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Entscheidungen

OWi

Begründungsanforderungen Verwerfungsurteil, Entschuldigung, Ausbleiben in der Hauptverhandlung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 27.08.2018 - 3 Ws (B) 194/18 -

Leitsatz: 1. Der Bußgeldrichter muss das Entschuldigungsvorbringen im Verwerfungsurteil grundsätzlich ebenso ausführlich darlegen wie seine eigenen in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen.
2. Reicht der Betroffene zur Darlegung seiner Erkrankung keine ärztliche Bescheinigung ein, so setzt die gerichtliche Nachforschungspflicht erst bei einem schlüssigen und auf Tatsachen bezogenen Entschuldigungsvorbringen ein. Dazu bedarf es zumindest der Darlegung eines krankheitswertigen Zustands.
3. Der Betroffene kann nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass einem Terminsverlegungsantrag seines Verteidigers entsprochen wird.




Normen:

OWiG §§ 73, 74

Kammergericht
Beschluss
Geschäftsnummer:
3 Ws (B) 194/18122 Ss 92/18

In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 27. August 2018 beschlossen:

1. Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Juni 2018 aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. März 2018 wird verworfen.
3. Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe:

I.

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 20. März 2017 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit (sog. qualifizierter Rotlichtverstoß, begangen am 24. November 2016) eine Geldbuße von 200 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG festgesetzt.

Auf den rechtzeitigen Einspruch des anwaltlich vertretenen Betroffenen hat das Amtsgericht Tiergarten mit Verfügung vom 5. Oktober 2017 einen Termin zur Hauptverhandlung für den 15. Januar 2018 anberaumt. Ausweislich der Ladungsverfügung war der Termin mit dem Verteidigerbüro abgesprochen. Mit Schriftsatz vom 28. November 2017 hat der Verteidiger eine Terminsverlegung beantragt, da er „aufgrund der Hessischen Winterferien urlaubsbedingt abwesend“ sei und deshalb „einen anderen Terminstag nach dem 19.01.2018“ erbitte. Das Vorbringen wurde anwaltlich versichert.

Das Amtsgericht hat dem Verlegungsantrag mit Verfügung vom 30. November 2017 entsprochen – ohne dabei offenkundig das anwaltliche Vorbringen näher zu hinterfragen, obwohl es sich bei dem ursprünglich anberaumten Termin tatsächlich um den Montag nach den bis zum 13. Januar 2018 dauernden hessischen (Schul-) Weihnachtsferien handelte, wie sich als allgemeinkundige Tatsache bspw. über das Internetportal des hessischen Kultusministeriums feststellen lässt. Zugleich hat der Bußgeldrichter neuen Termin zur Hauptverhandlung für den 15. Februar 2018 bestimmt; ausweislich der Ladungsverfügung war dieser Termin nicht nur mit der Kanzlei, sondern mit dem Verteidiger selbst abgesprochen. Am 8. Januar 2018 hat der Verteidiger schriftsätzlich eine erneute Terminsverlegung beantragt, die er mit einer Verhinderung „aufgrund eines Seminars (Fortbildung Fachanwaltschaft)“ begründet hat. Eine Terminierung sei, so der Verteidiger weiter, sollte der Verhandlungstag ein Donnerstag sein, „aufgrund anderweitiger Termine in einer Strafangelegenheit mit mehreren Verhandlungstagen erst am 29.03.2018 möglich“.

Mit Verfügung vom 10. Januar 2018 hat das Amtsgericht auch dem zweiten Verlegungsantrag entsprochen und in Absprache mit dem Verteidigerbüro nunmehr den 29. März 2018, 13.30 Uhr, als Termin anberaumt. Nach Übermittlung einer Schutzschrift vom 8. März 2018 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 9. März 2018 einen nochmaligen Verlegungsantrag gestellt, da er bei Eingang der Ladung übersehen habe, „dass dieser Termin in die hessischen Osterferien fällt und sowohl der Betroffene als auch der Verteidiger sich im Urlaub befinden“.

