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Entscheidungen

OWi

Absehen, Fahrverbot, Bäcker, Anreise, Wohnungsanmietung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 02.07.2018 - 3 Ss OWi 754/18

Leitsatz: 1. Den Gerichten ist in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen oder seine Dauer abgekürzt werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum als in den Fällen nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BKatV eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechts-gehalts und der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Bußgeldtatbestände versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit des Fahrverbots und seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst).
2. In den Fällen des § 24a StVG bleibt das Tatgericht auch dann, wenn schon eine einschlägige Ordnungswidrigkeit entsprechend Nr. 241.1 BKat voreingetragen ist, verpflichtet, sich aus Gründen des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots oder seiner Dauer für den Betroffenen zu befassen. Gegen das Doppelverwertungsverbots würde verstoßen, wenn allein aus den die qualifizierten Regelfolgen nach Nr. 241.1 BKat begründenden Um-ständen auf die Unerheblichkeit existentieller Härten für den Betroffenen und damit für eine unterschiedslose Beibehaltung des Fahrverbots oder seiner Regeldauer geschlossen würde.


In pp.
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit einer BAK von 0,5 0/00 oder mehr (§ 24 a I i.V.m. III StVG; Tatzeit: 14.07.2017) zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer 1 Monats angeordnet. Mit ihrer wegen der in der Hauptverhandlung wirksam gemäß § 67 II OWiG erklärten Ein-spruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden, mit der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet die StA, dass das AG gegen den Betr. nicht nach § 4 III BKatV i.V.m. lfd. Nr. 241.1 BKat wegen bereits einer einschlägigen Voreintragung nach § 24a StVG im Fahrerlaubnisre-gister entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 21.08.2017 ein (qualifiziertes) Regel-fahrverbot für die Dauer von 3 Monaten festgesetzt hat. Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das AG.

Aus den Gründen:

I. Die nach § 79 I 1 Nr. 1 OWiG ohne weiteres statthafte (BGH, Beschl. v. 31.01.1991 – 1 StR 338/90 = BGHSt 37, 316 = NJW 1991, 1367 = NStZ 1991, 289 = wistra 1991, 229 = VRS 81 [1991], 41 = VM 1991, Nr. 77; vgl. u.a. auch Göhler/Seitz OWiG 17. Aufl. § 79 Rn. 3; KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 79 Rn. 11; BeckOK-OWiG/Bär [Stand: 01.03.2018] § 79 Rn. 14) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Im Ansatz zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass gem. §§ 24a I, III i.V.m. 25 I 2, 26a I Nr. 2, II StVG i.V.m. § 4 III BKatV i.V.m. Nr. 241.1 BKat neben der Anord-nung einer Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro an sich die Verhängung eines Regelfahr-verbots für die Dauer von 3 Monaten geboten war. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend hiervon zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer nur eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgese-hen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persön-lichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Nor-malfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzel-fall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausrei-chend erscheinen lassen.

b) Auch die Abkürzung der Dauer eines verwirkten gesetzlichen Regelfahrverbots nach § 25 I 2 StVG kann wie ein gänzliches Absehens vom Regelfahrverbot (vgl. hierzu ne-ben BGHSt 38,125/134 schon OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2012 - 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50 [2013], 27 = OLGSt StVG § 25 Nr 53 und 20.08.2008 - 3 Ss OWi 966/08 = BA 45 [2008], 394 = DAR 2009, 39 = OLGSt StVG § 25 Nr 43; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.04.2002 - Ss (B) 13/02 = VRS 102 [2002], 458 = BA 41 [2004], 173) unbeschadet der Gültigkeit des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen oder dann, wenn wegen - hier nicht gegebener - besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24a I StVG derart herausfällt, dass die Festsetzung der Regelfahrverbotsdauer als offensichtlich unpassend anzuse-hen wäre. Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 I und § 4 II BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel „in Betracht“ kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG gemäß § 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24a StVG bei der Ent-scheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen oder seine Dauer abgekürzt werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum einge-räumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Bußgeldtatbestände versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit des Fahrverbots und seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst.

