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Entscheidungen

Zivilrecht

Ablehnung, Sachverständiger, Vorgutachten, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 05.02.2018 - 9 W 4/18

Leitsatz: 1. Die zweiwöchige Frist für einen Ablehnungsantrag gegen einen Sachverständigen beginnt bereits, wenn die Ernennung auch nur formlos mitgeteilt wurde.
2. Der Sachverständige überschreitet nicht seinen Gutachterauftrag, wenn er den Hergang eines Verkehrsunfalls aufklären soll und zu diesem Zweck auch überprüft, ob die geltend gemachten Schäden der Fahrzeuge zueinander kompatibel sind.
3. Selbst wenn ein Sachverständiger seinen Gutachterauftrag überschreitet, vermag allein dieser Umstand nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sondern es muss hinzutreten, dass er aus Sicht einer Partei damit den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt.


9 W 4/18
OLG Köln
In pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln am 5.02.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 13.12.2017 — 24 0 147/17 — in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.01.2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.250,00 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt Gewährung von Versicherungsschutz durch die Beklagte für die durch einen Verkehrsunfall vom 7.10.2013 in Köln verursachten Schäden an seinem versicherten PKW, Marke Daimler Benz, amtliches Kennzeichen ppp.. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet er sich gegen den Beschluss des Landgerichts Köln - 24 0 147/17 - vom 13.12.2017, mit dem sein Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dipl. Ing. ppp. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde.

Dem vorliegenden Verfahren ging ein Rechtsstreit des Klägers 27 O 562/13 vor dem Landgericht Köln voraus, in welchem der Sachverständige Dipl.-Ing. pp. ein Gutachten zum Unfallhergang erstellte. Das Landgericht Köln ordnete mit Verfügung vom 20.10.2017, dem Kläger am 3.11.2017 zugestellt, die Erhebung des Beweises an über die Frage der Kompatibilität der Schäden betreffend den streitgegenständlichen Unfall durch Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. aus dem Verfahren Landgericht Köln 27 0 562/13 sowie durch dessen Anhörung vor der Kammer an. Mit Beschluss vom 27.11.2017 ordnete das Landgericht die Verwertung dieses Gutachtens gem. § 41la ZPO an.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2017 hat der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13.12.2017, dem Kläger am 8.01.2018 zugestellt, das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde vom 08.01.2018 hat es gemäß Beschluss vom 15.01.2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. I , 406 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere nach § 569 Abs. 1 u. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. ist bereits unzulässig, § 406 Abs. 2 ZPO.

Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat der Kläger mit seinem Ablehnungsgesuch vom 1 1.12.2017 nicht gewahrt. Denn die Frist läuft auch, wenn die Ernennung nur formlos mitgeteilt wurde, diese Mitteilung aber der Partei zugegangen ist (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, 2018, S 406 ZPO, Rn. 11). Danach begann die Frist bereits durch die Verfügung des Landgerichts vom 20.10.2017 zu laufen, die den Klägervertretern am 3.11.2017 zugestellt worden ist. In dieser Verfügung hat das Landgericht angeordnet, dass Beweis erhoben werden soll durch Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. aus dem Verfahren
Landgericht Köln 27 0 562/13 sowie durch dessen Anhörung vor der Kammer. Damit musste dem Kläger offenbar werden, dass derselbe Sachverständige wie in dem Verfahren Landgericht Köln 27 0 562/13 bestellt worden war. Sein Ablehnungsgesuch hätte folglich spätestens am 17.11.2017 beim Landgericht eingehen müssen.

Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2. Satz 2 ZPO). Die Vorbefassung des Sachverständigen ist dem Kläger nämlich hinreichend bekannt, da er auf das Gutachten aus dem Verfahren Landgericht Köln 27 0 562/13 in der Klageschrift vom 17.05.2017 vertieft eingegangen ist (BI. 26 ff. d. A.).

Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist im Übrigen auch unbegründet. Eine Ablehnung des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. wegen Befangenheit ist nicht gerechtfertigt.
Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gemäß §§ 406 Abs. I Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Erforderlich sind objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, NJW-RR 2003, 1220, 1221).

Soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch darauf stützt, die Feststellungen des Sachverständigen aus dem Verfahren Landgericht Köln 27 0 562/13 seien sachlich falsch, kann er damit nicht durchdringen. Der Kläger vertritt die Ansicht, ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen pp zu rechtfertigen, liege bereits darin, dass dieser der Auffassung ist, es bleibe „aus dem technischen Blickwinkel heraus betrachtet offen", ob „es überhaupt zu einer Kollision zwischen den Fahrzeugen gekommen" sei.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung keine Umstände, die aus Sicht des Klägers Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen begründen können. Dass der Sachverständige, entgegen der Ansicht des Klägers, die Auffassung vertritt, eine Kollision sei zumindest zweifelhaft, mag als Unzulänglichkeit des Gutachtens angesehen werden. Lücken und Unzulänglichkeiten rechtfertigen jedoch für sich allein nicht die Ablehnung
eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - X ZR 178/01, FF 2003, Sonderheft 1, 101; BGH, Beschluss vom 15, März 2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, 1870). Inwieweit die Feststellungen des Sachverständigen auch im vorliegenden Verfahren verwertet werden können und inwieweit sie belastbar sind, unterliegt einzig der Wertung des Tatrichters, insbesondere durch Anhörung des Sachverständigen. Ein durch den Kläger vorher gestelltes Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit des Sachverständigen, weil der Kläger das Ergebnis des Gutachtens für unzutreffend hält, kann allein aus diesem Grund nicht erfolgreich sein, da die Befangenheitsregelungen in der
Zivilprozessordnung nicht dazu normiert sind, behauptete Fehler eines Sachverständigengutachtens zu kontrollieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Landgericht bei begründeter Kritik am Sachverständigengutachten gehalten sein kann, ein weiteres Gutachten nach § 412 ZPO einzuholen (Greger in: Zöller, a.a.O. S 406 ZPO, Rn. 16).

Soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch damit begründet, der Sachverständige Dipl.-Ing. pp. sei im Vorprozess über den ihm vom Gericht gestellten Gutachtenauftrag hinaus gegangen, indem er sich mit der Frage der Kompatibilität der beiderseitigen Schäden befasst hat, vermag auch dies keine Befangenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Das Landgericht hat im Vorprozess dem Sachverständigen den Auftrag erteilt, über folgende Frage Beweis zu erheben: „Wie war der Hergang des Verkehrsunfalls vom 07.10.2013 in Köln auf der BAB 4, km 78, 60, Fahrtrichtung Heeren, AK Gremberg auf der„ Verteilerfahrbahn"?

Zur Analyse des Unfallhergangs gehört dabei nicht nur, das Zustandekommen des Unfalls zu begutachten, sondern auch zu untersuchen, inwieweit die von einer Partei behaupteten Schäden überhaupt zu dem konkreten Unfallereignis passen. Der Sachverständige geht dabei nicht über seinen Gutachterauftrag hinaus, wenn er feststellt, dass die Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen nicht kompatibel sind, denn diese Feststellung ermöglicht es ihm, den Unfallverlauf nachzuvollziehen. Zwischen den Parteien des Vorprozesses war streitig, ob das Zustandekommen des Auffahrunfalls auf einem Fahrspurwechsel des Klägers beruhte. Der Senat vermag nicht zu erkennen, weshalb der Sachverständige über seinen Gutachtenauftrag hinausgegangen sein soll, wenn er die Kompatibilität der Schäden der beiden Fahrzeuge miteinander vergleicht. Denn es scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass es ihm so gelingen kann, festzustellen, ob der Unfall tatsächlich auf einem Fahrspurwechsel beruht und aus welchem Winkel heraus es zu einem Anstoß der beiden Fahrzeuge gekommen ist. Dass der Kläger mit dem - für ihn nachteiligen Ergebnis des Sachverständigen nicht einverstanden ist und es für falsch hält, ändert nichts daran, dass der Sachverständige sich noch im Rahmen seines Gutachterauftrags gehalten hat.

Selbst wenn man annimmt, der Sachverständige habe seinen Gutachterauftrag überschritten, so vermag allein dieser Umstand nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen zu begründen. Es reicht für eine Befangenheit nicht aus, wenn der Sachverständige aus einer irrtümlich fehlerhaften Auslegung des Beweisbeschlusses oder aus besonderem Interesse am Beweisthema parteineutral Feststellungen trifft, die über den eigentlichen Gutachtenauftrag hinausgehen.

Erforderlich ist vielmehr, dass sich darüber hinaus dem Verhalten des Sachverständigen Belastungstendenzen entnehmen lassen, die aus der Sicht einer Partei - hier der des Klägers - bei vernünftiger Betrachtung den Eindruck der Voreingenommenheit des Sachverständigen zu erwecken vermögen. Anhaltspunkte für eine solche Voreingenommenheit des Sachverständigen Dipl.-Ing. ppp. lassen sich dem Gutachten nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus S 97 Abs. I ZPO

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert der Hauptsache (Herget in Zöller, ZPO, a.a.O., S 3 Rn. 16 „Ablehnung" mwN.).


Einsender: RA M. Nugel, Essen

Anmerkung:


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