Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 21.03.2019 - 16 W 161/17
Leitsatz: Zum Zeugnisverweigerungsrecht der ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nach den §§ 387 Abs. 1, 384 Nr. 2 ZPO.
16 W 161/17
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Rechtsstreit
pp.
- Zeuge, Beklagter im Zwischenstreit und Beschwerdegegner zu 2.-
Prozessbevollmächtigte:
hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22. November 2017 gegen das Zwischenurteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 3. November 2017 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 21.03.2019 beschlossen:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Gründe:
Zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat das Landgericht mit dem angegriffenen Zwischenurteil die Zeugnisverweigerung der von der Klägerin benannten Zeugen pp. der ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, für rechtmäßig erklärt, §§ 387 Abs. 1, 384 Nr. 2 ZPO.
Nach der zweitgenannten Vorschrift kann das Zeugnis verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Vorliegend müssten die Herren pp. im Zusammenhang mit dem vom Landgericht vorläufig bestimmten Beweisthema Zahlungsvereinbarungen mit dem Beklagten" nähere Angaben dazu machen, zu welchen Zeitpunkten ihrem Verständnis nach offene Forderungen des Beklagten in erheblicher Größenordnung fällig geworden sind. Sie müssten damit Angaben machen, die geeignet sein könnten, sich im Rahmen der gegen sie laufenden Ermittlungen u. a. wegen Insolvenzverschleppung selbst zu belasten, weil bei einer wahrheitsgemäßen Aussage etwa offenbar würde, dass die von ihnen geführte Gesellschaft tatsächlich mindestens drohend zahlungsunfähig war. Das kann ihnen nach der Ratio des Gesetzes nicht abverlangt werden, auch nicht etwa deshalb, weil diesbezügliche Ermittlungen bereits in Gang gesetzt worden sind. Da die zivilprozessuale Frage und der strafrechtliche Vorwurf in dem bezeichneten Punkt der Fälligkeit denselben thematischen Kern haben, muss das Zeugnisverweigerungsrecht auch umfassend bestehen und sich etwa auch dies die einzig vermeintlich unverfängliche Frage, die die Klägerin (Beschwerde S. 5, BI. 133) zu formulieren vermag auf die Frage nach etwaigen Zahlungsabreden vor der kritischen Phase des Unternehmens erstrecken; denn deren etwaige Verneinung lässt vor dem Hintergrund der streitgegenständlichen Behauptung angeblich branchenüblich weitestschweifiger Zahlungsziele Schlüsse auf die Verhältnisse in der Krise zu.
Eine andere Betrachtung ist, anders als die Klägerin will, auch nicht etwa deshalb geboten, weil nach §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 Ins° die beiden Geschäftsführer gegenüber der Klägerin als Insolvenzverwalterin zur Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Umstände auch dann verpflichtet sind, wenn diese geeignet sind, eine pönale Verfolgung herbeizuführen. Das ändert an dem zivilprozessualen Zeugnisverweigerungsrecht nichts. Die ZPO statuiert sedes materiae ist § 385 ZPO für den Insolvenzschuldner keine besondere Ausnahme, und es spricht nichts dafür, dass eine solche Ausnahme von dem althergebrachten Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, gleichsam en passant in der InsO hätte mitgeregelt" werden sollen. Richtigerweise ist § 97 InsO als eine insolvenzrechtliche Spezialvorschrift anzusehen. Der Senat macht sich wie schon das Landgericht die Erwägungen des Amtsgerichtes Köln (Zwischenurteil vom 2. Januar 2017,142 C 329/14, ZinsO 2017, 449, Rn. 16 bei juris) zu eigen, deren Überzeugungskraft die Klägerin nicht allein dadurch infrage stellen kann, dass sie von einem Amtsgericht (!)" formuliert worden sind. Soweit sie (Beschwerde S. 6, Bl. 134) auf eine umfassenden Fernwirkung" zu sprechen kommt, so wird diese in den von ihr genannten Fundstellen (u.a. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2017, 3 StR 52/17, Zins() 2017,2314, insofern auch nicht bestätigend, sondern zweifelnd) nicht für § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO, sondern für § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO erörtert; die Fernwirkung" betrifft also die Erstreckung des Verbots auch auf die Verwertung der aufgrund von Auskünften des Schuldners noch weiter gewonnenen Erkenntnisse, mithin eine Erweiterung des Verwendungsverbots und keine Erweiterung der Verwertungsmöglichkeiten.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. November 2018 (II ZB 22/17, die Rechtsbeschwerdeentscheidung zu der o.g. Entscheidung des Amtsgerichtes Köln, dessen Ergehen im Einvernehmen der Beteiligten zur Vermeidung eines etwaigen weiteren Rechtsbeschwerdeverfahrens abgewartet worden ist, führt nichts anderem führt. Diesem ist zu entnehmen, dass für einen nach § 384 Nr. 1 ZPO geschützten Zeugen aus dem Lager des Insolvenzschuldners eine Ausnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht nach Maßgabe des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht zu machen ist, weder für einen Vertreter des Insolvenzschuldners noch (wie im dortigen Fall die Vorinstanzen gemeint hatten) für einen behauptetermaßen vollmachtlosen Vertreter, dies schon deshalb nicht, weil es sich insoweit nicht um Rechtsvorgänger oder Vertreter des Insolvenzverwalters handelt, der allein im Prozesspartei ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob § 97 InsO die Zeugnisverweigerungsrechte des § 384 ZPO aushebeln kann, die, wie die Vorinstanzen befunden hatten, zu verneinen ist, hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der angestellten umfassenden Prüfung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Zeugnisverweigerungs-rechts nicht einmal mehr erwogen.
Dem Antrag der Klägerin vom 19. März 2019 (BI. 159) auf nochmalige Fristverlängerung war abzulehnen, § 224 Abs. 2 ZPO. Insbesondere bestand kein Anlass, Ergebnisse aus dem Insolvenzverfahren abzuwarten. Diese mögen in das hiesige Hauptsacheverfahren eingebracht werden können oder nicht; für die hier in Rede stehende Frage berechtigter zivilprozessualer Zeugnisverweigerungen sind sie ohne Belang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den - wegen der Festgebühr nach Nr. 1812 KV-GKG nur für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblichen - Beschwerdewert pflegt der Senat in ständiger Rechtsprechung mit rund einem Drittel der Hauptsachekosten zu bemessen; hier wären das 53.000,- (nicht, wie in der schreibfehlerhaften Verfügung vom 14. Februar 2019 angegeben, 5.300,- ).
Einsender: RÄin A. Hirsch, Hamburg
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