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Entscheidungen

Gebühren

Selbständiger Verfallsbeteiligter, Gebührenumfang

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 26.01.2018 - 9 Qs 59 u. 60/17

Leitsatz: Im selbständigen Verfallsverfahren entsteht für den Vertreter des Verfallsbeteiligten im Bußgeldverfahren nach Teil 5 VV RVG nur die Gebühr Nr. 5116 VV RVG.


9 Qs 59/17 + 9 Qs 60/17
Landgericht Koblenz
Beschluss

In dem selbständigen Verfallsverfahren
gegen pp.

hat die 9. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz als Kammer für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin und den Richter am Landgericht am 26. Januar 2018 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 30. Juni 2017 aufgehoben.
2. Die der Verfallsbeteiligten aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen werden auf
568,23 € € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13. Februar 2017 festgesetzt.
3. Die sofortige Beschwerde der Verfallsbeteiligten vom 6. Juli 2017 wird als unbegründet verworfen.
4. Die Verfallsbeteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:
Die Verwaltungsbehörde erließ am 18. August 2015 eine selbständige Verfallsanordnung nach § 29a Abs. 4 OWiG in der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung über einen Betrag in Höhe von 6.809,83 Euro gegen die Verfallsbeteiligte (BI. 83 ff. der Vorheftung).

Hintergrund der isolierten Verfallanordnung war, dass durch Transporte, die von der Verfallsbeteiligten als Beförderer durchgeführt worden waren, diverses Schüttgut an die Deponie Eiterköpfe an der LI 17, 56299 Ochtendung, angeliefert wurden und die Transportfahrzeuge der Verfallsbeteiligten dabei jeweils erheblich überladen waren.

Eine Auswertung der vorliegenden Unterlagen habe — so die Verwaltungsbehörde — ergeben, dass in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 18. Juni 2015 insgesamt 490 Transporte durch die Verfallsbeteiligte durchgeführt worden seien. Davon hätten 299 Fahrten in einem rechtswidrig überladenen Zustand stattgefunden. 18,5 % der Fahrten hätten eine Überladung von mehr als zwei Tonnen gehabt und sich somit hinsichtlich der Fahrerverstöße im Bußgeldbereich bewegt. Durch die Überladungen habe die Verfallsbeteiligte einen Vorteil gegenüber anderen Firmen erlangt, welche ihre Fahrzeuge ordnungsgemäß beladen. Die Verfallanordnung sei zulässig, da die Verfallsbeteiligte durch die mit Geldbuße bedrohten Handlungen ihrer Fahrer etwas erlangt habe und ein Bußgeldverfahren gegen die eingesetzten Fahrer nicht eingeleitet worden sei. Die mit Geldbuße bedrohten Handlungen hätten in dem Verstoß gegen die Vorschriften über das zulässige Gesamtgewicht von Fahrzeugen bestanden.

Die Berechnung des Verfallsbetrages durch die Verwaltungsbehörde erfolgte dergestalt, dass das jeweils zu jedem Fahrzeug und zu jedem Wiegevorgang ermittelte Ladungsgewicht mit dem Annahmepreis von 4,50 Euro je Tonne multipliziert wurde, da der Transport der Ladung infolge des erheblichen Überschreitens des zulässigen Gesamtgewichts in Gänze nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

Der die Verfallanordnung enthaltende Bescheid wurde der Verfallsbeteiligten am 21. August 2015 ordnungsgemäß zugestellt (BI. 170 f. d. Vorheftung).

Auf den Einspruch der Verfallsbeteiligten vom 24. August 2015 (BI. 171 d. Vorheftung) wurden die Akten dem Amtsgericht Linz am Rhein vorgelegt.

