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Entscheidungen

Zivilrecht

Nichtanlegen Sicherheitsgurt, Mithaftungsquote, taggenaue Bemessung Schmerzensgeld

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Urt. v. 25.10.2019 – 10 U 3171/18

Leitsatz: 1. Aus Gründen praktischer Handhabung ist es geboten, bei verschiedener Auswirkung des Nichtangurtens auf einzelne Verletzungen unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann, eine einheitliche Mitschuldquote zu bilden.
2. Da bei einer angegurteten normalen Sitzposition das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden, deutlich geringer als bei einem nicht angegurteten Insassen ausfällt, ist - wenn der geschädigte Pkw-Fahrer nicht angeschnallt war und sich im wesentlichen langwierige Knieverletzungen zugezogen hat - eine Mitverschuldensquote von 30% angemessen.
3. Hat der Geschädigte auf seinen erlittenen Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden Zahlungen Dritter erhalten, sind bei der Ermittlung eines gegenüber dem Schädiger ersatzfähigen Erwerbsschadens zuerst der Mitverschuldensanteil des Geschädigten und nachfolgend die erhaltenen Zahlungen in Abzug zu bringen.
4. Eine tagesgenaue“ Bemessung von Schmerzensgeld ist nicht vorzunehmen (entgegen OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.10.2018 - 22 U 97/16).


In pp.

I. Auf die Berufung des Klägers vom 07.09.2018 und die Anschlussberufung der Beklagten vom 25.02.2019 wird das Endurteil des LG Passau vom 17.08.2018 (Az. 4 O 740/15 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Schmerzensgeldzahlung der Beklagten in Höhe von 16.000,00 € Teil-Schmerzensgeldleistungen darstellen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, samtverbindlich dem Kläger 70 % sämtlicher weiterer materieller Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Unfall vom 13.07.2013 bei O. (… O., Staatsstraße 2119, Abschnitt 260 – km 0.550, Lkr. P.) künftig entstehen, sowie sämtliche weiteren immateriellen Schäden aus diesem Unfall unter Berücksichtigung einer Mitverursachungsquote von 30 % zu tragen.
3. Die Beklagten werden verurteilt, an den Klägervertreter samtverbindlich vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 12.11.2015 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 78 % und die Beklagten samtverbindlich 22 %.
Im Übrigen werden die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 73 % und die Beklagten samtverbindlich 27 %.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 13.07.2013 auf der Staatsstraße 2119 bei Abschnitt 260 – Kilometer 0.550 – geltend. Dabei übersah der Beklagte zu 2), dass die vor ihm fahrenden Fahrzeuge ihre Fahrt verkehrsbedingt verlangsamen mussten. Er fuhr deswegen auf den vor ihm fahrenden Pkw auf, welcher zunächst auf den davor fahrenden Pkw aufgeschoben und dieser auf die Gegenfahrbahn geschoben wurde. Dort kollidierte dieser mit dem Pkw des Klägers. Bei diesem Unfall wurde der Kläger als Fahrzeugführer schwer verletzt. Das Klägerfahrzeug war mit Frontairbags ausgerüstet, welche kollisionsbedingt ordnungsgemäß öffneten. Der Pkw war ferner auch mit Sicherheitsgurten ausgerüstet. Einen Sicherheitsgurt hatte der Kläger nicht angelegt.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil vom 19.04.2012 (Bl. 229/232 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagten nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten zur Zahlung von 1.286,94 € nebst Zinsen verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden an seinen Knien zu ersetzen, die kausale Folge des Unfalls vom 13.07.2013 sind und mit der Kreuzbandplastik aus dem Jahre 2009 in keinem Zusammenhang stehen, soweit solche Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 24.08.2018 zugestellte Urteil legte der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 07.09.2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung ein (Bl. 422 d.A.), die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 18.10.2018 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 427ff. d.A.) begründete.

Der Kläger beantragt,
I. unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Teil-Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von weiteren 17.446,40 € (mindestens 45.000 € abzgl. Schmerzensgeld-Vorschusszahlung von 26.449 € abzgl. Urteil 1. Instanz 1.104,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2014 bis 12.07.2015 aus 16.449 € sowie ab dem 13.07.2015 aus dem ausgeurteilten Teil-Schmerzensgeldbetrag für die Verletzungen, die der Kläger bei dem Unfall vom 13.07.2013 bei O.(… O., Staatsstraße 2119, Abschnitt 260 – km 0.550, Lkr. P.; Schadennummer der Beklagten: …43; Strafverfahren AG Passau 10 Cs 24 Js 10229/13) erlitt, zu zahlen.

Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Schmerzensgeldzahlung der Beklagten in Höhe von 26.449,00 € sowie der erstinstanzlich ausgeurteilte weitere Schmerzensgeldbetrag von 1.551,00 € Teil-Schmerzensgeldleistungen darstellen.
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 26.101,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. festzustellen, dass die Beklagten – über Ziffer II des Endurteils des LG Passau vom 17.08.2018, 4 O 740/15, hinaus – gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Unfall vom 13.07.2013 bei O. (… O., Staatsstraße 2119, Abschnitt 260 – km 0.550, Lkr. P.; Schadennummer der Beklagten: …43; Strafverfahren AG Passau 10 Cs 24 Js 10229/13) entstanden sind und künftig noch entstehen, soweit solche Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
4. an den Klägervertreter vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.086,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Hilfsweise zu Ziffer I.:
das am 17.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Passau, Az. 4 O 740/15, insoweit aufzuheben und den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
und im Wege einer beim Oberlandesgericht München am 28.02.2019 eingegangenen Anschlussberufung (Bl. 448ff. d.A.),
1. Das Endurteil des Landgerichts Passau, Az.: 4 O 740/15, verkündet am 17.08.2018, wird in Ziff. I. und III. aufgehoben und die Klage wird insoweit abgewiesen.
2. Das Endurteils des Landgerichts Passau, Az.: 4 O 740/15, verkündet am 17.08.2018, wird in Ziff. II dahingehend geändert, dass festgestellt wird, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen Schäden an seinen Knien zu 50 % zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Unfall vom 13.07.2013 bei O. (… O., Staatsstraße 2119, Abschnitt 260 – km 0.550, Landkreis P.) entstanden sind und künftig noch entstehen, soweit solche Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beweisanordnung vom 07.01.2019 und vom 08.05.2019 (Bl. 436 und Bl. 466 d.A.) ergänzenden Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2019 (Bl. 469 f. d.A.) verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung mit der Anschlussberufungsbegründung vom 25.02.2019 (Bl. 448 d.A.), die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2019 (Bl. 468 ff. d.A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur im Hinblick auf den Hilfsantrag teilweise Erfolg. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Erweiterung der Klage ist zulässig aber unbegründet. Ferner hat die Anschlussberufung teilweise Erfolg.