2. Zwar hat sich das AG vor diesem Hintergrund auch hinsichtlich der Frage der Fahr-verbotsdauer zu Recht mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den Betr. auseinandergesetzt. Denn der Tatrichter bleibt in den Fällen des § 24a StVG auch dann, wenn schon eine einschlägige Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG entsprechend der Zumessungsvorschrift in Nr. 241.1 BKat voreinge-tragen ist, grundsätzlich verpflichtet, sich aus Gründen des rechtsstaatlichen Übermaß-verbotes mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots oder seiner Dauer für den Betr. zu befassen, da anderenfalls gegen den auch in Bußgeldsachen anwendbaren Rechts-gedanken des in § 46 III StGB geregelten Doppelverwertungsverbots jedenfalls dann verstoßen würde, wenn allein aus den die qualifizierten Regelfolgen nach Nr. 241.1 BKat begründenden Umständen gewissermaßen automatisch auf die Unerheblichkeit existentieller Härten für den Betr. und damit für eine unterschiedslose Beibehaltung des Fahrverbots oder seiner Regeldauer im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung im enge-ren Sinne geschlossen würde (OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 Ss 337/13 = VM 2014, Nr 9 = BA 51 [2014], 24 = VRS 125 [2013], 166 = NZV 2014, 535; zur Gültig-keit des Doppelverwertungsverbots in Bußgeldsachen vgl. zuletzt neben OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2018 – 3 Ss OWi 270/18 und 01.02.2017 – 3 Ss OWi 80/17 schon Beschl. v. 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 [jeweils bei juris]). Die Beschäftigung mit dieser Frage war schon deshalb unverzichtbar, weil der Betr. gerade eine von einem Fahrverbot mit dreimonatiger Dauer ausgehende unverhältnismäßige Härte in Gestalt eines beruflichen Existenzverlusts, nämlich die durch seinen Arbeitgeber als Zeuge in der Hauptverhandlung bestätigte Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses als Bäcker in einer Kleinbäckerei mit branchentypischen nächtlichen Arbeitszeiten vorge-tragen hat.

3. Es entspricht andererseits ständiger obergerichtlicher Rspr., dass Angaben eines Betr., es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage ver-setzt, die Rechtsanwendung nachzuprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur OLG Bamberg, Beschl. v. 04.05.2017 – 3 Ss OWi 550/17 = BA 54, 383 und v. 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = ZfS 2018, 114 = VM 2018, Nr 7, jeweils m.w.N.).

4. Dies ist hier zumindest nicht mit der gebotenen Sorgfalt geschehen:

a) So kann der Senat anhand der Urteilsgründe schon nicht übersehen, ob die vom Betr. vorgebrachte eingeschränkte Erreichbarkeit seines Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Tatsachen entspricht. Insoweit ist überdies zu beachten, dass für den Betr. im Zweifel auch angesichts einer drohenden Fahrverbotsdauer von 3 Mona-ten eine tägliche Anfahrt zu seiner Arbeit zeitlich deutlich vor deren effektivem Beginn um 2.00 Uhr, als zumutbar anzusehen sein wird, gleichgültig ob der Betr. für einen Teilzeitraum eine Mitfahrgelegenheit in Anspruch nehmen könnte oder nicht.

b) Entsprechendes gilt, soweit der Betr. zum Beleg der Notwendigkeit einer alternativlo-sen eigenen Kraftfahrzeugnutzung vorbringt, erfolglos „versucht“ zu haben, am Ort der Bäckerei „vorübergehend eine kleine Wohnung anzumieten“, ohne dass das AG die insoweit vom Betr. unternommenen konkreten Anstrengungen im Urteil dargestellt oder nach den Urteilsgründen hinterfragt hätte. Auch in dieser Hinsicht wird dem Betr. im Zweifel auch die vorübergehende Einmietung etwa in einer Pension oder die Anmietung eines Ein-Zimmer-Appartements in Arbeitsplatznähe oder in einem benachbarten Ort auf eigene Kosten zuzumuten sein, und sei es nur, um so nach der Nutzung öffentlicher Verkehrsanbindungen die Zeiträume bis zum effektiven täglichen Arbeitsantritt zu über-brücken. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen wären schon des-halb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die vom Betr. ersparten Auf-wendungen aus der dann zumindest weitgehend entfallenden werktäglichen Pkw-Nutzung gegenüber zu stellen wären (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.03.2009 – 3 Ss OWi 196/09 = DAR 2009, 401 = VM 2009, Nr 63 = OLGSt StVG § 25 Nr 46).

5. Nach alledem kann der Senat nicht ausschließen, dass das AG seine für den Rechts-folgenausspruch bestimmenden Feststellungen letztlich einseitig den Angaben des Betr. ohne hinreichende Ausschöpfung sonstiger Beweismittel entnommen hat. Dies genügt den aus § 267 III StPO i.V.m. § 71 I OWiG resultierenden sachlich-rechtlichen Anforde-rungen an die Abfassung der Urteilsgründe regelmäßig nicht.

II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist auf die Rechtsbeschwer-de der StA das angefochtene Urteil einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 III Satz 1 OWiG, § 353 StPO). […]


Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Bayern

Anmerkung:


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