Gericht / Entscheidungsdatum: AG Dortmund, Urt. v. 29.05.2018 - 729 OWi-260 Js 706/18-101/18
Leitsatz: 1. Wenn zwei Drogenfahrten abzuurteilen sind, ist nur ein einheitliches (nicht wegen Mehrfachtat zu verlängerndes) Fahrverbot festzusetzen und zwar auch dann, wenn das Verfahren zunächst hinsichtlich beider Taten getrennt geführt und terminiert wurde und erst im Rahmen des zuerst terminierten Hauptverhandlungstermins beide Verfahren miteinander verbunden worden sind.
2. Zum Absehen vom Fahrverbot bei einer vorsätzlichen Drogenfahrt.
2. Im Falle des Vorsatzes ist das Absehen von einem Drogenfahrverbot überhaupt nicht für möglich.
3. Das Geld, das der Täter einer Drogenfahrt für Drogen ausgibt, kann für die Dauer eines Fahrverbots zur Abwendung beruflicher Härten für Fernbusfahrten zur Arbeit (1 Fahrt monatlich) verwendet werden.
729 OWi-260 Js 706/18-101/18
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Dortmund
aufgrund der Hauptverhandlungen vom 22.05.2018 und 29.05.2018, an denen teilgenommen haben:
-Von der Hinzuziehung eines Protokollführers
wurde gemäß §§ 71 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG
i.V.m. § 226 Abs. 2 StPO abgesehen-
am 29.05.2018 für Recht erkannt:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Drogenfahrt in 2 Fällen zu zwei Geldbußen von je 500,00 verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 100,00 jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit dem 1. des Folgemonats nach Erhalt er Zahlungsaufforderung zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwarnung gelangt, spä-testens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
(§§ 24 a, 25 StVG, 20 OWiG)
G r ü n d e :
Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang nicht vorbelastet. Er ist beruflich tätig im Bereich des Internets bzw. der Werbung. Als selbständiger Unternehmer und Mitge-sellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung verdient er monatlich 3.800,00 netto. Vom Betrieb wird ihm ein Mercedes-AMG zur Verfügung gestellt. Nach eigenen durch das Gericht nicht überprüfbaren Angaben muss er einmal monatlich nach Leipzig und einmal monatlich nach Stuttgart fahren. Er hat auf Frage bestätigt, dass er diese Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, namentlich mit dem Zug oder mit einem Flix-Bus unternehmen könnte. Vor Ort müsse er dann allerdings mit einem Taxi weiterfahren. Der Angeklagte erklärte hierzu für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass die Kosten derartiger Fahrten höher seien, als die Kosten sei-nes Mercedes-AMG. Er selbst habe nur einen festangestellten Mitarbeiter, der in Lingen arbeite. Dieser sei nur im Rahmen des Home-Office tätig. Dieser habe jedoch einen Führerschein. Im Übrigen sei es so, dass der Betroffene selbst die Errichtung einer neuen Gesellschaft plane, um beruflich zu expandieren. Hierfür sei seit Januar die Planung am Laufen. Eine Kreditaufnahme sei auch geplant. Wenn er nun darauf verwiesen werde, einen Kredit aufnehmen zu müssen, um einen Fahrer zu finanzie-ren, so sei dies sicher nicht möglich. Er befinde sich bereits am Kreditlimit.
Am 5. Januar 2017 gegen 01.25 Uhr befuhr der Betroffene die Linienstraße in Dort-mund mit seinem Mercedes-AMG mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXXX. Er fiel hierbei der Polizei auf, da die Linienstraße nicht befahrbar ist infolge der dort zu-lässigen Prostitution. Der Betroffene wurde hier angehalten. Es konnte festgestellt werden, dass der Betroffene Cannabis zu sich genommen hatte. Die polizeilich an-geordnete Blutprobenentnahme führte zu dem Ergebnis, dass der Betroffene zur Tatzeit folgende Drogen bzw. Drogenabbauprodukte in seinem Blut hatte:
THC 4,4 µg/l
11-Hydroxy-THC 2,4 µg/l
THC-Carbonsäure 56 µg/l
Der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass er nach dem Konsum von Cannabis nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen durfte. Nach der Blutprobe wur-de der Betroffene von der Polizei entlassen. Ihm wurde die Weiterfahrt bis zur wie-dererlangten Fahrtüchtigkeit ausdrücklich untersagt. Auch wurden seine Fahrzeug-schlüssel sichergestellt.
