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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

kurzfristige Freiheitsstrafe, unerlässlich, Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 02.06.2019 - III 1 RVs 14/19

Leitsatz: Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bedarf einer Begründung, die sich gesondert und eingehend mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinandersetzen muss.


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:
wegen Diebstahls u.a..

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten vom 09. November 2018 gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 05. November 2018 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Angeklagten und seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

1. Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen mit der Maßgabe aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO), dass der Angeklagte des Diebstahls in zwei Fällen schuldig ist
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung
des Amtsgerichts Siegen zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Siegen hat den Angeklagten am 05. November 2018 wegen „Diebstahls geringwertiger Sachen in 2 Fällen" zu einer Gesarntfreiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses dem Verteidiger am 28. November 2018 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit vorab per Telefax am 09. November 2018 beim Amtsgericht Siegen eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage „Rechtsmittel- eingelegt, welches er mit weiterem Telefax-Schreiben des Verteidigers vom 28. Dezember 2018, beim Amtsgericht Siegen eingegangen am selben Tag, als Revision bezeichnet, diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und zugleich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt. das Urteil enthalte eine ungenügende Darstellung der Voraussetzungen des § 47 StGB zur Unerlässlichkeit der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 22. Februar 2019 Stellung genommen und beantragt, wie beschlossen.

II.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer dem Angeklagten und seinem Verteidiger bekannten Stellungnahme vom 22. Februar 2019 Folgendes ausgeführt:

„Die Revision des Angeklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die zulässigerweise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat in der Sache Erfolg.

Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils in materieller Hinsicht deckt bezüglich des Schuldspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des tatrichterlichen Ermessens und daher vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob Rechtsfehler vorliegen. Das Revisionsgericht darf nur dann eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft sind oder wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt (zu vgl. Meyer-Go ßner/Schmitt, StPO. 61. Aufl., § 337. Rn. 34 m.w.N.). Rechtsfehler im Rahmen der Strafzumessung sind insbesondere dann gegeben. wenn der Tatrichter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, wenn seine Erwägungen in sich widersprüchlich oder sonst fehlerhaft sind, wenn er gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder diese außer Acht gelassen hat oder wenn sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten löst, dass ein grobes Missverhältnis zur Schuld und Strafe besteht (zu vgl. BGHSt 17, 36/37; 345 ff.; NStZ 1990, 334).

Auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes hält der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Aus der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung der kurzen Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle ergeben sich besondere Anforderungen an die Begründung der Sanktionsentscheidung im tatgerichtlichen Urteil (vgl. KG StV 2004, 383). Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bedarf einer Begründung, die sich gesondert und eingehend mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinandersetzen muss. Sie muss auch erkennen lassen, dass das Gericht sich der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes bewusst gewesen ist und die besondere Härte der kurzen Freiheitsstrafe im Vergleich zur Geldstrafe in seine Erwägungen einbezogen hat. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat danach regelmäßig nur dann Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (OLG Hamm, Beschluss vorn 18.11.2002 - 2 Ss 768/02 - m.w.N.: BGH StV 1994, 370) Damit die Anwendung des § 47 StGB auf Rechtsfehler geprüft werden kann, bedarf es einer eingehenden und nachprüfbaren Begründung (OLG Köln NJW 1981. 5411; vgl. auch Dahs/Dahs, Die Revision im Strafrecht, 7. Auf! Rn 446). Das Urteil muss dazu eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit umfassende Begründung dafür enthalten, warum eine kurzzeitige Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Formelhafte Wendungen genügen nicht. Der Tatrichter hat vielmehr für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, welche besonderen Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Angeklagten die Verhängung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich gemacht haben (zum Ganzen OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2018 - 111-5 RVs 129/17 -).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht ansatzweise gerecht.

Zur Begründung der Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe hat das Amtsgericht lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt. Einzelfallbezogene Erwägungen fehlen völlig. Es kommt daher schon nicht mehr darauf an, dass das Tatgericht im Falle einer Gesamtstrafe für jede einzelne Tat gesondert darlegen muss, warum in dem konkreten Fall die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich ist (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 47, Rn. 3, 4), was hier ebenfalls unterblieben
ist.

Diesen Ausführungen vermag der Senat sich nicht zu verschließen und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

2. Ergänzend merkt der Senat Folgendes an:

a) Zwar kann die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe einer Begründung ausnahmsweise dann nicht bedürfen, wenn sie sich in einem solchen Maße aufdrängt, dass die ausdrückliche Darstellung im Urteil entbehrlich ist (Senatsbeschluss vom 29. August 2018 zu 111-1 RVs 54/18 m.w.N.; Fischer, StGB, 66. Aufl § 47 Rn. 7). Ein solcher Ausnahmefall liegt aber — auch wenn die Verhängung von Freiheitsstrafen nach den gegebenen Umständen sicher nicht fernliegt — nicht vor.

b) Die Urteilsformel war in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang zu korrigieren. Insoweit handelt es sich nicht um eine sachliche Änderung, sondern lediglich um die Berichtigung eines offensichtlichen Versehens bzw. Mangels, die vom Revisionsgericht ungeachtet der Einschränkung der sachlichen Überprüfung infolge einer Rechtsmittelbeschränkung - wie hier - auch dann vorgenommen werden kann, wenn eine sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergebende Verurteilung in der Urteilsformel keinen vollständigen bzw. klaren Ausdruck gefunden hat (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 16. September 2009 zu 1 Ss 63/09, zitiert nach juris Rn. 8; Franke, in Löwe-Rosenberg, StPO. 26. Aufl., § 354 Rn. 47; Schmitt. in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., 354 Rn. 33).

Dies ist hier der Fall. da Bestimmungen, die keine eigene Straftat beschreiben. sondern z.B. nur eine andere prozessuale Behandlung zulassen (wie § 248 a StGB), nicht in die Urteilsformel gehören (BGH. NJW 1970. 1196, 1197; NJW 1978, 229, 230: Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 260 Rn. 25 m.w.N.).

c) Im Rahmen der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung wird das Amtsgericht insbesondere im Hinblick auf die Diebstahlstat vorn 29. Januar 2018 zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des Senats zwar auch bei Delikten im unteren Bereich der Kriminalität die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht ausgeschlossen erscheint, angesichts des besonderen Bagatellcharakters der Tat und der angesichts der Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch nunmehr zu beachtenden Geständigkeit des Angeklagten allerdings zu erwägen sein wird, ob eine über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende Einzelstrafe angezeigt ist, deren über einen Monat hinausgehende Bemessung gemäß § 39 StGB zudem auch nach Wochen möglich ist.

Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache im Umfang ihrer Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zu neuer Rechtsfolgenbestimmung gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Siegen zurückzuverweisen. die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO nicht feststeht.


Einsender: RA H. Terjung, Köln

Anmerkung:


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