Gericht / Entscheidungsdatum: AG Cloppenburg, Beschl. v. 25.05.2018 24 Ls 511 Js 51486/17 (6/18)
Leitsatz: Dem Beistand des Nebenklägers steht grundsätzlich gem. § 406e Abs. 1 StPO das Recht zur Akteneinsicht zu. In den Fällen der sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kann dieses jedoch beschränkt werden.
Amtsgericht
Cloppenburg
Beschluss
24 Ls 511 Js 51486/17 (6/18)
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Vergewaltigung
hat das Amtsgericht - Schöffengericht - Cloppenburg durch den Richter am Amtsgericht am 24.05.2018 beschlossen:
Dem Beistand der Nebenklägerin, Herrn Rechtsanwalt pp., wird auf seinen Antrag hin Einsicht in die Akte gewährt, jedoch nicht in folgende Aktenteile:
Protokoll der zeugenschaftlichen Vernehmung der Nebenklägerin vom 26.06.2017 (BI. 2 - 37),
Vermerk der POK pp. vom 09.08.2017 dazu (BI. 38 - 39);
hinsichtlich der vorgenannten Aktenteile wird der Akteneinsichtsantrag vom 09.05.2018 vielmehr abgelehnt.
Gründe:
Die Entscheidung beruht auf § 406e Abs. 1, Abs. 2 S. 2 StPO.
Dem Beistand der Nebenklägerin steht zwar grundsätzlich gem. § 406e Abs. 1 StPO das Recht zur Akteneinsicht zu.
Allerdings liegt dem Angeklagten Vergewaltigung der Nebenklägerin zur Last, hat der Angeklagte sich nicht eingelassen und außerhalb einer förmlichen Vernehmung die Tat bestritten und ist nach Aktenlage einziges unmittelbar tatbezogenes Beweismittel die Nebenklägerin, liegt also eine Aussage-gegen-AussageKonstellation vor. Die Aussagekraft des für die Beweiswürdigung in dieser Beweiskonstellation wesentlichen Realitätskriteriums der Aussagekonstanz wird jedoch durch die vollständige Akteinsicht der einzigen Belastungszeugin entwertet. Vollständige Akteneinsicht gefährdet daher eine den aussageanalytischen Vorgaben des Bundesgerichtshofs entsprechende gerichtliche Beweiswürdigung und somit den Untersuchungszweck, § 406e Abs. 2 S. 2. Akteneinsicht war daher andererseits allerdings auch: nur in diejenigen Teile der Akte zu versagen, die Vernehmungen der Nebenklägerin und hieran jeweils anschließende Ermittlungsberichte und -vermerke der Polizei enthalten (vgl. zu alledem grundlegend OLG Hamburg, NStZ 2015, 105 mit zust. Anm. Radtke (1. Senat); dies sind vorliegend die im Tenor genannten Aktenteile. Sofern demgegenüber die Ausführungen des BGH (5. Senat) in NStZ 2016, 367 dahingehend zu verstehen sein sollten, einem Nebenklägervertreter sei auch in einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation unbeschränkte Akteneinsicht zu gewähren, solange nicht konkrete Umstände wie etwa Hinweise auf eine konkrete Falschaussagemotivation des einzigen Belastungszeugen oder Besonderheiten in seinen Aussagen bereits Anlass zu konkreten Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage geben, würde dem nicht gefolgt werden können (dagegen bereits die Gesetzgebungsmaterialien: Dieser Versagungsgrund [der Gefährdung des Untersuchungszwecks] kann deshalb auch dann herangezogen werden, wenn die Kenntnis des Verletzen vom Akteninhalt die Zuverlässigkeit und den Wahrheitsgehalt einer von ihm noch zu erwartenden Zeugenaussage beeinträchtigten könnte." (BT-Dr 10/5305 S. 18, Hervorhebung nur hier); s. a. BVerfG, NJW 2017, 1164 (Rn. 17 a. E.); gegen die Auffassung des 5. Senats, mit Gewährung von Akteneinsicht an den Verfahrensbevollmächtigten des Verletzten gehe nicht typischerweise eine Entwertung des Realitätskriteriums der Aussagekonstanz einher, jetzt berücksichtigt man den Umstand, dass der anwaltliche Beistand rechtlich nachgerade dazu verpflichtet ist, die durch die Akteneinsicht erlangten Kenntnisse mit der Mandantschaft zu teilen (vgl. dazu etwa BVerfG NJW 2007, 1052) auch BGH (2. Senat) StV 2017, 7 (Rn. 14)).
Einsender: RA M. Acar, Weener
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