Dies hinderte den Betroffenen jedoch nicht, nur 1 ¼ Stunde später die Steinstraße in Fahrtrichtung Westen mit seinem Fahrzeug Mercedes-AMG mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXXX zu befahren. Der Betroffene handelte insoweit vorsätzlich angesichts der vorherigen Feststellungen im Rahmen der Fahrt um 01.25 Uhr. Auch nach der Fahrt um 02.40 Uhr wurde der Betroffene von der Polizei zur Polizeiwache mitgenommen. Ihm wurde wiederum eine Blutprobe entnommen. Die Blutprobe ergab wiederum erwartungsgemäß einen noch akut wirkenden Drogenkonsum vor der Tat. Folgende Inhaltsstoffe konnten im Blut des Betroffenen nachgewiesen wer-den:
THC 3,6 µg/l
11-Hydroxy-THC 1,1 µg/l
THC-Carbonsäure 39 µg/l
Der Betroffene wollte sich zur Sache nicht einlassen. Die tatsächlichen Tatschilde-rungen hat das Gericht durch urkundsbeweisliche Verlesung des Anzeigentextes hin-sichtlich der Tat um 01.25 Uhr einführen können. Hierbei handelt es sich um eine gemäß § 256 Abs. I Nr. 5 StPO verlesbare Urkunde. Hieraus ergab sich das ver-botswidrige Befahren der Linienstraße um 01.25 Uhr. Es ergab sich aus diesen do-kumentierten Ermittlungshandlungen auch, dass der Betroffene aufgrund der ver-größerten Pupillen und der fehlenden Reaktion auf Lichteinfall den Verdacht erweck-te, unter Drogeneinfluss zu stehen. Ferner ergab sich aus der verlesbaren und verle-senen Erklärung auch, dass eine Blutprobenentnahme angeordnet wurde und diese unter Venülnummer 49110 stattgefunden hat. Aus dem mit Zustimmung des Be-troffenen und des Verteidigers verlesenen Gutachten des Labors A vom 15.01.2018 ergab sich der Gehalt von Drogen bzw. Drogenabbaustoffen im Blut des Betroffenen, wie in den tatsächlichen Feststellungen enthalten.
Was die Tat vom 5. Januar 2018 um 02.40 Uhr angeht, so konnte ebenso der An-zeigentext urkundsbeweislich gemäß § 256 Abs. I Nr. 5 StPO verlesen werden. Hie-raus ergab sich wiederum, dass der Betroffene zu der genannten Zeit die Steinstra-ße in Fahrtrichtung Westen befuhr, und zwar mit seinem bezeichneten
PKW. Aus dem Anzeigentext ergibt sich dann ebenso, dass der Betroffene von den Beamten als der Fahrer festgestellt wurde, der bereits 1 ¼ Stunden zuvor angetrof-fen worden war und dem nach einer Blutprobenentnahme die Weiterfahrt untersagt worden war. Wiederum konnte festgestellt werden, dass die Pupillen des Betroffenen vergrößert waren und kaum erkennbare Reaktionen auf Lichteinfall aufwiesen. Schließlich ergab sich aus der Anzeigenschilderung, dass der PHK B als Anzeigen-verfasser eine Blutprobenentnahme anordnete und diese durch die diensthabende Ärztin Dr. C unter Venülnummer 47950 entnommen wurde. Die genannte Ärztin war auch die entnehmende Ärztin der ersten Blutprobe. Die genannte Blutprobe wurde durch Herrn Dr. D vom Labor A, einem forensischen Chemiker und Toxikologen, ausgewertet. Dieser konnte im Rahmen seiner Aussage als Sachverständiger ein Gutachten zum Blut dahin erstatten, dass die eingangs genannten Wirkstoffkonzent-rationen von THC und dessen Abbauprodukten im Blut des Betroffenen, das infolge der Tat um 02.40 Uhr entnommen wurde, festgestellt werden konnten.
