Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stuttgart, Beschl. v. 25.09.2019 - 7 Qs 59/19
Leitsatz: Die Terminierung ist Sache des Vorsitzenden und steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen (§ 213 StPO). Der Vorsitzende muss sich jedoch ernsthaft bemühen, dem Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit als möglich Geltung zu verschaffen und einem nachvollziehbaren Begehren dieses Verteidigers bezüglich der Terminierung im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Gerichts und anderer Verfahrensbeteiligter sowie des Gebots der Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragen.
In pp.
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des AG pp. vom 16. September 2019 aufgehoben.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten hierin entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe:
I.
Die Beschwerde ist trotz § 305 Satz 1 StPO ausnahmsweise zulässig, weil sie sich darauf stützt, dass die Ablehnung der Terminsverlegung mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. September 2019 den Angeklagten in seinem Recht auf Verteidigung durch den gewählten Verteidiger aus Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK, § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO verletzt sowie gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt und damit jedenfalls an einem gewichtigen Rechtsfehler leidet (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 213 Rn. 8 m. w. N. zum Meinungsstand; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Juni 2005 5 Ws 81/05 juris).
II.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Strafrichter hat es in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht abgelehnt, den auf den 12. November 2019 bestimmten Hauptverhandlungstermin erneut wegen Verhinderung des Wahlverteidigers des Angeklagten zu verlegen. Sie ist deshalb ermessensfehlerhaft und rechtswidrig.
1. Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Daraus folgt allerdings nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann. Die Terminierung ist Sache des Vorsitzenden und steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen (§ 213 StPO). Der Vorsitzende muss sich jedoch ernsthaft bemühen, dem Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit als möglich Geltung zu verschaffen und einem nachvollziehbaren Begehren dieses Verteidigers bezüglich der Terminierung im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Gerichts und anderer Verfahrensbeteiligter sowie des Gebots der Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragen (vgl. BGH NJW 2018, 1698, 1699). Zu berücksichtigen ist ferner, ob dem Angeklagten auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten die Wahrnehmung des Termins ohne seinen Verteidiger unzumutbar ist und das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt und auf gewichtige Gründe gestützt worden ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2014, 250, 251).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung der Terminsverlegung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig:
Zutreffend weist die Beschwerdebegründung darauf hin, dass der Strafrichter sich weder bei den zuvor erfolgten Terminierungen auf den 15. Oktober 2019 und 5. November 2019 noch bei derjenigen auf den 12. November 2019 um eine Terminsabstimmung mit dem Wahlverteidiger, den der Angeklagte bereits vor Erlass des Strafbefehls beauftragt hat und der ersichtlich sein Vertrauen genießt, bemüht hat. Wie die zweifache Verlegung des Termins um wenige Wochen bzw. Tage nahelegt, dürfte eine andere Terminierung der Strafsache, bei der es sich im Übrigen um keine besonders zu beschleunigende Haftsache handelt, auch nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen sein. Die zuvor jeweils mögliche zeitnahe Verlegung der Hauptverhandlung zeigt zudem, dass auch im Fall einer weiteren Terminsverlegung trotz der angeführten, allerdings nicht näher konkretisierten Auslastung des Strafreferats eine ins Gewicht fallende zeitliche Verzögerung nicht zu befürchten ist. Die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten sind nicht nur Bagatelldelikte. Dies und der von ihnen betroffene sensible Deliktsbereich machen es für den Angeklagten unzumutbar, den Hauptverhandlungstermin allein wahrzunehmen oder sich einen neuen Verteidiger zu suchen. Letztlich ist die Verhinderung des Wahlverteidigers wegen der Wahrnehmung anderer Vertretungen in Strafverfahren ein gewichtiger, eine Terminsverlegung rechtfertigender Grund. Der Verlegungsantrag wurde unmittelbar nach Erhalt der Ladung und viele Wochen vor der angesetzten Hauptverhandlung angebracht. In seiner ohnehin nur knappen fallbezogenen Begründung der Ermessensausübung hat der Strafrichter die genannten Gesichtspunkte nicht erkennbar berücksichtigt. Diese erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass bereits zwei Mal eine Terminsverlegung auf Antrag des Wahlverteidigers erfolgt ist. Diese waren jedoch allein auf die eigenen Versäumnisse des Strafrichters zurückzuführen.
Nach alledem wird der Strafrichter nunmehr tunlichst nach Terminsanfrage beim Wahlverteidiger einen neuen Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA A. Unden, Reutlingen
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