Das Amtsgericht hat die erneute Terminsverlegung mit Schreiben vom 14. März 2018 abgelehnt und hierzu mitgeteilt: „Dies ist bereits der dritte Termin. Sämtliche Termine wurden mit Ihrer Kanzlei abgesprochen. Jedes Mal haben Sie dann danach um Terminverlegung gebeten. Das Gericht ist diesen Anträgen bereits zweimal nachgekommen. Dieser dritte Termin findet nunmehr statt.“

Mit Telefax vom 28. März 2018, dem Amtsgericht am gleichen Tag um 13.53 Uhr übermittelt, hat der Verteidiger mitgeteilt, dass der Betroffene, der zum Termin persönlich erscheinen müsse, „plötzlich erkrankt“ sei. Er könne, so der Verteidiger, „auch im Hinblick auf die weite Anreise (ca. 600 km einfache Strecke) daher an dem Termin am 29.03.2018 nicht teilnehmen“. Das Vorbringen wurde anwaltlich versichert. Eine telefonische Erreichbarkeit der zuständigen Geschäftsstelle war zu diesem Zeitpunkt – wie der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren vorträgt – nicht gegeben.

Zum Hauptverhandlungstermin am 29. März 2018 sind weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen. Das Amtsgericht hat den Einspruch hierauf mit der formelhaften Begründung verworfen, dass der Betroffene im Termin ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei, ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden gewesen zu sein.

Das Verwerfungsurteil ist dem Betroffenen am 7. April 2018 zugestellt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. April 2018 hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 9. Mai 2018 begründet. Beide Schriftsätze wurden dem Amtsgericht am Tag ihrer Abfassung per Telefax übermittelt. Der Betroffene rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und erhebt daneben die allgemeine Sachrüge, die nicht näher ausgeführt ist.

Das Amtsgericht hat die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 4. Juni 2018 als unzulässig verworfen und ausgeführt, dass die Begründung des Rechtsmittels verspätet erfolgt sei. Nach Zustellung des Verwerfungsbeschlusses am 7. Juni 2018 – so trägt es der Verteidiger schriftsätzlich vor, während das zugehörige Empfangsbekenntnis auf den 11. Juni 2018 datiert – hat der Betroffene mit am 11. Juni 2018 eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom gleichen Tag die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 10. Juli 2018 beantragt, sowohl den Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts als auch das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Einzelrichterin des Bußgeldsenats hat die Sache nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil im Rahmen der Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts die Klärung der Rechtsfrage geboten ist, ob das pauschale Vorbringen einer „plötzlichen Erkrankung“ des Betroffenen vor Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG eine Nachforschungspflicht des Bußgeldrichters hinsichtlich der näheren Umstände der behaupteten Verhinderung auslöst.

II.

1. Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO zulässig und auch begründet.

Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Juni 2018 ist aufzuheben. Die Begründung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist sowohl form- als auch fristgerecht erfolgt. Wenn ein Urteil – wie im vorliegenden Fall – schon vor der Einlegung des Rechtsmittels zugestellt wurde, so schließt sich die Rechtsmittelbegründungsfrist an die Einlegungsfrist an (vgl. BGHSt 36, 241). Bei der Berechnung der Begründungsfrist muss in diesen Fällen somit zunächst der Ablauf der einwöchigen Einlegungsfrist (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1 StPO) festgestellt werden. Erst mit Ablauf dieser Frist beginnt die Monatsfrist nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO zu laufen.

Vorliegend wurde das angefochtene Urteil am 7. April 2018 – einem Sonnabend – zugestellt. Damit endete die einwöchige Einlegungsfrist mit Ablauf des 16. April 2018 – dem auf den 14. April 2018 folgenden nächsten Werktag. Die einmonatige Begründungsfrist begann hiernach am 17. April 2018 zu laufen, so dass der Eingang der Begründungsschrift am 9. Mai 2018 rechtzeitig erfolgt ist.

Der hilfsweise gestellte Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung ist gegenstandslos.