Dementsprechend war der Betroffene wegen der ersten Tat wegen fahrlässiger Dro-genfahrt gemäß § 24 a StVG zu verurteilen. Das Gericht hat den Betroffenen auch wegen der zweiten Fahrt wegen fahrlässiger Drogenfahrt verurteilt. Das Gericht hat insoweit leider vergessen, einen rechtlichen Hinweis auf Vorsatztat zu erteilen und die Regelgeldbuße dementsprechend auch zu verdoppeln. Wahrscheinlich hätte auch bereits das dreiste Verhalten des Betroffenen, unmittelbar nach der ersten Tat wieder das Auto zu besteigen und wiederum unter Drogeneinfluss zu fahren, eine erhöhte Geldbuße nach sich ziehen können. Das Gericht hat dies aber sicherheits-halber im Hinblick auf einen möglichen Rechtsbeschwerdeerfolg unterlassen.
Die Bußgeldkatalogverordnung sieht für eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt bzw. eine fahrlässige Drogenfahrt eine Regelgeldbuße von 500,00 vor, die das Gericht für jede der beiden abgeurteilten Taten festgesetzt hat.
Ferner war ein Fahrverbot festzusetzen gemäß §§ 24 a, 25 Abs. I Satz 2 StVG.
Auch wenn zwei Drogenfahrten abzuurteilen waren, konnte nur ein einheitliches Fahrverbot festgesetzt werden, und zwar mit der für eine Drogenfahrt ohne ein-schlägige Voreintragungen vorgesehenen Regeldauer von einem Monat.
Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Falle das Verfahren zunächst getrennt geführt und terminiert wurde und erst im Rahmen des zuerst terminierten Hauptver-handlungstermins beide Verfahren miteinander verbunden werden.
Das Fahrverbot war sodann noch mit einer Schonfrist gemäß § 25 Abs. II a StVG zu versehen.
Dem Gericht war bewusst, dass unter Anwendung des § 4 Abs. IV BKatV von einer Fahrverbotsanordnung abgesehen werden kann unter angemessener Erhöhung der Geldbuße. Das Gericht hat hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht. Maßgeblich war hierfür vor allem, dass der Betroffene die zweite Drogenfahrt vorgenommen hat, obwohl ihm das Fahren eines Fahrzeugs durch die Polizei nach vorheriger Blutpro-benentnahme untersagt worden war. Der Betroffene handelte daher vorsätzlich. Im Falle des Vorsatzes hält das Gericht das Absehen von einem Drogenfahrverbot überhaupt nicht für möglich. Sicherheitshalber hat das Gericht jedoch die persönli-chen Verhältnisse im oben genannten Umfange nachgefragt. Das Gericht konnte insoweit auch keine beruflichen Härten feststellen. Für einen Drogenfahrer hält es das Gericht durchaus für zumutbar, für den Fall des Abbüßens eines einmonatigen Fahrverbotes zwei einfache Fahrten nach Leipzig und nach Stuttgart mittels öffentli-cher Verkehrsmittel durchzuführen und hier ggf. im Anschluss dann noch vor Ort ein Taxi zu nehmen. Das Gericht kann auch entgegen der Schilderung des Betroffenen nicht erkennen, dass eine Fahrt mit einem Flix-Bus und eine kurze Taxifahrt vor Ort teurer sein sollten, als das Fahren mit einem Mercedes-AMG. Zudem ist es so, dass der Betroffene als Gutverdiener einzuschätzen ist, der sogar genügend Geld hat, sich illegale Drogen zu beschaffen. Wenn er in Zukunft sein Geld, das er für Drogen-konsum ausgibt, spart, so wird er sich sicherlich eine Flix-Bus-Fahrt leisten können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG.
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