Ein erster auf den 15. April 2016 anberaumter Hauptverhandlungstermin, in dem der Verfahrensbevollmächtigte der Verfallsbeteiligten auftrat, wurde ausgesetzt. Ein neuer Hauptverhandlungstermin wurde schließlich am 7. Februar 2017' durchgeführt. Auch zu diesem Hauptverhandlungstermin erschien der Verfahrensbevollmächtigte. Am Ende der um 13:35 Uhr begonnenen und um 13:45 Uhr beendeten Hauptverhandlung wurde das selbständige Verfallverfahren gegen die Verfallsbeteiligte durch Urteil eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Verfallsbeteiligten wurden der Staatskasse auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017, BI. 287 ff. d.A., beantragte der Verfahrensbevollmächtigte für die Verfallbeteiligte die Kostenfestsetzung gegen die Staatskasse gemäß den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 464b StPO und machte folgende Kosten und Auslagen geltend:

„1. Honorarkosten für anwaltliche Verteidigung
Bußgeldbehördliches Verfahren (RAIin pp.)
VV 5100 170,-
VV 5103 290,-
VV 7002
Gerichtliches Verfahren (RA pp.) 20,-
VV 5109 290,-
VV 5112 (HV 15.04.2016) 470,-
VV 5116 - 1.0 Gebühr aus 6809,83 - 405,-
VV 5112 (HV 07.02.2017) 470,-
VV 7002 20,-
VV 7000 - 100 Kopien 32,50
VV 7003 - 2 Pkw-Fahrten Köln-Linz-Köln wg.
HV-Teilnahme = 280 km 84,- W 7005 - weniger als 4 Std. Abwesenheit f. jew.
HV-Teilnahme = 2 x 25,- _5Qc
2.301 zzgl. 19 0/0 MWSt 437 28
2.738,78"

Gegen das amtsgerichtliche Urteil vom 7. Februar 2017 legte die Staatsanwaltschaft Koblenz mit Verfügung vom 16. Februar 2017 — ohne nähere Begründung — Rechtsbeschwerde ein (BI. 281 d.A.).

Nach Absetzung und Übersendung der schriftlichen Urteilsgründe nahm die Staatsanwaltschaft Koblenz die eingelegte Rechtsbeschwerde mit Verfügung vom 6. April 2017 zurück (BI. 301 d.A.).

Zu dem Kostenfestsetzungsantrag vom 10. Februar 2017 wurde der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz angehört und nahm mit Verfügung vom 20. April 2017 (BI. 304 d.A.) dahingehend Stellung, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts allein auf die Verfallsanordnung und nicht auch auf die Abwehr einer Ordnungswidrigkeit erstreckt habe. Der Rechtsanwalt sei daher lediglich im selbständigen Verfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG tätig geworden. Somit stehe ihm nur eine Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG aus einem Wert von 6.809,83 Euro zu. Verwiesen wurde hierzu auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe im Beschluss vom 10. April 2012, zum Az.:
1 AR 70/11.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2017 (BI. 305 ff. d.A.) ergänzte der Verfahrensbevollmächtigte den früheren Antrag auf Kostenfestsetzung hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wie folgt:
„Rechtsbeschwerdeverfahren
w 5113 560,w 7002 20,W 5116 Abs. 3 Satz 2 - 1.0 Gebühr aus
6809,83 € - 405
985,-
Hierauf MWSt. ________l.g.zz_lä
Summe 1.172,15"
Weiter ist im Antrag ausgeführt, dass die vom Bezirksrevisor bezeichnete Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10. April 2010 nicht sachgerecht sei. Gegensätzlich hätten das Landgericht
Karlsruhe mit Beschluss vom 26. Februar 2013 zum Az.: 3 Qs 6/13, das Landgericht Oldenburg, JurBüro 2013, 135, sowie das Landgericht Trier in RVGreport 2016, 385 entschieden.
In einer weiteren Stellungnahme vom 11. Mai 2017 (BI. 308 f. d.A.) führt der Bezirksrevisor aus, dass die geltend gemachten Gebühren und Auslagen für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht als notwendig angesehen werden könnten. Die Staatsanwaltschaft Koblenz habe ihre
Rechtsbeschwerde vor deren Begründung zurückgenommen. In derartigen Fällen sei anerkannt, dass keine erstattungsfähige Gebühr für das Rechtsmittelverfahren anfalle, weil allein aufgrund der Rechtsmitteleinlegung der Staatsanwaltschaft für eine zweckentsprechende, d. h. sinnvolle und sachgerechte, das Rechtsmittelverfahren in irgendeiner Weise fördernde Tätigkeit eines
Rechtsanwalts in der Regel kein Raum sei, und weil erst mit Kenntnis der Rechtsmittelbegründung der Rechtsanwalt und sein Mandant erkennen könnten, in welchem Umfang und wie im Einzelnen das vorangegangene Urteil angefochten werde. Erst in Kenntnis dieser Umstände sei eine sachund zielgerichtete Verteidigungsstrategie gegen das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft möglich.
In einer an das Amtsgericht Linz gerichteten E-Mail vom 19. Juni 2017 (BI. 312 ff. d.A.) führteder
Verfahrensbevollmächtigte im Wesentlichen aus, dass die vom Bezirksrevisor zitierte
Rechtsauffassung „bundesweit von der landgerichtlichen Rechtsprechung als nicht systemkonform und praxisfremd zurückgewiesen werde". Sodann erfolgten Ausführungen zu den angefallenen Gebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren. Schließlich wurden Ausführungen zu den angesetzten Höchstgebühren gemacht. Es habe sich um eine Sache von einem besonders großen Umfang gehandelt und hätten sich in jeder einzelnen Verfahrensphase stets sowohl tatsächlich und vor allem auch rechtlich als besonders schwierig anzusehende Prüfungs- und Tätigkeitsaufgaben für die Verteidigung ergeben.

