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Entscheidungen

Gebühren

Verbot der Mehrfachverteidigung, Einziehungsverfahren, Gebührenanspruch

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.08.2018 - 4 Ws 175/18

Leitsatz: 1. Das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO gilt auch im Einziehungsverfahren.
2. Der Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO führt dazu, dass der zugrunde liegende Mandatsvertrag und die Vollmacht unwirksam sind.
3. Auch wenn der Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung im Verfahren unbemerkt geblieben ist, kann die Kostenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren versagt werden.
4. Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung findet eine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG keine Anwendung.


Oberlandesgericht Stuttgart
4 Ws 175/18

BESCHLUSS
07.08.2018

In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Verstoßes gegen das BtMG
hier: sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts pp.
gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2018

hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - am 7. August 2018 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts pp. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Tübingen vom 28. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

2. Kosten für das Rechtsmittelverfahren werden nicht erhoben.

3. Der Beschwerdewert wird auf 804,32 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich der beschwerdeführende Rechtsanwalt gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit welchem auf seinen Antrag hin die den Angeklagten E. und V. von Seiten der Staatskasse für das selbständige Einziehungsverfahren als notwendige Auslagen zu erstattenden Wahlverteidigergebühren festgesetzt wurden, wobei er die Festsetzung eines höheren Erstattungsbetrages begehrt.

Gegen die beiden Angeklagten sowie vier weitere Angeklagte wurde vor dem Landgericht Tübingen in den Jahren 2012 und 2013 ein Strafverfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführt. Dabei war der Beschwerdeführer als Wahlverteidiger des Angeklagten E. und Rechtsanwältin pp. als zunächst Wahl- und sodann Pflichtverteidigerin des Angeklagten V. tätig. Die Hauptverhandlung konnte wegen einer längerfristigen Erkrankung eines Richters nicht abgeschlossen werden. Vor Beginn einer neuen Hauptverhandlung wurden die Haftbefehle gegen die sechs Angeklagten mit Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. November 2013 aufgehoben. Die Angeklagten haben das Land verlassen und sind unbekannten Aufenthaltes. Das Verfahren wurde durch Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 12. Februar 2016 gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt.

Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Tübingen vom 5. Dezember 2012 wurden im Laufe des Ermittlungsverfahrens im Auftrag des Angeklagten E. an einen Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg insgesamt 245.000 Euro in bar übergeben, davon 60.000 Euro durch den Angeklagten V.; das Geld wurde sichergestellt.

Mit Schreiben vom 14. März 2016 hat der Beschwerdeführer die Freigabe dieser sichergestellten 245.000 Euro im Auftrag des Angeklagten E. sowie vorsorglich - falls die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Herausgabe auf den letzten Gewahrsamsinhaber abstellen sollte - auch im Auftrag und unter Vorlage einer Vollmacht des Angeklagten V. vom 14. März 2016 beantragt. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat daraufhin am 1. April 2016 den Erlass einer selbständigen Verfallsanordnung gemäß § 76a StGB a.F. hinsichtlich der sichergestellten 245.000 Euro beantragt. Nach der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung zum 1. Juli 2017 hat die Staatsanwaltschaft diesen Antrag auf die Anordnung einer selbständigen Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB n.F. abgeändert. Das Landgericht Tübingen hat mit Beschluss vom 29. März 2018 sowohl die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens als auch die Herausgabe der 245.000 Euro an die Angeklagten E. und V. abgelehnt, da der Staat bereits Eigentümer der 245.000 Euro sei. Zugleich hat es beschlossen, dass die Staatskasse die Kosten dieses Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt.

