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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Fußballspiel, Versammlung, unter freiem Himmel, Stadion, Vermummungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2017 - 4 RVs 158/17

Leitsatz: Zur Frage, wann ein Fußballspiel eine Veranstaltung unter freiem Himmel ist.


In pp.
Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Tagessatzhöhe der Geldstrafe mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Münster hat den Angeklagten am 31. Mai 2017 wegen Teilnahme an einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45,00 Euro verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts vermummte sich der Angeklagte am31. Juli 2016 im Stadion des Vereins Q N bei dem Spiel des Vereins gegen den VfL P gegen 13:58 Uhr, indem er sich eine schwarze Kapuze über den Kopf zog und einen schwarzen Schal über Mund und Nase zog, so dass nur noch seine Augenpartie erkennbar war. Zudem trug er eine Schirmmütze, die die Stirnpartie verdeckte. Dies tat er, um die Feststellung seiner Identität zu verhindern. Das Amtsgericht stellte zudem fest, dass der Angeklagte wusste, dass eine derartige Aufmachung im Fußballstadion nicht erlaubt ist.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom6. Juni 2017 Berufung eingelegt. Nach Zustellung der Urteilsgründe am 27. Juni 2017 hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Juli 2017, beim Amtsgericht eingegangen am 27. Juli 2017, das Rechtsmittel als „Revision“ bezeichnet, und diese begründet. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig. Unschädlich ist, dass der Angeklagte das eingelegte Rechtsmittel zunächst als Berufung bezeichnet hat. Denn der Beschwerdeführer kann innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erklären, dass er von der ursprünglich gewählten Berufung zur Revision übergeht (BGHSt 40, 395). Diese Erklärung hat der Angeklagte noch vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und damit fristgerecht vorgenommen.

III.

Die Revision hat - zumindest vorläufig – in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Umfang der Aufhebung war die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Münster zurückzuverweisen.

Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 17 a Abs. 2 Nr. 1, 27 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG.

a) Es bestehen keine Zweifel, dass das Versammlungsgesetz des Bundes vorliegend Anwendung findet. Denn das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat bislang von der ihm insoweit zustehenden Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht mit der Folge, dass das Versammlungsgesetz als Bundesrecht fort gilt, Art. 125 a Abs. 1 GG.

b) Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 23.09.2013, 2 OLG 21 Ss 693/13; OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2011, 257; Senatsbeschluss v. 07.09.2017 Az.: 4 RVs 97/17) handelt es sich bei einem Fußballspiel um eine „Veranstaltung unter freiem Himmel“ im Sinne von § 27 Abs. 2 VersammlG. Sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel sind grundsätzlich alle jedermann zugänglichen Veranstaltungen gleich zu welchem Zweck (Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Mai 2017, § 17a Rn. 1; Kretschmer, NStZ 2015, 504). Unschädlich ist insoweit, dass das Stadion des Vereins Q N umfriedet und jedenfalls teilweise überdacht ist. Für die Annahme, dass auch Fußballspiele vom Schutzbereich der Norm umfasst werden sollen, spricht bereits maßgeblich der Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit der Einführung der Strafvorschrift des § 27 Abs. 2 VersammlG wollte der Gesetzgeber auf „Erfahrungen bei großen Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen“ (BT-Drs. 11/2834, S. 11) reagieren. Bezweckt ist insbesondere eine Eindämmung der sog. Fangewalt, wie sie auch im Zusammenhang mit Fußballspielen der Bundesliga und Länderspielen zu beobachten ist (Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, 1. Aufl., § 17a Rn. 11; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl., § 17a Rn. 8; Ott/Wächter/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, 7. Aufl., § 17a Rn. 48f.).

c) Bei dem von dem Angeklagten besuchten Fußballspiel handelt es sich auch um eine öffentliche Veranstaltung. Unschädlich ist insoweit, dass er eine Eintrittskarte benötigte, um das Stadion betreten zu können. Ein Fußballspiel ist grundsätzlich für jedermann zugänglich. Jeder kann eine Eintrittskarte erwerben und der Veranstaltung beiwohnen. Im Vorfeld ist für den jeweiligen Veranstalter nicht absehbar, wer im Besitz einer solchen Eintrittskarte ist und an der Veranstaltung teilnehmen wird. Ebenso ist unerheblich, dass vor dem Einlass in das Stadion Kontrollen erfolgen. Denn diese werden in erster Linie durchgeführt, um die Sicherheit des Fußballspiels zu gewährleisten, nicht aber, um lediglich einem von Beginn an bestimmbaren und begrenzten Personenkreis den Zutritt zu ermöglichen.

d) Die Überprüfung der Beweiswürdigung zeigt ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt insbesondere für den Einwand, das Amtsgericht habe die Dauer der Vermummung fehlerhaft unter Verweis auf die Lichtbilder in der Akte gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO herangezogen. Zwar hat das Amtsgericht die Dauer der Vermummung, welche über die Rauchentwicklung aufgrund der gezündeten Pyrotechnik hinaus erfolgte, zur Begründung des Vorsatzes herangezogen. Diese Feststellung hat das Amtsgericht jedoch nicht allein auf die Lichtbilder, aus denen allein die Dauer der Vermummung nicht hervorgeht, gestützt, sondern vor allem auf die Einlassung des Angeklagten zum äußeren Tatgeschehen sowie das in Augenschein genommene Video.

e) Die Strafzumessungserwägungen lassen – die Bestimmung der Tagessatzhöhe ausgenommen (vgl. III. 4.) - Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.