Entsprechendes teilte der Verfahrensbevollmächtigte in einem Schriftsatz vom 20. Juni 2017 (BI. 317 ff. d.A.) nochmals mit.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Juni 2017 (BI. 322 ff.d.A.) setzte das Amtsgericht Linz am Rhein die der Verfallsbeteiligten aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen sodann auf 2.096,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 13. Februar 2017 fest und wies den Kostenfestsetzungsantrag vom 2. Mai 2017 zurück.

Zur Begründung der Entscheidung ist ausgeführt, dass das Gericht die Gebühren Nr. 5100, 5103, 5109 und 5112 VV RVG grundsätzlich für angefallen halte. Der Ansatz der Gebühren nach Nr. 5112 VV RVG deutlich oberhalb der Mittelgebühr sei unbillig. Die Verhandlungen hätten nur jeweils fünf bis zehn Minuten angedauert, was deutlich unterdurchschnittlich sei.

Das Gericht halte daher Gebühren in Höhe von jeweils 200,00 Euro für angemessen. Im Übrigen werde aufgrund der rechtlichen Schwierigkeit des Verfahrens sowie des erhöhten Aktenumfangs bezüglich der Gebühren 5100, 5103 und 5109 VV RVG bei Ansatz der Höchstgebühren zumindest keine unbillige Überschreitung der angemessenen Gebühren gesehen. Diese seien deshalb antragsgemäß festgesetzt worden, wie auch die geltend gemachte Gebühr nach 5116 VV RVG und die Auslagen. Von der mit Antrag vom 2. Mai 2017 beantragten Festsetzung der Vergütung für das Rechtsbeschwerdeverfahren habe das Gericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Landgerichts Koblenz abgesehen.

Die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den Bezirksrevisor und an den Verfahrensbevollmächtigten erfolgte jeweils am 4. Juli 2017 (BI. 399, 340 d.A.).

Gegen diesen Beschluss legte der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz mit Verfügung vom 5. Juli 2017 (BI. 326 ff. d.A.) sofortige Beschwerde ein.

Zur Begründung verwies er auf die bereits erfolgten Stellungnahmen vom 20. April 2017 und vom 11. Mai 2017. Die Auffassungen des Landgerichts Trier überzeugten nicht. Eine Regelungslücke sei nicht erkennbar.