I. Die Beklagten haften dem Kläger samtverbindlich zu 70% für dessen unfallbedingt entstandenen Schäden. Dem Kläger ist ein Mitverschulden von 30% hinsichtlich des nicht angelegten Sicherheitsgurts zuzurechnen.

1. Die Abwägung und Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des (Mit-) Verschuldens ist nach §§ 17 I, II StVG vorzunehmen, wobei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs geboten ist (Senat, Urt. v. 12.06.2015 – 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m.w.N.]; Urt. v. 31.07.2015 – 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m.w.N.]). In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (vgl. BGH, VersR 2011, 1540 Rn.14 mwN).

2. Zwischen den Parteien ist der Unfallhergang unstreitig, weshalb die Beklagten zunächst zu 100% für den Unfall haften, weil der Beklagte zu 2) durch sein Auffahren und die dadurch entstandene Kettenreaktion (Schieben des übernächsten Fahrzeugs in die vom Kläger benutzte Gegenfahrbahn) den Unfall verursacht hat. Bei Auffahrunfällen spricht bereits der erste Anschein dafür, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 I StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 I StVO) (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 – VI ZR 32/16 –, [juris]; BGH Urteil vom 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 7). Die Beklagten haben den für das Auffahren auf das vorausfahrende Fahrzeug wirkenden Anscheinsbeweis nicht entkräftet bzw. erschüttert, da sie der vom Kläger geschilderten Unfalldarstellung nicht entgegentreten sind.

3. Dennoch ist dem Kläger ein Mitverschulden von 30 % wegen der unstreitigen Nichtanlegung des Sicherheitsgurts (Verstoß gegen § 21a I 1 StVO) vorzuwerfen.

a) Im Falle von Verletzungen infolge eines Verkehrsunfalls besteht nur dann eine anspruchsmindernde Mithaftung des Geschädigten, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre (vgl. BGH NZV 2012, 478, 479; VersR 1980, 824 f.; BGHZ 74, 25, 33; Senat, Urteil vom 07. Juni 2013 – 10 U 1931/12 –, [juris]).

b) Die Bemessung des Mitverschuldens wegen des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes erfolgt einheitlich. Zwar mag der Umstand, dass der Kläger sich nicht angegurtet hatte, für jede der von ihm erlittenen Verletzungen – unbeschadet der Ursächlichkeit des Nichtanlegens des Gurtes für diese Verletzungen (mehrfragmentäre Querfraktur der Patella links, Längsfraktur der Patella rechts, offene Wunde am Knie rechts, Lungenlazeration, Verletzung der Arteria vertebralis, beidseitige Rippenserienfrakturen, traumatischer Pneumothorax, Lungenkontusion) – von unterschiedlichem Gewicht gewesen sein. Dies führt aber nicht dazu, dass der Geschädigte Schadensersatz nur für die Verletzungen verlangen kann, die er auch erlitten hätte, wäre er angegurtet gewesen.

Nach herrschender Meinung in der Literatur und nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. A. § 21a StVO Rn. 21 m.w.N.) ist es aus Gründen praktischer Handhabung geboten, bei verschiedener Auswirkung des Nichtangurtens auf einzelne Verletzungen unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann, der Verletzte also von einer Kürzung seiner Ersatzansprüche verschieden stark getroffen wird, eine einheitliche Mitschuldquote zu bilden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – VI ZR 10/11 –, [juris]; BGH, Urteil vom 01. April 1980 – VI ZR 40/79 –, [juris]).

c) Grundsätzlich können dem Schädiger auch bei der Frage, ob die vom Geschädigten erlittenen Verletzungen ganz oder zum Teil auf das Nichtanlegen des Gurtes zurückzuführen sind, die Regeln des Anscheinsbeweises zugutekommen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Unfall einer der hierfür typischen Gruppen von Unfallabläufen zuzuordnen ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl., § 21a StVO Rn. 21 m.w.N.; BGH, NJW 1980, 2125; BGH, NJW 1991, 230, 231; OLG Hamm, VRS 76, 112, 114), was hier der Fall ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. in seinem Gutachten vom 21.02.2018 erfolgte die Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen frontal. Vom Senat wird nicht verkannt, dass nach den ergänzenden Angaben des Sachverständigen Dr. S. in seiner Anhörung vom 06.06.2018 das klägerische Fahrzeug nach der Kollision in eine leichte Drehbewegung geriet, was die geschilderten Folgen in Bezug auf die Kollision des Thorax mit dem Airbag hatte (vgl. Bl. 374 d.A.). Dennoch zeigt das unfallanalytisch/biomechanische Gutachten auf, dass die wesentlichen Krafteinwirkungen auf den Körper des Klägers typische Einwirkungen eines Frontalunfalls waren.

Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. steht fest, dass bei einer Belastungssituation in einer Frontalkollision wie der vorliegenden (kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von etwa 60 km/h) ohne angelegten Dreipunkt-Sicherheitsgurt eine wesentliche Komponente des Rückhaltekonzepts im Pkw der Klagepartei fehlt (vgl. Seite 44 des Gutachtens vom 21.02.2018 = Blatt 306 der Akten). „Angeschnallt zu sein ist jedenfalls immer die bessere Alternative“ (vgl. Anhörung des Sachverständigen Dr. S. vom 06.06.2018, Protokoll S. 8 = Bl. 377 d.A.). Daher durfte sich das Landgericht bereits frei von Rechtsfehlern im Lichte der Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. davon überzeugen, dass der Kläger durch seinen Verzicht auf das Anlegen des Sicherheitsgurtes das Sicherheitssystem eines Fahrzeugs unterlaufen hat und dadurch dazu beigetragen hat, dass Sicherheitssysteme teilweise nicht verletzungsmindernd wirken.

Nach der Zurückweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung aufgrund des Endurteils des Oberlandesgerichts vom 12.05.2017 (vgl. Bl. 239 d.A.) hat das Landgericht lediglich ein unfallanalytisches und verletzungsmechanisches Gutachten eingeholt (vgl. Bl. 264 ff. d.A.) und den Sachverständigen Dr. S. am 06.06.2018 (vgl. Bl. 373 ff. d.A.) ergänzend angehört. Von einer medizinischen Begutachtung auf der Grundlage des biomechanischen Gutachtens hat das Landgericht abgesehen, was vom Kläger zu Recht in seiner Berufung gerügt wurde. Daher hat der Senat auf der Grundlage des biomechanischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S., den (früheren) medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M. in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2019 (vgl. Bl. 469 f. d.A.) vor dem Senat ergänzend angehört.

Die Feststellungen, inwieweit nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre, betreffen, wie der Senat bereits in seinem Hinweis vom 12.05.2017 (vgl. Bl. 239 d.A.) dargelegt hat, auch medizinische Fragen (vgl. KG NZV 2004, 460; 2005, 470; 2006, 145; Senat, Urt. v. 28.07.2006 – 10 U 1684/06 [Juris]). Der medizinischen Begutachtung kommt deshalb rechtlich ausnahmslos die sachverständige Letztentscheidung zu (BGH NJW 2003, 1116 = VersR 2003, 474 = DAR 2003, 217; Senat, Urteil vom 21. Oktober 2011 – 10 U 1995/11 –, [juris]).

Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes hatte für die Verletzungen des Klägers nach den gutachterlichen Feststellungen unterschiedliche Folgen:

(1) Im Hinblick auf die Verletzungen des vorderen Kreuzbandes konnten die Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. M. (Orthopäde) wegen eines anderen Verletzungsmechanismus eine Unfallursächlichkeit von vornherein ausschließen.

(2) Der Sachverständige Dr. S. legte ausführlich dar, dass bei angelegtem Dreipunkt-Sicherheitsgurt mit hoher Wahrscheinlichkeit die eingetretene Thoraxverletzung und die Arterienverletzung nicht eingetreten wären (vgl. Bl. 307 f. d.A.). Der Sachverständige Prof. Dr. M. führte bezüglich der Verletzungen im Bereich des Rippenthorax als auch der Arteria vertebralis und der Lunge jedoch aus, dass es keinen Unterschied mache, ob der Körper des Insassen durch den Airbag oder den Sicherheitsgurt zurückgehalten werde. Da dem medizinischen Sachverständigen die Letztentscheidungskompetenz zusteht (s.o.), kann bezüglich dieser Verletzungen nicht davon ausgegangen werden, dass sie im angegurteten Zustand nicht oder wesentlich geringfügiger ausgefallen wären.

(3) Hinsichtlich der vor allem auch hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Belastung wesentlichen Frage, ob die Knieverletzungen des Klägers bei angelegtem Gurt geringer ausgefallen wären, ist zunächst die typische Insassenkinematik bei Frontalkollisionen bei nicht angelegtem Sicherheitsgurt zu beachten.

Hierzu führt der Sachverständige Dr. S. auf Seite 46 seines Gutachtens vom 21.02.2018 (= Bl. 308 d.A.) überzeugend aus:
„Die Beckengurtschlinge des Drei-Punkt-Sicherheitsgurtes, die das Becken an den Fahrersitz des PKWs der Klagepartei fixiert, fehlt bei nicht angelegten Drei-Punkt-Sicherheitsgurt. Die Hüfte und die unteren Extremitäten werden sich somit nach vorne in Richtung der Instrumententafel bewegen müssen. Die Knie des Klägers werden dann signifikant auf die Instrumententafel auftreffen, was zu den entsprechenden Frakturen der Kniescheiben und der offenen Wunde im Bereich des rechten Knie Anlass gegeben wird.“

Dieser Bewegungsverlauf des Körpers erfolgt also gerade auch bei Vorhandensein eines Airbags, da dieser nur im Brustbereich wirkt, und die Bewegung des unteren Körperbereichs nicht aufhält (zu OLG Naumburg MDR 2008, 1031). Weiter führte der Sachverständige Dr. S. deshalb aus, wenngleich er bestimmte Wahrscheinlichkeiten nicht angeben konnte, dass bei einer angegurteten normalen Sitzposition das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden, deutlich geringer als bei einem nicht angegurteten Insassen ausgefallen wäre (vgl. Bl. 321 d.A.), auch wenn der Sachverständige nicht ausschließen konnte, dass das Dashboard (die Instrumententafel) bei einer Frontalkollision nach innen kommt und die Knie auch des angeschnallten Insassen tangiert (vgl. Bl. 377 d.A.). Dies erschüttert nach Auffassung des Senats jedoch den vom Sachverständigen Dr. S. beschriebenen, in jedem Fall zu erwartenden signifikanten typischen Aufprall der Knie mit der Folge von schweren Frakturen wie beim Kläger, nicht.