2. In der Sache hat die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde dagegen keinen Erfolg.

a) Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe über den Antrag des Betroffenen, den Hauptverhandlungstermin wegen seiner mitgeteilten Erkrankung zu verlegen, zu Unrecht nicht entschieden und durch die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), ist ordnungsgemäß ausgeführt und daher zulässig erhoben, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO.

Die Rechtsbeschwerde teilt den gesamten Verfahrensgang einschließlich der wörtlichen Wiedergabe der unter I. in Bezug genommenen Schriftsätze des Verteidigers sowie der gerichtlichen Schreiben, den Zeitpunkt der Übermittlung des Telefax vom 28. März 2018 an das Amtsgericht und die Tatsache mit, dass eine gerichtliche Entscheidung betreffend diesen Antrag nicht ergangen ist, sondern ein Abwesenheitsurteil erlassen wurde, dessen Begründung sich in der formelhaften Wendung erschöpfte, dass der Betroffene im Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei.

Weiterer Ausführungen – nämlich der sonst im Rahmen einer Gehörsrüge erforderlichen Darlegung, was der Betroffene in der Hauptverhandlung vorgetragen hätte – bedurfte es nicht. Eine solche Darlegung ist nicht nur dann entbehrlich, wenn der Rechtsbeschwerdeführer rügt, dass das Gericht seine Erklärung zur Sache in dem nach § 73 Abs. 2 OWiG rechtzeitig gestellten Entbindungsantrag seines Verteidigers nicht ausreichend zur Kenntnis genommen habe (std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 19. Mai 2017 – 3 Ws (B) 109/17 – und vom 29. Juli 2014 – 3 Ws (B) 406/14, jeweils mwN), sondern – wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in ihrer Zuschrift vom 10. Juli 2018 zutreffend ausführt – auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation (so ausdrücklich OLG Oldenburg NZV 2011, 92; vgl. auch Göhler, OWiG 17. Aufl., § 80 Rn. 16c [für Anträge auf Zulassung der Rechtsbeschwerde]).

b) Die zulässige Verfahrensrüge ist indes unbegründet. Zwar ist die nur formelhafte Begründung des Verwerfungsurteils nicht frei von Rechtsfehlern, jedoch beruht die angefochtene Entscheidung hierauf nicht, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 337 Abs. 1 StPO.

aa) (1) Es kann zunächst dahinstehen, ob – was vorliegend nicht ersichtlich ist – der Bußgeldrichter vor dem Erlass seines Verwerfungsurteils Kenntnis vom Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen hatte. Denn nach dem durch den Akteninhalt bestätigten Sachvortrag der Rechtsbeschwerde wurde der hierauf gestützte Terminsverlegungsantrag seitens des Verteidigers am 28. März 2018 vor 14.00 Uhr per Telefax an die zentrale Postverteilungsstelle des Amtsgerichts übermittelt; auch unter den Verhältnissen eines Großstadtgerichts ist somit davon auszugehen, dass der Schriftsatz der zuständigen Geschäftsstelle am Terminstag, dem 29. März 2018 (auf den auch der dortige Eingangsstempel datiert), bereits mit dem ersten morgendlichen Postzutrag und nicht erst nach der – zur späten Mittagsstunde anberaumten – Hauptverhandlung zugeführt wurde. Hierfür spricht auch der Umstand, dass das Telefax mit einem ausdrücklichen und optisch hervorgehobenen Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit („Eilt! Bitte sofort vorlegen! Betrifft Termin morgen!!“) versehen war. Der Bußgeldrichter wäre insoweit aufgrund seiner Fürsorge- und Aufklärungspflicht gehalten gewesen, sich vor Erlass des Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle zu vergewissern, ob eine Mitteilung über die Verhinderung des Betroffenen vorliege, denn erfahrungsgemäß erreicht eine solche die Geschäftsstelle auch noch kurz vor einem Termin (vgl. Senat NStZ-RR 2014, 382; OLG Dresden, Beschluss vom 12. Februar 2013 – Ss 911/12 (Z) – [juris]; OLG Köln VRS 102, 382; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 74 Rn. 35, jeweils mwN). War auf der Geschäftsstelle zum Zeitpunkt der Verwerfungsentscheidung ein solches Entschuldigungsschreiben (oder eine entsprechende fernmündliche Nachricht) bereits eingegangen – wovon hier wie dargelegt auszugehen ist –, ist die fehlende Kenntnis des Tatrichters für die zu treffende Entscheidung ohne Belang (vgl. Senat aaO sowie NZV 2009, 518; 2003, 586; OLG Bamberg NZV 2009, 303; OLG Köln aaO; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 275; Senge aaO).

