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Entscheidungen

Gebühren

Verfahrensunterbrechung, neue Angelegenheit, Begriff der Erledigung des Auftrags

Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Thüringen, Beschl. v. 17.12.2018 - 4 VO 812/18

Leitsatz: Um eine Erledigung des Auftrags im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG handelt es sich auch dann nicht, wenn ein gerichtliches Verfahren mehr als zwei Jahren geruht hat und/oder seitens des Gerichts statistisch erledigt wurde.


In pp.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 14. November 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar, mit dem es der Erinnerung des Beschwerdegegners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. September 2018 stattgegeben hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 6. Juni 2012 erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgericht Weimar eine Klage, mit der sie die Verpflichtung des Beschwerdegegners zu ihrer Nachdiplomierung zur „Betriebswirtin (FH)“ begehrte. Dieses Klageverfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 2 K 648/12 We geführt. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2012 übersandte der zuständige Berichterstatter das Urteil vom 14. Juni 2012 (Az.: 2 K 1134/11 We) in einem gleichgelagerten Fall und verwies darauf, dass dieses noch nicht rechtskräftig sei. Er stellte anheim, bis zu einer Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Auf entsprechenden Antrag der Beteiligten ordnete das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 9. November 2012 das Ruhen des Verfahrens an. Mit Verfügung vom 17. Mai 2013 ließ der Berichterstatter das Verfahren (als statistisch) erledigt austragen.

Mit Schriftsatz vom 14. März 2018 nahm der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin das Verfahren wieder auf, teilte mit, dass der Beschwerdeführerin der begehrte Abschluss zuerkannt worden sei und erklärte das Verfahren für erledigt. Mit Verfügung vom 28. März 2018 teilte der Berichterstatter den Beteiligten mit, dass das Verfahren wieder aufgenommen werde und nunmehr das Aktenzeichen 2 K 663/18 We trage. Nachdem der Beschwerdegegner sich der Erledigungserklärung angeschlossen hatte, stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren durch Beschluss vom 20. April 2018 unter dem Aktenzeichen 2 K 663/18 We ein.

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Kostenfestsetzungsantrag, mit dem u. a. zwei Verfahrensgebühren geltend gemacht wurden. Durch Beschluss vom 10. September 2018 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Weimar die von dem Beschwerdegegner an die Beschwerdeführerin zu zahlenden Kosten auf 2.158,95 € fest. Dieser Betrag umfasste auch eine zweite Verfahrensgebühr in Höhe von 845,00 € (Nr. 3100 VV RVG), die auf Grundlage des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG zuerkannt wurde. Insoweit hat der Beschwerdegegner am 26. September 2018 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass die Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht zu einer Erledigung geführt habe. Dieser Erinnerung des Beschwerdegegners hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14. November 2018 stattgegeben.

Nach Zustellung des Beschlusses vom 14. November 2018 am 22. November 2018 hat der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2018 Beschwerde gegen diesen Beschluss erhoben und diese auch zugleich begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverfahrens wird verwiesen auf die Gerichtsakte des Verfahrens 2 K 648/12 We/2 K 663/18 We und die Gerichtsakte des Verfahrens 2 S 1930/18 We (4 VO 812/18). Diese waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Erinnerung des Beschwerdegegners zu Recht stattgegeben. Dem Beschwerdeführer steht keine weitere Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zu. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG liegen nicht vor. Nach der vorgenannten Bestimmung gilt eine weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn ein früherer Auftrag seit mehr als zwei Jahren erledigt ist. Eine Erledigung des Auftrags im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG (und auch des § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG) tritt erst ein, wenn der Anwalt seine Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag vollständig erfüllt hat (BGH, Beschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 60/08 - MDR 2010, 1218 = juris Rn. 14). Das ist bei einer Ruhensanordnung und einer daran anknüpfenden Austragung des Verfahrens als statistisch erledigt nicht der Fall. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens führt lediglich zu einer (vorübergehenden) Unterbrechung des Verfahrens. Der Rechtsanwalt muss jederzeit mit einer Fortführung des Verfahrens rechnen, auch wenn seit der Unterbrechung mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Bereits im Zeitpunkt der Anordnung des Ruhens des Verfahrens war die Fortführung des Verfahrens bei Vorliegen einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (bzw. Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils) in dem gleichgelagerten Verfahren beabsichtigt. Ein neuer Auftrag ist bei einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht erforderlich, da der Prozessbevollmächtigte weiterhin beauftragt bleibt (BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - VII ZB 69/05 - NJW 2006, 1525 = juris Rn. 5; Beschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 60/08 - MDR 2010, 1218 = juris Rn. 26; BayVGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 15 M 14.2529).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. November 2017 (Az. V ZB 152/16). Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass die Beklagtenseite mehr als vier Jahre nach öffentlicher Zustellung eines Versäumnisurteils Einspruch einlegte und Widerklage sowie Eventualwiderklage erhob. Diese Fallkonstellation gibt schon allein deshalb für den Verwaltungsprozess nichts her, weil die Verwaltungsprozessordnung kein Versäumnisurteil vorsieht.

