Euro in einem Supermarkt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
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Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
5
II.
6
Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge hin teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch und zur Zurückverweisung der Sache insoweit an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Die weitergehende Revision ist hingegen offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
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Die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils sind lückenhaft und halten deswegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (vgl. nur BGH, Urt. v. 14.12.2016 – 2 StR 338/16 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 21.03.2017 – 4 RVs 18/17 - juris).
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Das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten allein sein „unumwundenes Geständnis“ und den fehlenden (endgültigen) Verlust aufgrund der Sicherstellung der gestohlenen Ware strafmildernd berücksichtigt und damit nicht alle wesentlichen entlastenden Umstände in seine Abwägung einbezogen. Als wesentlicher entlastender Umstand ist in den Urteilsgründen nicht erörtert worden, dass sich die Tat auf einen Gegenstandswert bezog, welcher deutlich unterhalb der Geringwertigkeitsgrenze liegt. Der geringe Wert der (intendierten) Beute ist ein zu erörternder Strafzumessungsgesichtspunkt (BGH, Urt. v. 17.05.1990 – 4 StR 162/90 – juris), teils wird er bei Eigentumsdelikten sogar als einer der wichtigsten – im Urteil zu erörternden – Gesichtspunkte angesehen (Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rdn. 590 und 1664; van Gemmeren JR 2007, 213, 214). Jedenfalls dann, wenn der Beutewert – wie hier – die Geringwertigkeitsgrenze des § 248a StGB nicht überschreitet, ist eine Berücksichtigung dieses Umstandes im Rahmen der Strafzumessung auch nach Auffassung des Senats unerlässlich. Dass die Geringwertigkeit vom Gesetzgeber als wesentlicher schuldmindernder Gesichtspunkt angesehen wird, zeigt sich schon an den zahlreichen Sonderbestimmungen. So ist etwa nach § 243 Abs. 2 StGB die Annahme eines besonders schweren Falles nach § 243 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. Nach § 248a StGB ist eine Verfolgung eines Diebstahls geringwertiger Sachen nur bei Vorliegen eines Strafantrages oder bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft möglich.
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Angesichts der im vorliegenden Fall verhängten erheblichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten kann der Senat nicht ausschließen, dass diese auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht.
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Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch Zweifel bestehen, ob eine wie hier verhängte Freiheitsstrafe sich nicht von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Zweifelsohne rechtfertigen die bisherigen Feststellungen die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch oberhalb des Mindestmaßes nach § 38 Abs. 2 StGB, wenn der Tatrichter die Voraussetzungen des § 47 StGB bejaht. Für die (grds. nicht von vorneherein ausgeschlossene) Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bei einem Eigentumsdelikt mit sehr geringem Schaden und einem bisher (offenbar) noch nicht hafterfahrenen Täter bedürfte es aber weitergehender Feststellungen straferschwerender Umstände und einer eingehenderen Abwägung. Dabei müssten dann – um die Verhängung einer solchen Freiheitsstrafe zu rechtfertigen – die straferschwerenden Umstände so stark überwiegen, dass dem an sich sehr wichtigen (geringen) Wert der Tatbeute nur noch eine untergeordnete Rolle zukommt.

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