Hierbei spielt die Frage der vom Kläger eingenommenen Sitzposition keine Rolle. Hinsichtlich der Sitzposition, welche nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. nicht mehr rekonstruierbar ist (vgl. Bl. 377 d.A.), gab der Kläger selbst an (vgl. zuletzt im Schriftsatz vom 14.08.2019, Bl. 474 d.A.), dass ihm diese zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bekannt sei. Bei seiner Annahme, dass er damals mit seinen Knien nur einen geringen Abstand zur Armatur gehabt hätte, handelt es sich um eine unbeachtliche Vermutung, weshalb der Kläger hierzu auch nicht zu befragen ist. Es ist deshalb von einer „normalen“ Sitzposition auszugehen. Es kann nicht zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er so nahe mit den Knien an der Instrumententafel saß, dass er unabhängig von der Frage des Angegurtetseins in gleicher Weise verletzt worden wäre.

(4) Dem Kläger ist es nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden Anschein, dass es bei angelegtem Sicherheitsgurt nicht zu den ihn im Wesentlichen belasteten schweren Knieverletzungen gekommen wäre, zu erschüttern. Denn auch der Sachverständige Prof. Dr. M. ging davon aus, dass die Knieverletzungen „wahrscheinlich“ geringer bei einem angeschnallten Insassen ausgefallen wären. Dies reicht für eine Erschütterung des Anscheins nicht aus. Es wäre Sache des Klägers gewesen, Umstände darzulegen und zu beweisen, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass der Unfall anders abgelaufen ist, als dies nach der Typik zu erwarten ist (BGH, NJW 1991, 230 f.). So hat der Kläger keinen technischen Funktionsfehler des Anschnallgurtes behauptet oder eine nicht „normal“ gegurtete Sitzposition überzeugend dargelegt.

d) Zusammenfassend erlaubt das Ergebnis der Beweisaufnahmen deshalb die Schlussfolgerung, dass der Kläger im Falle eines angelegten Drei-Punkt-Sicherheitsgurtes deutlich geringere Knieverletzungen davongetragen hätte. Da diese im Hinblick auf die Länge der Beeinträchtigungen von wesentlicher Bedeutung sind, ist eine Mitverschuldensquote von 30 % angemessen. Insbesondere hinsichtlich der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht hier eine große Rolle spielt, ist es gerechtfertigt, die Ersatzansprüche des Klägers deutlicher zu kürzen, weil sich das Nichtanlegen des Gurtes auf die dauerhaften Beeinträchtigungen stärker ausgewirkt hat. Der Kläger legte im Rahmen seiner Anhörung seine Beschwerden dar (vgl. Bl. 43 d.A.). Gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. M. schilderte der Kläger, dass kniende Tätigkeiten oder in die Hocke gehen schmerzbedingt nicht mehr möglich sind. Gleiches gilt für das Fußballspielen. Der Kläger hat die vor dem Unfallereignis ausgeübte berufliche Tätigkeit als Werkzeugbauer aufgrund der Beschwerden aufgeben müssen. Er arbeitet nun in der Instandhaltung, was mit einer weniger starken Beanspruchung der Kniegelenke einhergeht (vgl. Bl. 81f. d.A.).

II. Ausgehend von dieser Haftungsquote ergibt sich für die im Streit stehenden Schadenspositionen Folgendes:

1. Hinsichtlich des Verdienstausfallschadens kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts im angefochtenen Urteil (vgl. dort S. 9/10 = Bl. 96/97 d.A.), Bezug genommen werden. Der Senat übersieht nicht, dass die Beklagten die vom Kläger behaupteten Brutto- bzw. Nettoverdienste im erstinstanzlichen Verfahren bestritten haben. Jedoch werden die vom Landgericht auf Basis der schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. und der Angaben des Klägers vorgenommene Ermittlung der Höhe des Ausfalles an Erwerbseinkommen weder vom Kläger in seiner Berufung noch von den Beklagten in ihrer Anschlussberufung angegriffen. Insoweit ist daher der zunächst vom Landgericht errechnete Ausgangsbetrag des Verdienstausfallschadens in Höhe von 10.048,62 € nicht zu beanstanden.

a) Mit ihrer Anschlussberufung wenden sich die Beklagten abgesehen von der Haftungsquote auch gegen den Zeitraum der vom Landgericht angenommenen Erwerbsunfähigkeit.

Der Senat hat hierzu ergänzend den Sachverständigen Prof. Dr. M. angehört. Dabei gab der Sachverständige an, dass er bei seinen Bewertungen in seinem schriftlichen vom Landgericht eingeholten Gutachten bleibt. Danach sind unfallbedingten Einschränkungen des Klägers bis maximal Februar 2014 festzustellen. In der Zeit nach der stationären Behandlung bis zum 24.08.2013 schätzte der Sachverständige für den Senat überzeugend die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 80 %, in der Zeit bis zum Beginn der Reha am 10.10.2013 auf 50 % und vom 07.11.2013 bis Februar 2014 auf 20 % (in der Zeit vom 10.10.2013 bis zum 06.11.2013 war der Kläger auf Reha).

Damit bestätigte der Sachverständige seine bereits im Rahmen seiner Anhörung vom 27.06.2016 (vgl. Bl. 152 d.A.) getätigten ausführlichen Angaben. Der Kläger habe danach seine vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit ab Februar 2014 wieder ausüben können, davor war bereits eine grundsätzlich sitzende Tätigkeit möglich. Der vom Erstgericht angenommenen Zeitraum des Verdienstausfalles mit noch letzten 7 Tagen Erwerbsunfähigkeit im Februar 2014 ist im Lichte des Beweismaßes des § 287 I ZPO und der für den Senat stimmigen ergänzenden Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. M. in seiner Anhörung vor dem Senat nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Anschlussberufung keinen Erfolg.