Im Laufe dieses Einziehungsverfahrens hat Rechtsanwältin pp. mit Schreiben vom 4. August 2016 die Bevollmächtigung des Beschwerdeführers durch den Angeklagten V. im Hinblick auf § 146 StPO gerügt und eine vom Angeklagten V. auf sie lautende Strafprozessvollmacht vom 20. Juli 2012 vorgelegt, welche auch die Abtretung sämtlicher Kostenersatzforderungen beinhaltete. Zugleich hat sie die Herausgabe der bei V. sichergestellten Summe von „65.000 Euro“ an sie beantragt. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 16. August 2016 dargelegt, dass seiner Ansicht nach kein Verstoß gegen § 146 StPO vorliege. Dieser gelte nur für Verteidigungshandlungen, zu der Frage bezüglich der Geltung in einem Einziehungsverfahren nach Abschluss eines Strafverfahrens habe er keine Entscheidung gefunden. Konkret liege auch offensichtlich kein Interessenkonflikt hinsichtlich der beiden Angeklagten vor, beide hätten die Freigabe des sichergestellten Geldes gemeinsam über einen Anwalt beantragt. Zudem sei die Vollmacht nur vorsorglich vorgelegt worden, falls die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Herausgabe des Geldes auf den letzten Gewahrsamsinhaber abstellen sollte. Zugleich hat der Beschwerdeführer um einen Hinweis gebeten, falls die Kammer trotz seiner Ausführungen Bedenken hinsichtlich des § 146 StPO habe, dann werde der Angeklagte V. einen anderen Anwalt beauftragen, sofern dies überhaupt im Hinblick auf die Herausgabe erforderlich sei. Der Angeklagte V. wolle jedoch auf keinen Fall mehr von Rechtsanwältin pp. verteidigt werden; der Beschwerdeführer hat insoweit ein unterzeichnetes Schreiben des Angeklagten V. vom 11. August 2016 vorgelegt mit dem Wortlaut: „Sehr geehrte Frau pp.! Hiermit entziehe ich Ihnen das Mandat.“

Am 16. April 2018 hat der Beschwerdeführer aufgrund der Kostengrundentscheidung des Beschlusses vom 29. März 2018 beantragt, die dem Angeklagten E. entstandenen notwendigen Auslagen samt Zinsen wie folgt zu erstatten: neben einer Auslagenpauschale eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG sowie eine Erhöhung dieser Gebühr um den Faktor 0,3 nach Nr. 1008 VV RVG, da der Beschwerdeführer sowohl den Angeklagten E. als auch den Angeklagten V. vertreten habe.

Auf diesen Antrag hin hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Tübingen mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2018 die aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Angeklagten E. auf 2.681,07 Euro nebst Zinsen festgesetzt und den darüber hinausgehenden Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt. Dabei wurde zum einen die Erstattung einer erneuten Auslagenpauschale sowie die beantragte Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG für die Vertretung des Angeklagten V. abgelehnt. In den Entscheidungsgründen wurde u.a. ausgeführt, dass unklar sei, an welchen Rechtsanwalt die Kostenerstattungsansprüche des Angeklagten V. abgetreten worden seien, da es sowohl eine Strafprozessvollmacht vom 20. Juli 2012 für Rechtsanwältin pp. als auch eine Strafprozessvollmacht vom 14. März 2016 für den Beschwerdeführer gebe, beide Vollmachten seien im übrigen unleserlich unterschrieben.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 3. Juli 2018 zugestellt wurde, hat der Beschwerdeführer am 4. Juli 2018 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Abzug der Erhöhungsgebühr unzutreffend vorgenommen worden sei. Unbeachtlich sei, dass die Vollmacht des Angeklagten V. unleserlich unterschrieben sei. Die Vollmacht der Rechtsanwältin pp. vom 20. Juli 2012 sei spätestens mit ihrer Beiordnung als Pflichtverteidigerin erloschen, zudem sei ihr mit Schreiben vom 11. August 2016 ausdrücklich das Mandat vom Angeklagten V. entzogen worden. Damit sei der Kostenerstattungsanspruch nicht nur vom Angeklagten E., sondern auch vom Angeklagten V. rechtsgültig an den Beschwerdeführer abgetreten worden.

II.

Das Rechtsmittel ist bereits unzulässig, hätte jedoch auch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 464b Satz 3 StPO i. V. mit § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 464b Satz 4 StPO erhoben worden. Der Beschwerdewert von 200 Euro gemäß § 304 Abs. 3 StPO ist überschritten. Allerdings ist der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt, da er den Kostenfestsetzungsantrag nicht wirksam aus abgetretenem Recht gestellt hat.

a) Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO wird die Höhe der Kosten und Auslagen festgesetzt, die ein Beteiligter einem anderen zu erstatten hat (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 464b Rn. 1). Antragsberechtigt sind der nach der Kostengrundentscheidung Erstattungsberechtigte und sein Rechtsnachfolger, also beispielsweise auch ein Verteidiger, an welchen die Kostenerstattungsansprüche abgetreten wurden mit der Folge, dass sich die Berechtigung zur Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs nach materiell-rechtlichen Grundsätzen richtet (KK-StPO/Gieg, 7. Aufl. 2013, § 464b Rn. 3; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 464b Rn. 2 mwN). Für das Betragsverfahren nach § 464b StPO, welches nicht mehr zum Strafverfahren gehört, benötigt der Verteidiger eine besondere Vertretungsvollmacht, die aber zusammen mit der Verteidigervollmacht erteilt werden kann und die durch die Bestellung zum Pflichtverteidiger nicht ohne weiteres erlischt (OLG Hamm, Beschluss vom 12. April 2007 - 3 Ws 209/07 -, juris). Nach ausdrücklicher und formgerechter Abtretung gemäß § 398 BGB an den Verteidiger ist dieser dementsprechend Anspruchsinhaber und kann den Anspruch im eigenen Namen geltend machen (LG Duisburg, Beschluss vom 23. Februar 2006 – 31 Qs 27/06 -, beckonline; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rn. 5, juris).

b) Im vorliegenden Verfahren liegt eine unzulässige Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO vor, welche dazu führt, dass die Vollmacht des Angeklagten V. für den Beschwerdeführer und die darin enthaltene Abtretung eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs unwirksam sind.

(1) Das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO soll den Angeklagten auch gegen seinen Willen davor schützen, dass der Verteidiger in einen Interessenwiderstreit gerät und dadurch seine Beistandsfunktion, die es auch im öffentlichen Interesse zu bewahren gilt, beeinträchtigt wird (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1977 - 2 BvR 804/76 -, beckonline). Dabei gilt dieses Verbot in allen Verfahrensabschnitten, sowohl bereits im Ermittlungsverfahren als auch im Vollstreckungsverfahren (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 146 Rn. 10 mwN; OLG München, Beschluss vom 23. April 1985 - 1 Ws 1100/84 -, NStZ 1985, 383).

(2) Darüber hinaus gilt § 146 StPO auch im selbständigen Einziehungsverfahren und dort nicht nur bei Einziehungsbeteiligten i.S.d. § 424 StPO, sondern auch bei Beschuldigten bzw. Angeklagten, gegen welche sich die Einziehung richtet. Die Geltung des § 146 StPO im selbständigen Einziehungsverfahren sowohl für einen Angeklagten als auch für einen Einziehungsbeteiligten (Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, vor § 421 Rn. 8) ergibt sich nach der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts gemäß § 435 Abs. 3 Satz 2 StPO über eine entsprechende Anwendung des § 428 Abs. 1 Satz 2 StPO, welcher direkt auf § 146 StPO verweist. Danach darf ein Rechtsbeistand nicht gleichzeitig mehrere Einziehungsbeteiligte vertreten, er darf auch nicht zugleich Verteidiger des Beschuldigten sein (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 428 Rn. 5; BeckOK StPO/Temming, 19. Ed. 1.1.2018, StPO § 428 Rn. 2).

Aber auch bereits vor der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts - d.h. zum Zeitpunkt der streitigen Vollmachtserteilung durch den Angeklagten V. an den Beschwerdeführer sowie dessen Schreiben vom 16. August 2016 - wurde über § 434 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F. für den Einziehungsbeteiligten direkt auf die Anwendung des § 146 StPO verwiesen. Zwar ist das Instrument des selbständigen Einziehungsverfahrens nach §§ 435 ff StPO i.V. mit § 76a StGB erst durch die Reform des Vermögensabschöpfungsrechts neu eingeführt worden (hierzu Schilling/Corsten/Hübner, StraFo 2017, 305, 310, 313). Wenn aber auch vor dieser Reform das Verbot der Mehrfachverteidigung bereits für die Einziehungsbeteiligten galt, so musste dies auch für zwei Angeklagte bzw. Beschuldigte gelten, da einem Einziehungsbeteiligten gemäß § 433 StPO a.F. bzw. § 427 Abs. 1 StPO n.F. die gleichen Befugnisse wie die eines Angeklagten zustehen und es sich somit um vergleichbare Konstellationen handelt. Dabei kann es nach der Auffassung des Senats keinen Unterschied machen, ob es sich hierbei um ein Einziehungsverfahren während eines Ermittlungsverfahrens oder nach Abschluss eines Verfahrens handelt, da die Möglichkeit eines Interessenkonfliktes davon unberührt bleibt. Im vorliegenden Fall ist das Strafverfahren zudem noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, derzeit ist es nur vorläufig gemäß § 205 StPO eingestellt.

