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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Sperrfrist, Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Aufhebung,

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Rheinberg, Beschl. v. 23.08.2018 – 4 Cs 418 Js 126/18 (271/18)

Leitsatz: Eine Aufhebung der Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 StGB kommt nur in Betracht, wenn hinreichende Gründe vorliegen, dass der Verurteilte nicht länger als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen ist. Erforderlich ist, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte sich im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweist. Diese Wahrscheinlichkeit ist anhand einer Gesamtabwägung aller für die Eignung maßgebenden Umstände unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen ermittelt werden.


Amtsgericht Rheinberg
Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Die mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts Rheinberg vom 07.05.2018 angeordnete Sperrfrist von 9 Monaten zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis wird aufgehoben.

Gründe:

Gem. § 69a Abs. 7 StGB kann das Gericht nach dem Ablauf der Mindestsperrzeitfrist von 3 Monaten die Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht länger ungeeignet ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Unschädlich ist, dass der Antrag vor Ablauf der Mindestsperrzeit gestellt wurde, da eine Aufhebung erst zum 16.08.2018 — mithin dem Erreichen der Mindestsperrzeit beantragt wurde (vgl. auch LG Düsseldorf, NJW 1966, 897).

Zum Entscheidungszeitpunkt liegen hinreichende Gründe vor, dass der Verurteilte nicht länger als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen ist. Erforderlich ist, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte sich im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweist. Diese Wahrscheinlichkeit ist anhand einer Gesamtabwägung aller für die Eignung maßgebenden Umstände unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen ermittelt werden (vgl. Geppert in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 69a Rn. 82). Die Einzelfallprüfung. muss ergeben, dass der Verurteilte eine risikobewusstere Einstellung zum Straßenverkehr eingenommen und sich insoweit eine signifikante Handlungsänderung ergeben hat (vgl. LG Hof, Beschl. V. 12.10.2000, NZV 2001, 92).

Bei der Abwägung hat das Gericht vorliegend neben der nachgewiesenen Teilnahme an einem verkehrspsychologischen Kurses auch die Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt, die Dauer der bisherigen Entziehung der Fahrerlaubnis, die Begehungswese der Tat, den Grad der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und das sonstige Verhalten des Verurteilten im Straßenverkehr berücksichtigt. Die Abwägung führt hier zu einer hinreichend sicheren Tatsachengrundlage, den Verurteilten nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr anzusehen.

Der Angeklagte ist abgesehen von der Verurteilung durch den Strafbefehl des Gerichts zu keinem Zeitpunkt strafrechtlich oder verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Weder existieren Voreintragungen im Bundeszentralregister, noch im Fahreignungsregister noch bestehen nach aktueller Auskunft von Polizei und Staatsanwaltschaft laufende Verfahren gegen den Verurteilten.

Der Grad der Alkoholisierung lag mit 1,5 Promille zwar spürbar über der Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit, jedoch gleichzeitig noch in einem Bereich, der nicht auf einen vollkommen ausartenden Umgang mit Alkohol generell schließen lässt (vgl. insoweit Richtwerte des LG Hildesheim lt. Beschluss vom 14.05.2003, NStZ-RR 2003, 312).

Aufgrund der Sicherstellung des Führerscheins zum Zeitpunkt der Tat (03.02.2018, BI. 2, 23 d.A.) entbehrt der Verurteilte zum Entscheidungszeitpunkt bereits für die Dauer von knapp sieben Monaten seine Fahrerlaubnis.

Die der Anordnung der Sperre zugrundeliegende Tat ist fahrlässig begangen worden. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ist in Form einer (leichten) Verletzung des Zeugen K. eingetreten, wobei jedoch nach Aktenlage ein nicht ganz unerhebliches Mitverschulden des Zeugen K. nicht ausgeschlossen werden kann.

Des Weiteren hat der Verurteilte nach Erlass des Strafbefehls und Anordnung der Sperrfrist an einem verkehrspsychologischen Kurs teilgenommen. Zwar führt die bloße Teilnahme an einem verkehrspsychologischen Kurs (hier „avanti 16" der Nord-Kurs GmbH) nicht grundsätzlich dazu, dass der Teilnehmer als geeignet anzusehen ist (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 69a Rn. 44 m.w.N.). Indes handelt es sich dennoch um einen im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigungsfähigen Umstand.

Vorliegend hält das Gericht die Ausgestaltung und Qualität des Kurses für ausreichend, um in der Abwägung Berücksichtigung zu finden. Das Gericht hält es anders als die Staatsanwaltschaft nicht für zwingend erforderlich, dass das Seminar durch einen gem. § 36 Abs. 6 FeV anerkannten Fachleiter durchgeführt wird bzw. dieser Umstand vom Verurteilten dargelegt wird (so allerdings LG Hildesheim a.a.O.). Soweit die verwaltungsrechtlichen Vorschriften der §§ 2b Abs. 2 5.2, 4 Abs. 8 S. 4 StVG für vergleichbare Aufbauseminare entsprechende Vorgaben machen, betreffen diese Vorgaben nicht zugleich die Frage der Verkürzung der strafrechtlich angeordneten Sperrfrist. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber — in Kenntnis der seit langem bekannten Problematik der Berücksichtigung von Aufbauseminaren bei der Dauer der Sperrfrist — bislang nicht dafür entschieden, vergleichbare Qualitätsanforderungen bei den entsprechenden Regelungen des StGB einzuführen. Insoweit will der Gesetzgeber offenbar die Einzelfallentscheidung durch das Gericht nicht durch formale Gesichtspunkte beschränken. Einer solchen Einzelfallprüfung hält die vom Verurteilten vorgelegte Teilnahmebescheinigung jedoch stand. Dieser ist zu entnehmen, dass das Seminar über die Dauer von 16 Einheiten durchgeführt wurde und eine hinreichend individualisierte Beratung durch geschultes Personal zum Gegenstand hatte.

Auch die Vorlage eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle hält das Gericht anders als die Staatsanwaltschaft nicht für erforderlich, umi die Ungeeignetheit zu widerlegen. Ein solches Gutachten dürfte lediglich in den Fällen erforderlich sein, in denen von der Regelfallbewertung gem. § 69 StGB abgewichen werden soll und trotz Vorliegen eines Regelfalles die Fahrerlaubnis erst gar nicht entzogen werden soll (vgl. Fischer, a.a.O., § 69 Rn. 36).

Seit Ableistung des Kurses sind zum Entscheidungszeitpunkt ca. 5 Wochen vergangen. Soweit manche Stimmen eine Zeit nach Abschluss des verkehrspsychologischen Kurses zur Reflexion des Erlernten und dessen Umsetzung im Alltag verlangen (vgl. LG Heilbronn, Beschl. v. 27.04.2018, BeckRS 2018, 9533), wäre durch den zwischenzeitlichen Zeitablauf auch diese Voraussetzung hinreichend erfüllt.

Rheinberg, 23.08.2018 Amtsgericht


Einsender: RA J. Möckel, Oldenburg

Anmerkung:


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