b) Grundsätzlich muss sich der Geschädigte auf den geltend gemachten Erwerbsschaden berufsbedingte ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der erwerbsunfähig ist, keine Fahrtkosten oder sonstige Aufwendungen (Verpflegungsmehrkosten, Kosten der Reinigung von Arbeitskleidung, Fortbildungskosten etc.) tätigen muss, etwa um zur Arbeitsstelle zu gelangen. Die Rechtsprechung nimmt, um Beweisaufnahmen über Kleinstpositionen zu vermeiden, einen pauschalierten Abzug des Nettoeinkommens vor, der häufig zwischen 5% und 10% liegt (vgl. Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. A. 2018, Rn 163 mwN.). Der Kläger übte vor dem Unfallereignis den Beruf des Werkzeugbauers aus, er hatte demnach für Fahrtkosten zur Arbeitsstätte, Berufskleidung etc. Einsparungen in den Zeiträumen des Verdienstausfalles. Der Senat hält im vorliegenden Fall einen pauschalen Abzug von 5 % für berufsbedingte ersparte Aufwendungen für sachgerecht. Von dem Betrag in Höhe von 10.048,62 € ergibt sich daher ein Abzug von 502,43 €, so dass von einem um ersparte Aufwendungen bereinigten Betrag von 9.546,19 € auszugehen ist.

c) Die vom Erstgericht angewandte Berechnungsmethode ist fehlerhaft. Denn von dem um die berufsbedingten Aufwendungen gekürzten Betrag in Höhe von 9.546,19 € ist zunächst der Mitverschuldensanteil der Klägers in Höhe von 30 %, d.h. ein Betrag in Höhe von 2.863,86 €, in Abzug zu bringen; dies ergibt einen Betrag von 6.682,33 €. Ohne Erfolg rügt der Kläger in seiner Berufung (vgl. Bl. 432 d.A.), wonach ein Abschlag wegen Mitverschuldens aufgrund nicht angelegten Sicherheitsgurtes beim Haushaltsführungs- und Erwerbsschaden nicht in Betracht käme (vgl. Hinweisverfügung vom 15.12.2016, vgl. Bl. 209f. d.A.). Der Kläger entzieht sich hierzu einer überzeugenden Begründung. Sowohl beim Haushaltsführungs- als auch beim Verdienstausfallschaden handelt es sich um Schadenspositionen im Rahmen des Personenschadens, für dessen Ersatzfähigkeit dem Grunde nach die festgestellte Haftungsquote maßgeblich ist.

d) Erst davon sind dann, wie dies das Erstgericht errechnet hat, die Zahlungen Dritter, die wegen der Erkrankung des Klägers erfolgten, gegenzurechnen. Von den Parteien werden in der Berufung bzw. Anschlussberufung keine Einwände gegen die vom Landgericht festgestellten Zahlungen Dritter (Sozialversicherungsträger) in Höhe von insgesamt 9.106,95 € (vgl. S. 14 des Ersturteils: 152,73 €, 1.229,58 €, 1.858,56 €, 5.866,08 €) erhoben. Insoweit steht dem Kläger nach Berücksichtigung seines Mitverschuldens und der Anrechnung von Zuzahlungen Dritter kein weiterer ersatzfähiger Erwerbsschaden mehr zu.

2. Die vom Landgericht festgestellten Beträge zu den Schadenspositionen „Zuzahlungen und Fahrtkosten“ werden, abgesehen von der zugrunde zu legenden Haftungsquote, als solche auch im Hinblick auf den Zeitraum ihres Anfalls, weder vom Kläger noch von den Beklagten in ihren Rechtsmitteln angegriffen. Für die Zuzahlungen hat das Landgericht einen Betrag in Höhe von 300,20 € ermittelt (vgl. Endurteil S. 14). Bei Ansatz der Mithaftungsquote des Klägers von 30 % und damit von einem Haftungsanteil von 90,06 € steht dem Kläger ein Betrag von 210,14 € zu. Von den vom Landgericht verrechneten Fahrtkosten in Höhe von 391,80 € ergibt sich entsprechend der Haftungsquote ein Betrag in Höhe von 274,26 €. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 08.03.2017 (vgl. Bl. 228 d.A.) einen Betrag in Höhe von insgesamt 300,85 € für Zuzahlungen und Fahrtkosten verrechnet, welchem die Beklagten im Schriftsatz vom 27.04.2017 zugestimmt haben (vgl. Bl. 232 d.A.). Von den dem Kläger für beide Positionen zustehenden Gesamtbetrag von 484,40 € ergibt sich abzüglich des verrechneten Betrages in Höhe von 300,85 € ein offener Betrag von 183,55 €. Dieser Betrag ist gemäß der von den Beklagten vorgenommenen Verrechnungserklärung im Termin vom 26.07.2019 in Ansatz zu bringen dem Kläger steht daher auch in Höhe von weiteren 185,55 € kein begründeter Zahlungsanspruch zu.

3. Bezüglich des Haushaltsführungsschadens werden weder vom Kläger in seiner Berufung noch von den Beklagten in ihrer Anschlussberufung die vom Landgericht festgestellten, im erstinstanzlichen Verfahren noch bestrittenen Wohnverhältnisse des Klägers sowie der Aufwand seiner Haushaltsführung, beanstandet. Sie sind daher bei der Ermittlung des Haushaltsführungsschadens heranzuziehen.

a) Der Senat hat zu den unfallbedingten Beeinträchtigungen des Klägers in seiner Haushaltsführung den Sachverständigen Prof. Dr. M. ergänzend angehört. Auch diesbezüglich führte der Sachverständige für den Senat überzeugend aus, dass unfallbedingte Einschränkungen des Klägers auch im Hinblick auf die Haushaltsführung nur bis maximal Februar 2014 festzustellen sind. Für die Zeit nach der stationären Behandlung des Klägers bis zum 24.08.2013 schätzt der Sachverständige die Minderung der Haushaltsführung (MdH) auf 50 %, in der Zeit bis zum 10.10.2013 auf 30 % und in der Zeit vom 07.11.2013 bis Ende Februar 2014 auf 10 % (vom 10.10.2013 bis zum 06.11.2013 war der Kläger auf Reha).

b) Bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens ist die Schadensminderungspflicht des § 254 II BGB zu beachten (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25. Juli 2013 – 4 U 244/12 – 74 –, [juris]). Der Geschädigte ist gehalten, den Ausfall seiner Arbeitskraft in der Haushaltsführung durch Umorganisation oder den Einsatz technischer Hilfsmittel zu kompensieren (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 843 Rdnr. 8). Hierbei darf die Umorganisation nicht dazu führen, dass ein anderes Haushaltsmitglied als Folge des Unfalls in stärkerem Umfang als bisher im Haushalt mitarbeiten muss. Vielmehr beschränkt sich die Obliegenheit zur Umverteilung darauf, die Arbeitsleistungen in dem vor dem Unfall praktizierten Umfang neu zu verteilen (OLG Köln, Beschl. v. 19.11.2012 – 19 U125/12; KG, VersR 2005, 237). Die Anwendung des § 254 II BGB ist einzelfallbezogen und einer generalisierenden Betrachtung nur eingeschränkt zugänglich. So verbietet sich insbesondere der Schluss, ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine Geringfügigkeitsgrenze anzuerkennen, deren Unterschreitung der Zuerkennung von Haushaltsführungsschaden grundsätzlich entgegensteht. Gleichwohl ist es im Rahmen der Anwendung des § 287 I ZPO nicht rechtsfehlerhaft, von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass eine Beeinträchtigung der Haushaltführung von 10 % und weniger zumindest im Regelfall vollständig schadensvermeidend kompensiert werden kann. Ausgehend von den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat und unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze hat das Landgericht somit zu Recht ab 07.02.2014 keinen ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden des Klägers mehr angenommen. Der Sachverständige hat für den im Wege der Klageerweiterung im Berufungsverfahren gemäß § 533 ZPO grundsätzlich in zulässiger Weise geltend gemachten weiteren Haushaltsführungsschaden für die Zeit bis zum 31.12.2015 (169 Tage) eine Minderung der Haushaltführungsfähigkeit vollumfänglich verneint. Insoweit ist die Klage bereits mangels Schadens abzuweisen. Auf die von den Beklagten in der Anschlussberufung erhobene Einrede der Verjährung (vgl. Bl. 457 d.A.) für den klageerweiternd erstmals geltend gemachten Haushaltsführungsschaden kommt es nicht mehr an.

c) Die vom Landgericht angestellten Erwägungen für die anzusetzenden Kosten einer Ersatzkraft (vgl. Endurteil S. 12) sowie die weiteren Bewertungen zum erforderlichen Aufwand bzw. Ausfall (vgl. Endurteil S. 13) werden vom Senat geteilt. Der auf Basis der vom Erstgericht vorgenommenen Abrechnung ermittelte Schadensbetrag in Höhe von 1.286,10 € ist daher zutreffend. Wie bereits beim Verdienstausfallschaden ausgeführt, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass bei der Schadensposition „Haushaltsführungsschaden“ seine ihm anzulastende, festgestellte Haftungsquote keine Berücksichtigung finden darf. Trifft den Haushaltsführenden bei der Schadensentstehung ein Mitverschulden, so ist dieses zu berücksichtigen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 2018 – 10 U 2718/15 –, Rn. 11 [juris]; OLG Celle, Urteil vom 28. August 2013 – 14 U 88/12 –, Rn 192 [juris]; Hillmann, zfs 1999, 229, 231 (unter 3 lit. a); Balke, SVR 2006, 361, 366). Bei Einrechnung des Mitverschuldens ist von dem Betrag von 1.286,10 € der klägerische Haftungsanteil in Höhe von 385,83 € in Abzug zu bringen ist. Dem Kläger steht damit als Haushaltsführungsschaden ein Betrag in Höhe von 900,27 € zu. Aber auch insoweit ist durch die Verrechnung mit Vorschüssen, wie von den Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommen, der Haushaltsführungsanspruch in Höhe von 900,27 € erloschen.

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf das von ihm mit der Berufung begehrte weitere Teil-Schmerzensgeld.

a) Wegen der Schwere der erlittenen Verletzungen und Folgeschäden erscheint unter Berücksichtigung sämtlicher nachstehender Aspekt einschließlich des klägerischen Mitverschuldens ein Teil-Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 16.000,00 € als angemessen. Damit hat die klägerische Berufung mit ihrem Begehren auf ein weiteres Teil-Schmerzensgeld in Höhe von 17.446,40 € (mindestens 45.000 € abzgl. Schmerzensgeld-Vorschusszahlung von 26.449 € abzgl. Urteil 1. Instanz 1.104,60 €) nebst Zinsen, keinen Erfolg.

Grundsätzlich kann der Schmerzensgeldanspruch wie jeder andere auf Zahlung einer Geldsumme lautende Anspruch auch nur teilweise geltend gemacht werden (OLG München NZV 1997, 440; Kramer ProzRB 2004, 289 f.). So kann der Geschädigte im Wege einer offenen Teilklage insbesondere eine Beschränkung auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufgetretenen Folgen vornehmen (sog. zeitlich unbegrenztes Teil-Schmerzensgeld), vgl. BGH NJW 2004, 1243 = NZV 2004, 240 = VersR 2004, 1334; OLG Düsseldorf NZV 1995, 449; Senat, Beschl. v. 12.12.2006 – 10 U 4849/06; Beschl. v. 19.07.2007 – 10 U 1748/07). Einem solchen Begehren auf Teil-Schmerzensgeld steht insbesondere nicht der Grundsatz entgegen, wonach das Schmerzensgeld einheitlich zu bemessen ist: Zwar ist nach der Lehre von der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (st. Rspr. BGHZ (GS) 18, 149). Diese ganzheitliche Betrachtung scheidet jedoch aus, wenn wegen einer ungewissen und nicht absehbaren Schadensentwicklung die tatsächlichen Grundlagen für die Gewichtung der das Schmerzensgeld bestimmenden Faktoren nicht sicher bestimmt werden können. In einem solchen Fall ist dem Geschädigten zunächst derjenige Betrag zuzusprechen, der ihm zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, um das Schmerzensgeld dann in einem Folgeprozess auf die volle Summe zu erhöhen, die der Verletzte auf Grund der dann verlässlichen Beurteilung der weiteren Entwicklung beanspruchen kann (BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243). Diese Durchbrechung des Grundsatzes von der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes eröffnet dem Kläger in den Fällen der noch nicht abgeschlossenen und unüberschaubaren Schadensentwicklung die Option zur Erhebung einer offenen Teilklage. Auch ein einheitlicher Anspruch ist im rechtlichen Sinne teilbar, solange er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist (BGH, NJW 2004, 1244).