(3) Im vorliegenden Fall ist somit das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO auch auf das selbständige Einziehungsverfahren und somit auf die Angeklagten E. und V. anzuwenden. Dabei wird der Interessenwiderstreit unwiderleglich vermutet, ob er tatsächlich besteht, ist unerheblich (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1976 - 3 StR 100/76 -, juris Rn. 4; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn. 2608; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 146 Rn. 9 mwN). Allerdings ist im vorliegenden Fall ein Interessenkonflikt für den Senat deutlich erkennbar: Das Ziel des Angeklagten E. ging auf die Herausgabe der von ihm mutmaßlich beauftragten und - von Dritten - übergebenen 245.000 Euro. Der Antrag des Angeklagten V. konnte dagegen nur auf die Herausgabe der von ihm - im Auftrag des Angeklagten E. - übergebenen 60.000 Euro zielen, welche jedoch wiederum in den 245.000 Euro enthalten waren. Bei einer rückhaltlosen Interessenvertretung des jeweiligen Angeklagten (vgl. OLG München, aaO, S. 383) wäre es auf jeden Fall zu einem Konflikt hinsichtlich der Herausgabe der 60.000 Euro gekommen.

(4) Der vorliegende Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung führt dazu, dass der zu Grunde liegende Mandatsvertrag zwischen dem Angeklagten V. und dem Beschwerdeführer nichtig und die in der Vollmacht enthaltene Abtretung unwirksam ist.

Zwar hat im vorliegenden Fall noch keine Zurückweisung gemäß § 146a Abs. 1 StPO stattgefunden. In diesem Fall wäre das Mandatsverhältnis spätestens mit der Zurückweisung unwirksam geworden und die Unwirksamkeit hätte sowohl die in der Vollmacht niedergelegte Befugnis, Anträge zur Kostenfestsetzung zu stellen, als auch die Abtretung möglicher Kostenerstattungsansprüche erfasst (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 25. August 1983 - 1 Qs 197/83 -, JurBüro 1984, 243 f.).

Das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO ist jedoch zugleich ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB und führt bereits zur Nichtigkeit der Beauftragung des Beschwerdeführers; der Verstoß ist von Amts wegen zu beachten. Hintergrund ist, dass das Verteidigungsverbot im Zivilrecht seine Fortsetzung erfahren muss, damit es durchgesetzt werden kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. April 1983 - 2 Ws 440/83 K -, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 Ss 143/12 -, juris Rn. 9; Hilger in Löse-Rosenberg, aaO, § 464a Rn. 33 mwN). Dies gilt auch unabhängig davon, ob eine förmliche Zurückweisung nach § 146a Abs. 1 StPO erfolgt ist. Denn die Entscheidung nach § 146a StPO dient in erster Linie dem Schutz des Angeklagten und der Rechtsklarheit. Aber es besteht kein Anlass für den Schluss, dass bei Fehlen einer Zurückweisung nach § 146a StPO das Mandatsverhältnis kostenrechtlich einwandfrei ist. Würde man dem Verteidiger für Doppelmandate bis zur Zurückweisung durch das Gericht Vergütungsansprüche gegen den Mandanten zugestehen, so wäre die Funktion des § 146 StPO im Vorfeld von Strafprozessen nicht wirksam durchzusetzen. Auch treten die Interessenkonflikte, die § 146 StPO zum Schutz des Mandanten verhindern soll, nicht erst dadurch auf, dass der Verteidiger vor Gericht zurückgewiesen wird, sondern schon bei Übernahme des Mandates. Der Senat ist der Auffassung, dass damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren unter Hinweis auf § 146 StPO die Erstattung auch dann versagt werden kann, wenn der Verstoß gegen § 146 StPO im Verfahren unbemerkt geblieben ist (so auch Hilger in Löwe-Rosenberg, aaO, § 464a Rn. 33; LG Freiburg, Beschluss vom 7. November 1984 - II Qs 194/84 -; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20. Mai 1981 - 13 Qs 83/81 -, juris). Damit bleiben im vorliegenden Fall zwar gemäß § 146a Abs. 2 StPO mögliche Prozesserklärungen des Verteidigers bis zur Zurückweisung durch das Gericht wirksam, aber der Mandatsvertrag und die Verteidigervollmacht sind unwirksam (ausführlich zu allem GenStA Zweibrücken, Bescheid vom 18. Februar 2004 - 4220 E - 1/04 -, NStZ-RR 2004, 191; Wasmuth, NStZ 1989, 348).