Zudem ist — teilweise hilfsweise - ausgeführt:

„Im Übrigen zu den festgesetzten Gebühren:

Die festgesetzte Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG sowie die Gebühr Nr. 5116 VV RVG werden dem Grunde nach nicht beanstandet.

Die Gebühren nach Nr. 5101 - 5112 VV RVG richten sich nach der Höhe der Geldbuße; bei entsprechender Anwendung der Vorbm. 5.1 Abs. 2 Satz 2 VV RVG wäre der mittlere Betrag der angedrohten Geldbuße zu Grunde zu legen.

Für die Verfahrensgebühren Nr. 5103 und 5109 VV RVG wurden mit Höchstgebühren bemessen. Höchstgebühren sind jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen angemessen. In Strafsachen z. B. bei Großverfahren mit meist ganztägiger Hauptverhandlungsdauer, spezifischer Rechtsmaterie, hoher Strafandrohung, Kapitaldelikte o.ä.. Eine für Verfahren nach dem OWiG entsprechende Fallgestaltung liegt nicht vor. M.E. wäre der Ansatz von Mittelgebühren ausreichend gewesen.

Die Terminsgebühr nach Nr. 5112 VV RVG fällt nur an bei einer Verfahrensgebühr nach Nr. 5111 VV RVG; nicht jedoch bei der geltend gemachten Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG. Hier wären Terminsgebühren nach Nr. 5110 VV RVG festzusetzen.

Nach überwiegender Rechtsprechung ist die Sitzungsdauer das wesentliche Kriterium für die Bemessung der Terminsgebühr, da diese Gebühr für die. „Teilnahme" an gerichtlichen Terminen entsteht (Vorbem. 5 Abs. 3 Satz 1 VV RVG).

Die Hauptverhandlungen vom 15.04.16 und 07.02.17 dauerten 5 Minuten bzw. 10 Minuten; bis zu 30 Minuten werden als durchschnittlich erachtet. Daher wären die Terminsgebühren weit unter der Mittelgebühr (200 €) zu veranschlagen. Als angemessen hielte ich 70 € und 140 €.

Zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen gehören gemäß § 464a II Nr. 2 StPO auch die nach § 91 Il ZPO zu berücksichtigenden Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Eine Erstattung von Reisekosten und Abwesenheitsgeldern eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Verteidigers kommt danach nur dann in Betracht, wenn seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Nach § 91, II 1 ZPO kommt die Erstattung der Mehrkosten eines auswärtigen Anwalts nur in Ausnahmefällen in Betracht. An die Notwendigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Z.B. ist anerkannt, dass die Zuziehung eines auswärtigen Verteidigers als notwendig anzuerkennen ist, wenn die Rechtsverfolgung solche Schwierigkeiten in sich birgt, dass der Angeklagte durch einen besonders vertrauten auswärtigen Anwalt verteidigt werden muss, weil ein Rechtsanwalt mit vergleichbarem Spezialwissen am Gerichtssitz nicht vorhanden ist.

Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht; die Verteidigung hätte ohne weiteres auch von einem Anwalt im Gerichtsbezirk durchgeführt werden können.

Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 HS 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. War -wie vorliegend- die Zuziehung nicht notwendig, kommt auch eine Erstattung von Reisekosten nicht in Betracht (vgl. OLG Celle B. v. 22.06.15-2 W 150/15- JurBüro 2016, 146; OLG Koblenz B. v. 05.08.2010 -14 W 430/10- JurBüro 2010, 600).