(2) Hiernach begründet es einen rechtsfehlerhaften Darlegungsmangel, dass sich das angefochtene Verwerfungsurteil mit dem schriftsätzlichen Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen – und dem damit einhergehenden Verlegungsantrag, der einem solchen Vorbringen sachlogisch auch dann innewohnt, wenn er nicht wie hier ausdrücklich formuliert wird – nicht auseinandersetzt. Der Bußgeldrichter muss die Umstände, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben (und damit vorliegend zugleich das seines Verteidigers) entschuldigen sollen, grundsätzlich ebenso ausführlich und vollständig darlegen wie seine eigenen, in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen. Denn nur so ist dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung möglich, ob das Amtsgericht die ihm bekannten oder erkennbaren, als Entschuldigungsgrund in Betracht kommenden Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt hat (vgl. etwa KG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 – 5 Ws (B) 758/01 – [juris]; OLG Oldenburg aaO; OLG Karlsruhe NZV 2006, 217; OLG Brandenburg JMBl BB 2005, 94; OLG Hamm NZV 2003, 294; OLG Köln NStZ-RR 1999, 337). Diesen Anforderungen genügen die formelhaften Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht.

bb) Das Urteil des Amtsgerichts beruht indes nicht auf dem dargestellten Rechtsfehler (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 337 Abs. 1 StPO), denn das Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen war von vornherein nicht geeignet, sein Ausbleiben im anberaumten Termin genügend zu entschuldigen (vgl. KG aaO; OLG Oldenburg aaO; OLG Bamberg aaO; OLG Karlsruhe aaO; OLG Hamm aaO; OLG Köln aaO).

(1) Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen. Hiernach stellt die Erkrankung eines Betroffenen (nur) dann einen ausreichenden Entschuldigungsgrund dar, wenn sie nach ihrer Art und nach ihren Wirkungen, insbesondere nach dem Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar erscheinen lässt (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – mwN; OLG Köln DAR 1987, 267; OLG Düsseldorf NStZ 1984, 331). Der zwingenden Verhandlungsunfähigkeit bedarf es insoweit nicht (vgl. Senat NZV 2002, 421).

Eine Pflicht zur Glaubhaftmachung des behaupteten Entschuldigungsgrundes oder gar zu einem lückenlosen Nachweis trifft den Betroffenen nicht (std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – ; VRS 108, 110 [zu § 329 Abs. 1 StPO] sowie NZV 2002, 421). Daher kann insbesondere aus der mangelnden Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung – oder deren inhaltlicher Unzulänglichkeit – nicht geschlossen werden, dass eine geltend gemachte Erkrankung nicht der Wahrheit entspreche und der Betroffene deshalb nicht genügend entschuldigt sei. Bestehen Zweifel, ob er genügend entschuldigt ist und können diese auch im Freibeweisverfahren nicht geklärt werden, darf sein Einspruch nicht verworfen werden.

Die gerichtliche Nachforschungspflicht setzt indes erst dann ein, wenn überhaupt ein schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält. Ein Sachvortrag, der dem Tatgericht die Bewertung einer „Erkrankung“ des Betroffenen als Entschuldigungsgrund ermöglichen soll, erfordert für seine Schlüssigkeit dabei zumindest die Darlegung eines krankheitswertigen Zustandes, also eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. BSGE 35, 10; Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – mwN; OLG Bamberg aaO).