Nachdem hier die Bevollmächtigung des Beschwerdeführers durch den Angeklagten V. zeitlich nach der durch den Angeklagten E. erfolgte, ist die zeitlich spätere Vollmacht – mithin die des Angeklagten V. – unzulässig und damit unwirksam (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 146 Rn. 23). Dies erfasst auch die in dieser Vollmacht enthaltene Abtretung möglicher Kostenerstattungsansprüche.

c) Mangels wirksamer Abtretung fehlt es somit beim Beschwerdeführer an der Antrags- und somit auch an der Beschwerdebefugnis. Damit ist die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, auch wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Zum Ausgleich des mit der Tätigkeit für mehrere Auftraggeber vermuteten Mehraufwands und des erhöhten Haftungsrisikos erhält der Rechtsanwalt jedoch ggf. eine nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr (Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Rn. 1498, beckonline). Da die Vertretung mehrerer Angeklagter im Strafverfahren wegen dem in § 146 StPO normierten Verbot der Mehrfachverteidigung jedoch nicht möglich ist, findet Nr. 1008 VV RVG für den Verteidiger - bis auf die in VV RVG Teil 6 geregelten sonstigen Verfahren - keine Anwendung (Volpert in Burhoff/Volpert, aaO, Rn. 1501; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. 2017, VV 1008 Rn. 129). Im vorliegenden Fall lag wie oben dargestellt hinsichtlich des Angeklagten V. eine nach § 146 StPO unzulässige Mehrfachverteidigung vor, so dass hier mangels weiterem Auftraggeber eine entsprechende Gebührenerhöhung nicht stattfindet (BeckOK RVG/Hofmann, 40. Ed. 1.6.2018, RVG VV 1008 Rn. 8). Die zuständige Rechtspflegerin des Landgerichts Tübingen hat somit im Ergebnis zu Recht die Erstattung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Erhöhungsgebühr nach § 464b StPO abgelehnt. Ob die Kostenerstattungsansprüche an die Rechtsanwältin pp. wirksam abgetreten wurden, kommt es somit nicht mehr an, da dies die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Erhöhungsgebühr nicht betrifft. Darüber hinaus wäre sie aufgrund der erfolgten Mandatsentziehung ohnehin nicht mehr befugt, Anträge im Kostenfestsetzungsverfahren zu stellen (Hilger in Löwe-Rosenberg, aaO, § 464b Rn. 5).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 21 GKG. Der Beschwerdeführer hatte bereits in seinem Schreiben vom 16. August 2016 dargelegt, dass er die Voraussetzungen des § 146 StPO für nicht gegeben halte, jedoch um einen Hinweis der Kammer gebeten, falls dies doch der Fall sei, dann würde der Angeklagte V. umgehend - sofern erforderlich - einen anderen Rechtsanwalt beauftragen. Ein wie auch immer gearteter Hinweis der Kammer oder sogar eine Zurückweisung i.S.d. § 146a Abs. 1 StPO sind jedoch bis zur Entscheidung der Kammer über das selbständige Einziehungsverfahren eineinhalb Jahre später nicht erfolgt. In dem Beschluss vom 29. März 2018 wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Antrag des Verteidigers „unabhängig von der Frage seiner Legitimation und dem Problem der Mehrfachverteidigung“ abzulehnen sei. Sowohl der Beschluss an den Angeklagten E. als auch der an den Angeklagte V. wurden jeweils über den Beschwerdeführer zugestellt, so dass sich für diesen auch insoweit kein weiterer Hinweis auf § 146 StPO ergab. Auch im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens spielte das Problem der Mehrfachverteidigung keine Rolle. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer bei einem entsprechenden Hinweis der Kammer das Mandat bezüglich des Angeklagten V. nicht weiterbetrieben und somit auch später keine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG geltend gemacht hätte. Damit erscheint es unbillig, ihn mit den Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens zu belasten (vgl. BeckOK Kostenrecht/Dörndorfer GKG § 21 Rn. 1).

Der Beschwerdewert wurde auf der Grundlage der vom Beschwerdeführer begehrten Erhöhungsgebühr in Höhe von 675,90 Euro zuzüglich 19% Umsatzsteuer (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 304 Rn. 9) ermittelt.


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