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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, sprachunkundiger Ausländer

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 15.03.2019 - 2 Qs 14/19

Leitsatz: Ist der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, ist ihm ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StGB wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung beizuordnen. Allerdings gebieten Verständigungsschwierigkeiten nur regelmäßig, nicht aber ausnahmslos eine Beiordnung; insbesondere dann nicht, wenn die Rechte eines Angeklagten durch die Vorschrift des § 187 GVG ausreichend gewahrt werden.


2 Qs 14/19

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen Urkundenfälschung

hat die 2. große Strafkammer (Jugendkammer I) des Landgerichts Koblenz durch den Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 15.03.2019 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Angeklagten hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Betzdorf vom 30.01.2019 aufgehoben. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Koblenz wirft dem als Flüchtling in die Bundesrepublik gelangten Ange-klagten in der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage Urkundenfälschung zur Last. Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine Mitteilung des BAMF zu ge/verfälschten Reisedokumenten, die sich auf ein Behördengutachten zur Physikalisch-Technischen Urkundenuntersuchung stützt. Gegenstand der Untersuchung war eine vom Angeklagten vorgelegte ID-Karte (sogenannte Tazkira, Ablichtung vom Original BI. 11 d.A.), die von afghanischen Behörden ausgestellt sein soll.

Der Untersuchungsbefund kommt zu dem Ergebnis, dass Formulardruck und Nummer des vor-gelegten Dokuments kopiertechnisch erstellt wurden. Der Gutachter geht nach „derzeitigem Kenntnisstand" von einer nichtamtlichen Ausstellung aus.

Unter Berücksichtigung dessen, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, war dem Angeklagten bei der vorliegenden Sachlage ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StGB wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung beizuordnen. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass Verständigungsschwierigkeiten nur regelmäßig, nicht aber ausnahmslos eine Beiordnung gebieten; insbesondere dann nicht, wenn die Rechte eines Angeklagten durch die Vorschrift des § 187 GVG ausreichend gewahrt werden (Mayer-Goßner/Schmidt, 61. Aufl., § 140 Rn 30a). Die vorliegenden tatsächlichen und gegebenenfalls damit in der Folge verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten sind jedoch von einem Gewicht, das allein durch die Heranziehung eines Dolmetschers nicht ohne weiteres ausräumbar erscheint. Es handelt sich um ein ausländisches Dokument, bei dem der Urkundensachverständige nur nach „derzeitigem Kenntnisstand" von einer nichtamtlichen Ausstellung ausgeht. Dies wird zwar gewichtig durch den Befund gestützt, dass auch die Nummer des Dokuments kopiertechnisch erstellt worden sein soll. Denn bei der Nummerierung „17833711" handelt es sich nach dem Anschein der bei der Akte befindlichen Kopie (BI. 11 d.A.) wohl ursprünglich um einen Stempelaufdruck. Zur Abklärung dieser Auffälligkeit wird jedoch das Original der Vorlage in Augenschein zu nehmen sein. Vor dem Hintergrund der über das Ausländeramt aktenkundig gewordenen Erkenntnisse (vgl. Bearbeitervermerk BI. 31 d.A.) und dem sich möglicherweise hieraus ergebenden weiteren Aufklärungsbedarf, der wiederum unter Umständen eine rechtliche Neubewertung erforderlich machen könnte, erscheint die Wahrung der Verteidigungsrechte allein durch einen Dolmetscher hier nicht hinreichend sichergestellt.

Einer gesonderten Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt.


Einsender: RA Dr. I. Fromm, Koblenz

Anmerkung:


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