Zwar hat das Amtsgericht bei der Darstellung der Vorstrafen die Daten der Verurteilungen und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft angegeben, nicht hingegen die Tatdaten. Die angegebenen Daten versetzen den Senat gleichwohl in die Lage, die Verwertbarkeit der Vorstrafen zu überprüfen. Der vom Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten verwertete Umstand, dass die Vorstrafen in Zusammenhang mit dem Besuch von Fußballspielen stehen, beruht auf den Angaben des Angeklagten. Zusätzliche Feststellungen zu den näheren Umständen der zugrunde liegenden Taten waren nicht erforderlich.

2. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge, mit welcher ein Verstoß gegen § 140 StPO geltend gemacht wird, ist unbegründet.

Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach dem Katalog des § 140 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Ein solcher ergibt sich auch weder aus der Schwere der Tat noch wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, § 140 Abs. 2 StPO.

Die Schwere der Tat beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolge. Dabei rechtfertigt nicht bereits jede Freiheitsstrafe, wohl aber eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel die Beiordnung eines Verteidigers (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 140 Rn. 23 mwN). Unter Berücksichtigung des Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe sowie der konkreten Tatumstände ist ein Fall der notwendigen Verteidigung unter der Voraussetzung der Schwere der Tat hier nicht anzunehmen.

Auch rechtfertigt die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage keine Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Hierzu wird zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen unter III. 1. b) und c). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Rechtslage in anderen Bundesländer von der hiesigen unterscheidet. Denn die Rechtslage innerhalb des Bundeslandes NRW ist eindeutig, so dass entgegen der Annahme des Angeklagten nicht erst bei Anklageerhebung, sondern bereits zum Tatzeitpunkt keine Zweifel an der Anwendbarkeit des Rechts bestanden.

Weitere Umstände, welche die notwendige Verteidigung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Letztlich hat auch die in zulässiger Form erhobene Rüge hinsichtlich der Ablehnung der gestellten Beweisanträge keinen Erfolg. Diese Rüge stellt sich, da von dem Angeklagten Beweisanträge gestellt worden sind und das Amtsgericht über diese entschieden hat, als Rüge hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 3 bis 6 StPO dar.

Die Ablehnung der Beweisanträge begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Zunächst ist es unschädlich, dass das Amtsgericht über die von dem Angeklagten gestellten Beweisanträge (Anlage 3 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 31. Mai 2017) in einem einheitlichen Beschluss entschieden hat. Die StPO sieht vor, dass die Ablehnung eines Beweisantrags eines Gerichtsbeschlusses bedarf, § 244 Abs. 6 StPO. Dieser ist mit Gründen zu versehen, wobei bei mehreren Anträgen die Ablehnungsgründe für jeden Antrag dargelegt werden müssen (Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 244 Rn. 42 mwN). Dies kann jedoch in einem Beschluss erfolgen.

Die Behandlung der Beweisanträge wird den Anforderungen gerecht, die an eine Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 244 Abs. 3 S. 2 StPO zu stellen sind. Denn das Amtsgericht hat in der Begründung des ablehnenden Beschlusses hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sowohl der tatsächlichen Ausgestaltung des Stadions als auch den einzelnen Umständen hinsichtlich der Einschränkung des Zugangs zum Stadion für die Frage, ob es sich bei dem Fußballspiel im Stadion des Vereins Q N um eine sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel im Sinne der §§ 17 a, 27 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG handelt, keine rechtliche Bedeutung zumisst.

4. Das Urteil leidet jedoch hinsichtlich der Bemessung der Tagessatzhöhe an einem Mangel. Die Höhe des Tagessatzes wird nach Maßgabe des § 40 Abs. 2 StGB, ggf. unter Anwendung des § 40 Abs. 3 StGB bestimmt (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 40 Rn. 4). Danach richtet sich die Höhe eines Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend sind (BGHSt 28, 362). Das Urteil enthält hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten lediglich die Feststellung, dass dieser ledig, von Beruf Papiermacher ist und in P lebt. Auf der Grundlage nur dieser Feststellungen vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Bestimmung der Tagessatzhöhe, welche das Amtsgericht aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse mit 45,00 EUR bemessen hat, den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Dementsprechend war das Urteil lediglich hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes der verhängten Geldstrafe mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache insofern zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Münster zurückzuverweisen, welches auch über die Kosten der Revision zu befinden hat. Einer Aufhebung hinsichtlich der Anzahl der Tagessätze bedurfte es hingegen nicht, da es sich insofern um grundsätzlich getrennte Entscheidungen handelt (BGHSt 34, 92).


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