(2) Das ausschließliche Vorbringen des Verteidigers in dessen Schriftsatz vom 28. März 2018, der Betroffene sei „plötzlich erkrankt“, weshalb er „auch im Hinblick auf die weite Anreise“ nicht am anberaumten Termin teilnehmen könne, genügte den dargestellten (Mindest-)Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag nicht. Weder wurden die Art der Erkrankung noch die vorhandene Symptomatik zumindest dem allgemeinem Sprachgebrauch nach bezeichnet, so dass sich Erwägungen zur grundsätzlichen Plausibilität des behaupteten Entschuldigungsgrundes nicht einmal ansatzweise anstellen ließen – wobei der Umstand, dass es sich um ein Vorbringen aus der Sphäre des Betroffenen handelt, einen umfassenderen Sachvortrag ermöglicht, der ihm bzw. seinem Verteidiger auch zuzumuten ist. Eine Nachforschungspflicht des Bußgeldrichters, die näheren Umstände der Verhinderung des Betroffenen allein auf der Grundlage einer derart pauschalen Behauptung durch Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger oder dem Betroffenen persönlich einer Klärung zuzuführen, erkennt der Senat nicht (im Grundsatz ebenso Senat DAR 2011, 146 [aufgrund näherer Darlegung der in Bezug genommenen Erkrankung mit anderem Ergebnis]; Beschluss vom 24. April 2002 – 3 Ws (B) 2/02 mwN; vgl. auch OLG Bamberg aaO); an der vereinzelt gebliebenen Auffassung, allein die Erklärung, der Betroffene sei „akut erkrankt und weder reise- noch verhandlungsfähig“, gebe hierfür Anlass (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2011 – 3 Ws (B) 268/11 –), hält er nicht fest. Denn in ihrer Pauschalität lässt eine solche Mitteilung lediglich vermuten, dass der Betroffene meint, aufgrund seines Gesundheitszustandes sei ihm eine Teilnahme an der Hauptverhandlung – vorliegend in Verbindung mit der notwendigen Anreise – nicht zuzumuten, während er die konkreten und sodann überprüfbaren Anhaltspunkte hierfür unerwähnt lässt. Insoweit ist auch keine Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit den erfahrungsgemäß häufig vorkommenden Fällen der Vorlage einer unspezifisch formulierten ärztlichen Bescheinigung gegeben, denn in den letztgenannten Fällen ergeben sich hinreichende (wenn auch im Rahmen der gerichtlichen Nachforschungspflicht ggf. zu verifizierende) Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung des Betroffenen zwanglos aus dem Umstand, dass ein ausgebildeter Mediziner bei dem vorstellig gewordenen Patienten auf das Vorliegen eines krankheitswertigen Zustandes erkannt hat.

(3) Der Betroffene hatte auch keinen Grund zu der Annahme, dass dem Terminsverlegungsantrag seines Verteidigers ohne ein geeignetes Entschuldigungsvorbringen entsprochen werden könnte. Zwar wird einem solchen Gesuch in der Regel nachzukommen sein, wenn ein Betroffener bzw. sein Verteidiger rechtzeitig – und mit nachvollziehbarer Begründung – erstmals einen Antrag auf Verlegung eines Hauptverhandlungstermins stellen (vgl. OLG Karlsruhe aaO; BayObLG MDR 1996, 955); eine derartige Fallkonstellation war vorliegend indes nicht gegeben.

cc) Soweit der Beschwerdeführer schließlich der Auffassung ist, das Amtsgericht wäre gehalten gewesen, gemäß § 72 OWiG im Beschlusswege zu entscheiden, statt ein Verwerfungsurteil zu erlassen, lagen schon die formellen Voraussetzungen für ein solches Vorgehen im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht vor.

c) Auch die allgemein erhobene Sachrüge bleibt ohne Erfolg. Diese führt bei einem Prozessurteil – wie hier – nur zur Nachprüfung von Verfahrenshindernissen (vgl. BGHSt 21, 242; 46, 230; Senge aaO, § 74 Rn. 55). Für solche liegen jedoch keine Anhaltpunkte vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG K. P. Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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