Hilfsweise stelle ich den Antrag allenfalls folgende Vergütung
1 Grundgebühr Nr. 5100 VV-RVG 170,00 €
2 Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 160,00 €
3 Postpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
4 Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 160,00 €
5 Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG (15.04.16 - 0:05 Std.) 70,00 €
6 Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG (07.02.17 - 0:10 Std.) 140,00 €
7 Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG aus 6.809,83 € 405,00 €
8 Postpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
9 Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG (100 Kopien) 32,50 €
Zwischensumme 1.177,50 €
10 19 0/0 MWSt. 223,73 €
Endsumme 1.401 G"

Auch der Verfahrensbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 6. Juli 2017, eingegangen beim Amtsgericht Linz am Rhein am 7. Juli 2017 (BI. 341 ff. d.A.), sofortige Beschwerde ein und beantragte den Kostenfestsetzungsanträgen vom 10. Februar 2017 und 2. Mai 2017 jeweils abzugsfrei zu entsprechen.

Mit Verfügung vom 10. Juli 2017 hat das Amtsgericht Linz am Rhein die Akten dem Landgericht Koblenz zur Entscheidung über die beiden sofortigen Beschwerden vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren wurde dem Verfahrensbevollmächtigten und dem Bezirksrevisor jeweils die Beschwerdebegründungen zur Kenntnisnahme mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt, worauf hin der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 21. August 2017, BI. 359 ff. d.A., seine Auffassung nochmals bekräftigte.

Il.
Die nach den 46 Abs. 1 OWiG, 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO grundsätzlich statthaften sofortigen Beschwerden sind zulässig.

Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz führt zur Aufhebung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Koblenz vom 30. Juni 2017 und zu der im Tenor bezeichneten Kostenfestsetzung.

Die sofortige Beschwerde der Verfallsbeteiligten ist unbegründet.

Die Verfallsbeteiligte hat ausgehend von dem Gegenstandswert von 6.809,83 € Anspruch auf Festsetzung der Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG in Höhe von 405,- €.

Daneben ist die Gebühr Nr. 7002 VV RVG (Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen) in Höhe von jeweils 20,- € für das Verwaltungsverfahren und für das gerichtliche Verfahren, die Gebühr Nr. 7000 VV RVG für 100 Kopien in Höhe von 32,50 €, sowie die auf den Gesamtbetrag von 477,50 € anfallende Umsatzsteuer in Höhe von 19% (90,73 €) angefallen.

Ein über die Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG hinausgehender Gebührenanspruch besteht im hier vorliegenden selbständigen Verfallverfahren nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. April 2012, 1 AR 70/11).

Zwar ist es zutreffend, dass in der Vorbemerkung 5 Abs. 1 zum VV RVG bestimmt ist, dass für die Tätigkeit als Vertreter eines Nebenbeteiligten in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil (Bußgeldsachen) bestimmen, die gleichen Gebühren entstehen wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren.

Auch ist zutreffend, dass der Unterabschnitt 5. des VV RVG, der die Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG beinhaltet, mit „Zusätzliche Gebühren" bezeichnet ist, was vom Wortlaut darauf schließen lassen könnte, dass zuvor noch andere Gebühren angefallen sein müssten.

Dies hat jedoch im vorliegenden Falle nicht zur Folge, dass die geltend gemachte Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG, die Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 W-R.VG für das verwaltungsbehördliche Verfahren und für das gerichtliche Verfahren die Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG sowie die Termingebühren nach Nr. 5112 VV RVG angefallen wären.

Ausgehend vom Wortlaut der Vorbemerkung 5 Abs. 1 zum VV RVG ist zunächst zu prüfen, welche Gebühren für einen Verteidiger angefallen wären, der sich gegen eine, gegen den Betroffenen auch gerichtete Verfallentscheidung gewendet hätte.

Für den Verteidiger wäre in Bezug auf die Verfallanordnung die Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG angefallen.

Wenn zugleich ein Bußgeldbescheid erlassen worden wäre, wäre die Gebühr nach Nr. 5116 WRVG für den Verteidiger insoweit „zusätzlich" zu den hinsichtlich des Bußgeldbescheides möglicherweise angefallen weiteren Gebühren nach Nr. 5100-5112 VV RVG entstanden.

Im vorliegenden Falle fehlt es jedoch am zusätzlichen Erlass eines Bußgeldbescheides; so dass diesbezüglich auch keinerlei anwaltliche Tätigkeit entfaltet werden musste.