Allerdings verlangt es dieses Interesse nicht, auch die zum Zeitpunkt der Entscheidung sicher zu prognostizierende Schadensentwicklung nur bis zum Stichtag zu beachten. Vielmehr sind sämtliche bis zum Stichtag bereits eingetretenen Schadensfolgen zugleich für die gesamte weitere Lebensentwicklung des Geschädigten zu gewichten (OLG Saarbrücken Urt. v. 15.11.2011, Az. 4 U 593/10 [Juris]; OLG Celle, MDR 2009, 1273). Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie vorzugswürdig. Denn es erspart den Parteien einen Folgeprozess, wenn sich die unsichere Prognose nicht bestätigt. Andernfalls wäre ein Folgeprozess unvermeidlich, wenn bei der Schadensbemessung eine sichere Dauerfolge nur bis zu einem bestimmten Stichtag in die Berechnung des Schmerzensgeldes einbezogen werden könnte. Hierbei wird in einem Folgeprozess die spätere Entwicklung nicht isoliert zu betrachten sein. Vielmehr orientiert sich die im Folgeprozess zuzuerkennende Summe danach, welches Gesamtschmerzensgeld zu zahlen ist, wenn die spätere Unfallfolge von vornherein in die ursprüngliche Schmerzensgeldberechnung Eingang gefunden hätte (OLG Saarbrücken, NJW 2011, 3169; OLG Celle, MDR 2009, 1273).

Nach den überzeugenden Erläuterungen des in der Beweisaufnahme vor dem Senat am 26.07.2019 angehörten Sachverständigen Prof. Dr. M. gibt es für eine Arthrosegefahr am rechten Knie des Klägers bereits jetzt Anzeichen. In seinem schriftlichen Gutachten vom 13.04.2016, auf welches der Gutachter in seiner Anhörung Bezug nahm, führte er aus, dass bei fortschreitender Retropatellararthrose gegebenenfalls im Verlauf eine erneute operative Therapie mit Implantation einer Kniegelenksendoprothese beidseitig notwendig wird. Damit liegen zumindest teilweise Verletzungen vor, bei denen die Schadensentwicklung ungewiss und nicht absehbar ist. Demgemäß liegen die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit eines Teil-Schmerzensgeldes vor.

b) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung für die Höhe des Schmerzensgeldes von folgenden Bewertungsgrundsätzen aus:

Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122, 123; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urteil vom 29.10.2010 – 10 U 3249/10 ). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt (grundlegend RG, Urteil vom 17.11.1882 – RGZ, 117, 118 und BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 ff. = NJW 1955, 1675 ff.; ferner BGH NJW 2006, 1068, 1069; OLG Hamm zfs 2005, 122, 123; Senat in st. Rspr., vgl. etwa Urteil vom 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG Hamm zfs 2005, 122, 123); OLG Brandenburg, Urteil vom 08.03.2007 – 12 U 154/06 [juris]; Senat in st. Rspr., vgl. etwa Urteil vom 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]).

Der am 12.08.1987 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt (13.07.2013) erst knapp 26 Jahre alt. Der Kläger hat wie vom Sachverständigen Prof. Dr. M. in seinem schriftlichen fachorthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 14.04.2016 (= Bl. 102ff. d.A.) geschildert, verschiedene Verletzungen, unter anderem erhebliche Knie- und Lungen-/Rippenverletzungen sowie eine Verletzung der Arteria vertebralis, erlitten. Unfallbedingt war der Kläger über einen Zeitraum von nahezu einem ¾ Jahr erheblich eingeschränkt und musste sich mehrfach in ärztliche Behandlungen sowie stationäre Krankenhausbehandlungen begeben. Dagegen ist von einer Ausheilung der Rippenbrüche nach spätestens 12 Wochen auszugehen. Neben dem „Dauerschmerz im linken Knie“ liegen beim Kläger nach den ausführlichen Darstellungen des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M. in seinem schriftlichen fachorthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 14.04.2016 (= Bl. 111-113 d.A.) bereits jetzt als Dauerschäden Schädigungen der retropatellaren Gelenkfläche beidseits sowie eine Präarthrose rechts vor. Es ist zu Einschränkungen im beruflichen Bereich und sportlichen Bereich gekommen. Der Kläger musste eine Umschulung vornehmen.

Im vorliegenden Fall sind im Hinblick auf die Dauerfolgen zwei Besonderheiten zu berücksichtigen.

(1) Zunächst ist zu beachten, dass eine aus dem Jahr 2009 unabhängig vom hiesigen Unfallgeschehen bestehende Kreuzbandplastik unzureichend geworden ist und eine Meniskusfraktur, welche der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Unfall erlitten hat, zu berücksichtigen ist. In seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat wies der einvernommene Sachverständige Prof. Dr. M. unter Bezugnahme auf sein schriftliches Gutachten darauf hin, dass die Arthrosegefahr beim Kläger, für die es am rechten Knie bereits jetzt Anzeichen gibt, sowohl aus unfallbedingten als auch aus nicht unfallbedingten Gründen besteht (vgl. Bl. 470 d.A.). Daher tritt der Senat der vom Landgericht im angegriffenen Urteil vorgenommenen Bewertung diesbezüglich bei. Die primären unfallbedingten Verletzungen waren spätestens im Februar 2014 ausgeheilt. Die als Dauerschaden verbleibende Arthrose am rechten Knie wurde durch das Unfallereignis nur mitverursacht.