Auch kommt ungeachtet dessen unter Berücksichtigung der vom BGH in der vorgenannten Entscheidung entwickelten Grundsätze keine analoge Anwendung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG auf den Fall der Ruhensanordnung in Betracht. Es fehlt an einer interessengleichen Lage. Der BGH hat in der o.g. Entscheidung eine Erledigung des von der Klägerseite erteilten Anwaltsauftrags mit der Begründung angenommen, dass die Beklagtenseite nicht innerhalb der vom Gericht nach § 339 Abs. 2 ZPO bestimmten Einspruchsfrist Einspruch eingelegt habe und dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerseite mit einem Einspruch, ggf. in Verbindung mit einem Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls nicht mehr nach Ablauf der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO hätten rechnen müssen (BGH, Beschluss vom 6. November 2017 - V ZB 152/16 - juris Rn. 10). Daraus hat der BGH geschlussfolgert, dass es zumindest zu einer „scheinbaren“ Erledigung des Verfahrens gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2017 - V ZB 152/16 - juris Rn. 15). Dies lässt sich auf den Fall der statistischen Erledigung eines Verfahrens sechs Monate nach der Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht übertragen. Dabei handelt es sich weder um eine echte oder eine scheinbare Erledigung, sondern nur um eine statistischen Zwecken dienende Erledigungsfiktion. Soweit in der Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Wiederaufnahme des Verfahrens ein neues Aktenzeichen vergeben werden muss, ist dies nur auf den Umstand zurückzuführen, dass es (noch) keine technische Möglichkeit gibt, ein als statistisch erledigt ausgetragenes Verfahren unter dem bisherigen Aktenzeichen fortzuführen. Keiner der Beteiligten kann ungeachtet dessen, ob ihm die statistische Austragung mitgeteilt wird oder nicht, daraus schlussfolgern, dass das Verfahren und damit der Auftrag sich erledigt hat. Anknüpfungspunkt für die Bewertung dieser Frage bleibt die Ruhensanordnung, die hier im konkreten Fall darauf zurückzuführen war, dass die Rechtskraft der Entscheidung in einem Parallelverfahren abzuwarten war, die erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2017 (Az. 6 C 43.16) eintrat. Von Anfang an stand fest, dass das nur unterbrochene Verfahren nach Abschluss des Parallelverfahrens fortgeführt werden sollte. Das Verfahren nach der Wiederaufnahme bildet zusammen mit dem unterbrochenen Verfahren eine einheitliche Instanz (vgl. Mayer in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2019, Rn. 34 zu § 15 RVG).

Allein der Umstand, dass sich ein Rechtsanwalt in ein Verfahren wieder neu einarbeiten muss, wenn ein längerer Zeitraum vergangen ist, ohne dass es betrieben wurde, zwingt nicht zu der Schlussfolgerung, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG in allen Fällen analog anzuwenden ist, wenn dieser Zeitraum zwei Jahre erreicht. Ungeachtet dessen, dass dies ein Beweggrund für die Einführung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG gewesen sein mag, ändert es nichts daran, dass die Erledigung eines (früheren) Auftrags und damit schon die Entstehung (hier) einer Verfahrensgebühr Voraussetzung für die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung ist. Dies ist bei Unterbrechung eines noch nicht erledigten Verfahrens nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da nur eine Festgebühr in Höhe von 60,00 € nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anl. 1 zum GKG) entsteht.


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