Gegen einen - mit den Wortlaut der Vorbemerkung 5 Abs. 1 zum VV RVG begründeten - Anfall der Gebühren nach den Nr. 5100 — 5112 VV RVG im selbständigen Verfallverfahren spricht bereits, dass der Vertreter eines Verfallsbeteiligten hierdurch besser gestellt würde, als der Verteidiger eines Betroffenen, der sich sowohl gegen einen Bußgeldbescheid als auch gegen eine zugleich getroffene Verfallentscheidung wendet.

Denn dem Verteidiger stünden hinsichtlich des Bußgeldbescheides die Gebührentatbestände nach Nr. 5100 W-RV, den Nr. 5101-5106 VV RVG für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und die Gebührentatbestände nach den Nr. 5107 — 5112 VV RVG für das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug grundsätzlich und dabei hinsichtlich der Nr. 5101 — 5112 VV RVG jeweils abhängig von der Bußgeldhöhe im Bußgeldbescheid zu. Daneben könnte der Verteidiger die dann für ihn zusätzliche (daher auch die Bezeichnung des Unterabschnittes 5. zum VV RVG) Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG hinsichtlich der Einziehungs- bzw. Verfallentscheidung geltend machen.

Der Verteidiger müsste mithin sowohl in Bezug auf den Bußgeldbescheid als auch in Bezug auf die Verfallsentscheidung tätig geworden sein, um die vorgenannten Gebührentatbestände zu erfüllen.

Würde man dem Vertreter des Verfallsbeteiligten, der sich ausschließlich gegen die Verfallentscheidung wendet, die Gebühren nach den Nr. 5100 — 5112 VV RVG ebenfalls zubilligen, würde er die gleichen Gebühren erhalten, wie der Verteidiger, der sich sowohl gegen den Bußgeldbescheid als auch die Einziehungsentscheidung gewandt hat, und der mithin eine weitaus umfangreichere Tätigkeit entfaltet hat, als der Vertreter des Verfallsbeteiligten.

Dies ist nicht sachgerecht und in dieser Form sicher nicht gesetzgeberische Intention der oben genannten Formulierung in der Vorbemerkung 5 Abs. 1 zum VV RVG gewesen.

Für den Nichtanfall weiterer Gebühren neben Nr. 5116 VV RVG im selbständigen Verfallverfahren spricht zudem, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten geltend gemachten Gebühren nach den Nr. 5103, 5109 und 5112 VV RVG jeweils zwingend abhängig von der Höhe des im Verfahren verhängten Bußgeldes sind bzw. durch die Höhe des Bußgeldes überhaupt erst bestimmt werden.

Da es sich vorliegend allerdings nicht um ein Bußgeldverfahren, sondern um ein selbständiges Verfallverfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG in der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung handelte, besteht die Besonderheit, dass es an der Existenz eines Bußgeldbescheides fehlt.

Mithin fehlt es auch schon an der Möglichkeit, anhand der Höhe des verhängten Bußgeldes zu bestimmen, welche der Verfahrensgebühr nach Nr. 5101, 5103 oder 5105 VV RVG überhaupt angefallen ist.

An dieser Bewertung vermag auch die Regelung in der Vorbemerkung 5.1 Abs. 2 Satz 2 zum WRVG nichts zu ändem. Diese greift bereits ihrem Wortlaut nach nicht ein, was insbesondere die Entscheidung des Landgerichts Trier vom 8. August 2016 zum Aktenzeichen 1 Qs 32/16 verkennt.

Die Vorbemerkung 5.1 Abs. 2 zum VV RVG bestimmt allein, dass dann, wenn die Höhe der Gebühren von der Höhe der Geldbuße abhängt, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße maßgebend ist. Ist eine Geldbuße nicht festgesetzt, richtet sich die Höhe der Gebühren im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nach dem mittleren Betrag der in der Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße.

Die Regelung für den Fall einer (noch) nicht festgesetzten Geldbuße betrifft damit ausdrücklich nur das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, nicht aber das hier durchgeführte gerichtliche Verfahren.

