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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, deutschunkundige Grieche, Akteneinsicht, Dolmetscher

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stralsund, Beschl. v. 06.05.2019 - 26 Qs 27/19

Leitsatz: Zur (verneinten) Erforderlichkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Griechen, dem Verstöße gegen § 266a StGB vorgeworfen werden.


26 Qs 27/19

Landgericht Stralsund
Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt

hier: Beschwerde gegen die Nichtbeiordnung eines Pflichtverteidigers

hat das Landgericht Stralsund - 26. Kammer (Strafbeschwerdekammer) - durch die unterzeichnenden Richter am 6. Mai 2019 beschlossen:

Die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss des AG Stralsund vom 05.04.2019, Az.: 315 Ds 3/19, wird als unbegründet auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen, § 473 Abs.1 StPO.

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 19.12.2018 hat die Staatsanwaltschaft Stralsund dem Beschwerdeführer vorgeworfen, durch 8 Straftaten als Arbeitgeber gegen § 266a StGB verstoßen zu haben. Auf die Anklageschrift BI. 101ff. der Ermittlungsakte wird Bezug genommen.

Der Angeschuldigte ist griechischer Staatsangehöriger und nicht erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.04.2019 beantragte der Angeschuldigte, ihm Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Dort führte der Verteidiger aus, dass sein Mandant der deutschen Sprache nicht mächtig sei.


Mit angefochtenem Beschluss vom 05.04.2019 wies das AG Stralsund den Antrag des Angeschuldigten ab, ihm Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger zu bestellen. Die fehlenden Sprachkenntnisse des Angeschuldigten würden durch einen Dolmetscher ausgeglichen. Auf den Beschluss BI. 127 d. A. wird verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17.04.2019. Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, dass allein wegen der Schwierigkeit in der Sach- und Rechtslage die Beiordnung geboten sei. Auf die Beschwerdebegründung BI: 135ff. d. A. wird verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat mit Verfügung vom 29.04.2019 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Amtsgericht hat in diesem Grenzfall noch zu Recht die Voraussetzungen einer Beiordnung eines Pflichtverteidigers verneint.

Zwar kommt bei Delikten nach § 266a StGB ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StGB in Betracht (vgl. LG Cottbus, StV 2012, 525, vgl. auch LG Wiesbaden, StraFo 2001, 195). Hier handelt es sich aber um einen einfach gelagerten Sachverhalt. Nach dem Wortlaut des § 74c Abs. 1 Nr. 3 GVG stellen Straftaten nach § 266a StGB nur dann Wirtschaftsstrafsachen dar, wenn zu ihrer Beurteilung entsprechende Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Dies ist der Fall, soweit Straftaten durch den Missbrauch komplizierter und schwer zu durchschauender Mechanismen des modernen Wirtschaftslebens begangen werden und deshalb zur Bearbeitung solcher Verfahren besondere Spezialkenntnisse erforderlich sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 74c GVG Rdnr. 5; OLG Saarbrücken, wistra 2007, 360). Dies dürfte für den hier vorliegenden Fall nicht gelten, da nur acht Fälle gern. § 266a Abs. 1 StGB vorlagen. Auch wenn sich bei Verfahren nach § 266a StGB zwangsläufig Aufstellungen über die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeträge, Lohnabrechnungen, so genannte Beitragsnachweise nach § 28f Abs. 3, 1 SGB IV oder Aufstellungen über die Beitragssätze der Krankenkassen in den Ermittlungsakten befinden und der Angeschuldigte gern. § 147 Abs. 1 StPO nicht selbst Akteneinsicht nehmen kann, so rechtfertigt dieser Umstand allein noch nicht automatisch die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Zunächst sind die Zahlenwerte ohnehin in einer Art und Weise in die Anklageschrift aufzunehmen, so dass dies nachvollziehbar die Berechnung der geschuldeten und nicht gezahlten Beiträge ermöglicht. Dies ist zwar bei der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stralsund unterblieben. Dennoch weist die Anklageschrift keine Mängel auf, die ihre Umgrenzungsfunktion betreffen. Im Anklagesatz für § 266a StGB ist das relevante Verhalten und der Taterfolg anzuführen, einer Berechnungsdarstellung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bedarf es hingegen nicht (vgl. BGH, NStZ 2013, 409; NStZ 2017, 337). Allerdings ist es im Hinblick auf die Informationsfunktion der Anklageschrift regelmäßig angezeigt, im wesentlichen Ermittlungsergebnis die für eine nachvollziehbare Darstellung erforderlichen Tatsachenfeststellungen sowie Berechnungen oder Schätzungen auszuführen. Da es sich hier aber nur um eine Anklage zum Strafrichter handelt, war dies ebenfalls nicht erforderlich.

Daneben hat aber auch der unverteidigte Beschuldigte gern, § 147 Abs. 7 StPO Anspruch auf Erteilung von Auskünften und Abschriften aus der Akte. Insoweit kann Ihm durch Überlassung von entsprechenden Ablichtungen der Zahlenwerke eine sachgerechte Verteidigung ermöglicht werden, so dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht erforderlich ist.

Allein die Tatsache, dass der Angeschuldigte Grieche und damit der deutschen Sprache nicht mächtig ist, rechtfertigt nicht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. So eingeschränkt können die Deutschkenntnisse des Angeschuldigten nicht gewesen sein, zumal er in der Lage gewesen ist, die Fa. ppp. zu gründen. Darüber hinaus wird dem Angeschuldigten in der Hauptverhandlung ein Dolmetscher zur Verfügung stehen.


Einsender: RA S. Riemer, 17489 Greifswald

Anmerkung:


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