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Entscheidungen

OWi

Zulässigkeit Erzwingungshaft, Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Bamberg, Beschl. v. 14.09.2017 – 23 OWi 708/17

Leitsatz: 1. Allein die Durchführung eines Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens steht der Anordnung von Erzwingungshaft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG nicht entgegensteht. Es ist dem Betroffenen auch während eines Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens grundsätzlich zuzumuten, offene Geldbußen - auch solche, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens herrühren - aus dem ihm verbleibenden Selbstbehalt bzw. aus seinem freien Vermögen in angemessenen Raten zu begleichen. Dem stehen auch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht entgegen.
2. Erzwingungshaft gem. § 96 Absatz 1 OWiG kann auch dann verhängt werden, wenn dem Betroffenen nur unter den Pfändungsbzw. Haftungsgrenzen der §§ 850 bis 852 ZPO, §§ 36, 287 Absatz 2 InsO liegende Einkünfte zur Verfügung stehen. Von Zahlungsunfähigkeit i.S.d. §§ 95 Absatz 2, 96 Absatz Abs. 1 Nrn. 2 und 4 OWiG ist erst dann auszugehen, wenn es dem Betroffenen unmöglich ist, die Geldbuße unter zumutbaren Bedingungen auch aus pfändungs- und insolvenzfreiem Einkommen abzutragen.
3. Eine etwaige Zahlungsunfähigkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG hat der Betroffene in jedem Fall auch während eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens substantiiert vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen.


In pp.

Gegen den Betroffenen wird Erzwingungshaft in Höhe von 3 Tagen angeordnet.

Gründe

1. Der Betroffene hat weder die mit nachfolgender Entscheidung festgesetzte Geldbuße bezahlt, noch die Zahlungsunfähigkeit dargetan:
Bußgeldbescheid vom 17.02.2016
Bußgeldbehörde Stadt B.
Az. Bußgeldbehörde
Geldbuße 100,00 EUR
Abzüglich bereits gezahlter Teilbeträge 0,00 EUR
+ Auslagen Antragsteller 28,50 EUR
+ Auslagen Gericht/StA 0,00 EUR
Restliche Geldbuße 100,00 EUR
Gesamte Restforderung 128,50 EUR

Der Betroffene ist darüber belehrt worden, dass Erzwingungshaft angeordnet werden kann, wenn weder die Geldbuße spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft an die zuständige Kasse gezahlt, noch der Vollstreckungsbehörde schriftlich oder zur Niederschrift die Zahlungsunfähigkeit dargelegt wird.

2. Weder eine Zahlungsunfähigkeit des Betroffenen i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG noch Umstände, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 4 OWiG, sind erkennbar. Hieran ändert nach vorzugswürdiger Ansicht nichts, dass nach Erlass und Rechtskraft des gegenständlichen Bußgeldbescheids vom 17.02.2017 mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 01.08.2016 über das Vermögen des Betroffenen wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Ordnungswidrigkeitsrechts bedingt, dass der Betroffene selbst bei Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Geldquellen, Einschränkung seiner Lebenshaltungskosten und unter Anspannung sämtlicher finanzieller Erwerbsobliegenheiten nicht in der Lage ist, die Geldbuße ggf. unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu zahlen, weil er entweder über keine ausreichenden flüssigen Zahlungsmittel verfügt, er sich diesen Betrag nicht auf andere Weise zu beschaffen vermag - etwa durch Aufnahme von überobligationsmäßiger Arbeit, den Verkauf von unpfändbaren Gegenständen oder sonstige Einschränkung seiner Lebenshaltung - oder ihm die Zahlung aufgrund anderer Umstände nicht mehr zugemutet werden kann LG Potsdam, Beschluss vom 14. September 2006 – 21 Qs 108/06 –, juris, Rn. 5 m.w.N.; Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2002, § 96 Rdnr. 13 m.w.N).

Das Gericht teilt in diesem Zusammenhang die verbreitete Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass allein die Durchführung eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens der Anordnung von Erzwingungshaft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG nicht per se entgegensteht. Es ist dem Betroffenen auch während eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens grundsätzlich zuzumuten, offene Geldbußen - auch solche, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens herrühren - aus dem ihm verbleibenden Selbstbehalt bzw. aus seinem freien Vermögen in angemessenen Raten zu begleichen. Dem stehen auch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht entgegen (vgl. zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen unter Bezugnahme auf die dortigen ausführlichen zutreffenden Begründungen LG Deggendorf, Beschluss vom 28. März 2012 – 1 Qs (b) 62/12 –, juris, Rn. 9 ff.; LG Potsdam, Beschluss vom 14. September 2006 – 21 Qs 108/06 –, juris, Rn. 4 ff.; LG Berlin, Beschluss vom 03. Juli 2006 – 505 Qs 54/06 –, juris, Rn. 5 ff.; LG Potsdam, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 24 Qs 52/15 –, juris, Rn. 7 ff.; Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2002, § 96 Rdnr. 13 m.w.N; Karlsruher Kommentar zum OWiG/Mitsch, 4. Aufl. 2006, OWiG § 96 Rn. 14 m.w.N.; Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, 1. Aufl. 2014; Rn. 498 a.E.; Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl. 2014, § 89 InsO Rn. 5 m.w.N.; Lampe, jurisPR-StrafR 10/2016 Anm. 4., juris).

Erzwingungshaft gem. § 96 Absatz 1 OWiG kann daher auch dann verhängt werden, wenn dem Betroffenen nur unter den Pfändungsbzw. Haftungsgrenzen der §§ 850 bis 852 ZPO, §§ 36, 287 Absatz 2 InsO liegende Einkünfte zur Verfügung stehen. Von Zahlungsunfähigkeit i.S.d. §§ 95 Absatz 2, 96 Absatz Abs. 1 Nrn. 2 und 4 OWiG ist erst dann auszugehen, wenn es dem Betroffenen unmöglich ist, die Geldbuße unter zumutbaren Bedingungen auch aus pfändungs- und insolvenzfreiem Einkommen abzutragen. Dabei bleibt selbst das „soziokulturelle” Existenzminimum nicht völlig unangetastet (dazu zusammenfassend und erhellend Schuster, NZV 2009, 538 ff).

Eine etwaige Zahlungsunfähigkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG hat der Betroffene mithin in jedem Fall auch während eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens substanziiert vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen, woran es vorliegend gänzlich fehlt.

Zudem kommt hinzu, dass die gegenständliche Geldbuße i.H.v. 100 EUR nicht exorbitant ist und dass der Betroffene offenkundig trotz laufender Insolvenz über finanzielle Mittel verfügt, in hiesiger Sache einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Warum der Betr. nicht in der Lage sein soll, die gegenständliche überschaubare Geldbuße wenigstens in monatlichen Raten zu begleichen, erhellt demnach nicht im Ansatz.

3. Wichtiger Hinweis: Die Erzwingungshaft kann durch Zahlung der Geldbuße abgewendet werden. Andererseits befreit die Verbüßung der Erzwingungshaft nicht von der Verpflichtung die Geldbuße zu bezahlen.


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