Im Ergebnis kann damit im vorliegenden Falle bereits nicht bestimmt werden, welcher konkrete Gebührentatbestand aus den Nr. 5101 — 5112 VV RVG überhaupt verwirklicht ist.

Für eine analoge Anwendung der Vorbemerkung 5.1 Abs. 2 Satz 2 zum VV RVG auch auf das gerichtliche Verfahren fehlt es an den Voraussetzungen. Denn hierzu bedürfte es zunächst einer unbewussten Regelungslücke, die die Kammer aufgrund des vorliegend sicher eingreifenden Gebührentatbestandes von Nr. 5116 VV RVG nicht zu erkennen vermag.

Es verbleibt damit beim Anfall der Gebühr nach Nr. 5116 VV RVG, die nur einmal für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und für das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug entsteht.

Hinsichtlich der Absetzung der geltend gemachten Reisekosten und Abwesenheitsgelder wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2017, die die Kammer sich zu eigen macht, Bezug genommen.

Die beantragte Vergütung für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach Nr. 5113, 7002 und 5116 WRVG war ebenfalls nicht gegen die Staatskasse festzusetzen.

Zwar ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV RVG RVG nach Einlegung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels durch die beratende Tätigkeit des Verteidigers, die er hier zur Begründung seines Vergütungsanspruchs anführt, entstanden und auch die
Gebührentatbestände der Nr. 7002 und 5116 VV RVG dürfen erfüllt sein.

Dies besagt jedoch noch nichts über ihre Erstattungsfähigkeit (vgl. KG, Beschluss vom 19. Mai 2012 - 1 Ws 168/10).

Erstattungsfähig sind diese Gebühren nur, wenn die erbrachte Tätigkeit auch notwendig war.

Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht notwendig, wenn die Staatsanwaltschaft ihr zu Ungunsten des Verfallbeteiligten eingelegtes Rechtsmittel noch vor dessen Begründung wieder zurücknimmt.

Im Rechtsbeschwerdeverfahren sind vor dem Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung alle Erörterungen mit dem Mandanten sowie etwaige sonstige Tätigkeiten des Rechtsanwalts überflüssig und für die Wahrung der Interessen des Beteiligten ohne jeden objektiven Wert. Denn Umfang und Zielrichtung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels sind in der Regel erst aus dessen Begründung zu ersehen. Erst mit Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung wird der Rechtsanwalt in die Lage versetzt, sich mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil auseinanderzusetzen, den Mandanten sachgerecht zu beraten und das weitere Verfahren durch eigene Anträge und Gegenerklärungen zu beeinflussen.

Das wird er ohne nennenswerten Zeitaufwand auch dem Mandanten begreiflich machen können, dem es trotz eines verständlichen Beratungsinteresses zuzumuten ist, die Rechtsmittelbegründung abzuwarten. Sein rechtsstaatlich anzuerkennendes Bedürfnis nach Gegenwehr wird dadurch nicht beeinträchtigt (vgl. KG, Beschluss vom 19. Mai 2012 - 1 Ws 168/10; LG Koblenz, Beschluss vom 04. Oktober 2006, Az.: 1 Qs 245/06; OLG Koblenz NStZ 2007, 423, 424 m.w.N.; LG Koblenz, Beschluss vom 27. August 2008, Az.: 9 Qs 50/08; LG Koblenz, Beschluss vom 22. November 2011, Az.: 9 Qs 145/1 1).

Dass hier ausnahmsweise schon mit der Einlegung der staatsanwaltschaftlichen Rechtsbeschwerde anwaltliches Handeln notwendig gewesen wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Mithin war der sofortigen Beschwerde der Verfallsbeteiligten der Erfolg zu versagen, der amtsgerichtliche Kostenfestsetzungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors aufzuheben und die notwendigen Auslagen wie dargelegt und tenoriert festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA Kupzog, Köln

Anmerkung:


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