Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 03.05.2018 - 25 Qs 35/18
Leitsatz: Allein die Befürchtung der Angeklagte werde zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen, berechtigt nicht zur Anordnung der Vorführung gemäß § 230 Abs. 2 StPO.
Landgericht Magdeburg
5. Große Strafkammer
Beschluss
25 Qs 130 Js 2949/17 (35/18)
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 03. Mai 2018 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Betroffenen vom 5. April 2018 wird festgestellt, dass die Anordnung von dessen Vorführung zum Hauptverhandlungstermin am 5. April 2018 durch das Amtsgericht Aschersleben, Aktenzeichen: 2 Ds 130 Js 2949/17, rechtswidrig gewesen ist.
Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen für das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe:
Dem Beschwerdeführer wurde mit der zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Magdeburg vom 30. März 2017, Aktenzeichen: 130 Js 2949/17, zur Last gelegt, am 22. und 24. Oktober 2016 in Staßfurt und anderenorts, durch 4 Straftaten, jeweils ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt zu haben, obwohl er nicht im Besitz der dazu erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen sei.
Mit Verfügung vom 22. November 2017 beraumte das Amtsgericht einen Hauptverhandlungstermin zum 13. Dezember 2017 an. Gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom 22. November 2017 war der auf freiem Fuß befindliche Beschwerdeführer gegen Zustellungsurkunde zu laden.
Noch am selben Tage ordnete das Amtsgericht auch die polizeiliche Vorführung des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin am 13. Dezember 2017 an.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 beantragte der Beschwerdeführer, den Termin zur Hauptverhandlung am 13. Dezember 2017 auf einen anderen Terminstag zu verlegen, weil der Angeklagte - gemäß beigefügter ärztlicher Bescheinigung - nicht reise- und verhandlungsfähig sei.
Das Amtsgericht wies den Aussetzungsantrag durch Verfügung vom 07. Dezember 2017 mit der Begründung zurück, die ärztliche Bescheinigung attestiere lediglich eine Reiseunfähigkeit für Fahrten von mehr als 45 Minuten.
Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 Beschwerde und beantragte erneut die Aussetzung der Hauptverhandlung. Auf die Anfrage des Amtsgerichts Aschersleben vom 12. Dezember 2017 teilte der behandelnde Arzt dem Amtsgericht mit, der Beschwerdeführer sei zwar in seiner Beweglichkeit eingeschränkt, es sei ihm jedoch auf jeden Fall möglich, eine Reise nach Aschersleben vorzunehmen. Eine Hauptverhandlung mit einer entsprechenden Pause sei ebenfalls möglich.
Hieraufhin teilte das Amtsgericht dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 13. Dezember 2017 unter Beifügung einer Ablichtung der Mitteilung des behandelnden Arztes mit, die Hauptverhandlung werde stattfinden, und ordnete erneut die Vorführung des Beschwerdeführers an.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Aussetzung der Hauptverhandlung und erhob zugleich Beschwerde gegen die angeordnete Vorführung
Das Amtsgericht wies den Aussetzungsantrag des Verteidigers mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 erneut zurück, woraufhin der Beschwerdeführer den zuständigen Richter mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnte.
Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 13. Dezember 2017 wies das Amtsgericht Direktor des Amtsgerichts - Aschersleben mit Beschluss vom 26. Februar 2018 als unbegründet zurück.
Hieraufhin beraumte das Amtsgericht mit Verfügung vom 28. Februar 2018 einen Hauptverhandlungstermin auf den 5. April 2018, 9.30 Uhr, an. Auch zu diesem Hauptverhandlungstermin wurde die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten gegen Zustellungsurkunde angeordnet.
Am 3. April 2018 ordnete das Amtsgericht abermals die Vorführung des Angeklagten an. Eine Begründung hierzu wurde nicht mitgeteilt.
Der Angeklagte wurde sodann zur Hauptverhandlung am 5. April 2018 vorgeführt. Das Verfahren wurde gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
Der Verteidiger des Beschwerdeführers erhob zu Protokoll des Amtsgerichts Beschwerde gegen die angeordnete Vorführung und führte zur Begründung aus, die Vorführung sei nicht rechtmäßig gewesen. Es habe keinen Anlass zu der Annahme gegeben, der Angeklagte werde zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen.
Die zulässige Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, führt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Zwar ist die Beschwerde zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch Vollzug oder auf andere Weise erledigten richterlichen Anordnung oder die Weiterführung des Verfahrens zu diesem Zweck grundsätzlich unzulässig; eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach Erledigung fortbesteht. Insbesondere bei Eingriffen in die persönliche Freiheit, so bei erledigten Vorführungen, kann ein Interesse daran bestehen, die Rechtswidrigkeit festzustellen (Meyer/Goßner, Schmitt, StPO Kommentar, 60. Aufl., vor § 296, Rn. 18a m.w,N.).
So liegt der Fall hier.
Gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung zum Hauptverhandlungstermin ausgeblieben ist.
Allein die Befürchtung, so wie offensichtlich vom Amtsgericht in dieser Sache angenommen, der Angeklagte werde zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen, berechtigt nicht zur Anordnung der Vorführung gemäß § 230 Abs. 2 StPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.
Einsender: RA V. Römer, Aschersleben
Anmerkung:
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