(2) Als weitere Besonderheit ist die erhobene nach den obigen Erwägungen bei der vorliegenden Ausgangslage grundsätzlich zulässige Teil-Schmerzensgeldklage zu berücksichtigen. Zum einen hat der Kläger nach den oben genannten Grundsätzen nur ein Teil-Schmerzensgeld geltend gemacht. Da er somit bei der Bemessung der Anspruchshöhe nur die Berücksichtigung der Verletzungsfolgen verlangt, welche bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind, ist eine hinreichende Individualisierbarkeit gewährleistet (vgl. BGH, NJW 2004, 1243, 1245). Demgemäß ist bei der Schmerzensgeldbemessung auch die vom medizinischen Sachverständigen festgestellte bereits bestehende Arthrose am rechten Knie bei der Bemessung heranzuziehen

Die obergerichtliche, vom Kläger im nachgelassenen Schriftsatz vom 14.08.2019 (vgl. Bl. 473 d.A.) zitierte einschlägige Judikatur versteht die offene Schmerzensgeldteilklage so, dass sämtliche bis zur letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz eingetretenen Schadensfolgen berücksichtigt und Dauerschäden umfassend für die gesamte weitere Lebensdauer des Verletzten gewichtet werden müssen, soweit die zukünftige Entwicklung hinreichend sicher absehbar ist. Ist die Möglichkeit der Schadenentwicklung aber noch nicht abgeschlossen und nicht überschaubar, bleiben Verschlechterungen ausgenommen, die zur Frage des Eintritts und der Auswirkungen gegenwärtig nicht hinreichend sicher bewertet werden können. Letztlich wird also auf die Verletzungsfolgen geachtet (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2017 – 12 U 193/16 –, [juris]. So verhält es sich hier im Hinblick auf die möglicherweise in der Zukunft notwendige Implantation von Kniegelenksendoprothesen. Im schriftlichen Gutachten gab der Sachverständige Prof. Dr. M. an, dass eine solche indiziert sein werde (vgl. Bl. 114 d.A.). Wörtlich führte dann der Sachverständige in seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat überzeugend aus: „Wenn zu späteren Zeiten tatsächlich einmal ein künstliches Gelenk eingesetzt werden müsste, …“ (vgl. Bl. 470 d.A.). Diesbezüglich ist die Schadenentwicklung noch nicht abgeschlossen und nicht überschaubar. Es kann nicht sicher bewertet werden, ob es zu einer Implantation von Kniegelenksendoprothesen kommen wird oder eine solche nicht erforderlich werden wird.

Zulasten des Klägers ist bei der Schmerzensgeldbemessung das oben bereits festgestellte Mitverschulden an der Entstehung der erlittenen Verletzungen zu beachten. Jedoch ist bei der Bemessung der „billigen Entschädigung“ nach § 253 II BGB das Mitverschulden des Verletzten nicht etwa in der Weise zu berücksichtigen, dass zunächst ein Schmerzensgeld ermittelt wird, wie es ohne das Verschulden des Verletzten angemessen wäre, und sodann eine der Mitverschuldensquote entsprechende Kürzung erfolgt. Vielmehr stellt das Mitverschulden bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes lediglich ein Bemessungselement neben anderen dar, wobei sich die einzelnen Bemessungselemente je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unterschiedlich auswirken können; ihre Gewichtung ist wesentliche Sache des Tatrichters (vgl. etwa BGH VersR 1970, 624, 625; NZV 1991, 305; Senat in st. Rspr., etwa Beschluss vom 24.09.2009 – 10 U 3281/08).

Insgesamt erachtet der Senat ein Teil-Schmerzensgeld in Höhe von 16.000,00 € als angemessen. Im Hinblick auf die bereits von den Beklagten geleisteten Vorschüsse kann diesen kein, wie vom Kläger in seiner Berufungsbegründung ins Feld geführt (vgl. Bl. 432 d.A.), zögerliches Regulierungsverhalten angelastet werden. Vom Senat wird nicht übersehen, dass in der Hinweisverfügung des Senats vom 16.02.2017 (vgl. Bl. 224 d.A.) ein höheres Teil-Schmerzensgeld erwogen wurde. Dass es sich um eine vorläufige Bewertung handelte, wurde in dem Hinweis zusätzlich mit der Formulierung „nach vorläufiger Bewertung“ ausgedrückt. Ferner ist seinerzeit bei dem genannten Betrag ein Mitverschulden des Klägers noch nicht in die Bewertung mit eingeflossen.

c) Der Senat hat dabei keine „tagesgenaue“ Bemessung des Teil-Schmerzensgeldes nach den Kriterien, die in dem „Handbuch Schmerzensgeld“ (Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi 2013) dargelegt sind und die jüngst das OLG Frankfurt/M. in seiner Entscheidung vom 18.?10. 2018 (22?U?97/16?– VersR 2019, 435) berücksichtigt hat, vorgenommen.

Insoweit schließt sich der Senat den Erwägungen des OLG Düsseldorf vom 28.03.2019, Az. 1 U 66/18VersR 2019, 1165-1168) sowie den Entscheidungen des OLG Brandenburg (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. April 2019 – 3 U 8/18 –, [juris]) und des OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2019 – 14 U 154/18 –,[juris]) an.

Vom Senat wird nicht verkannt, dass §§ 253 II BGB, 11 S. 2 StVG von „billiger Entschädigung in Geld“ sprechen. Da es eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile nicht gibt, weil diese nicht in Geld messbar sind (BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 [156, 164]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]), unterliegt der Tatrichter bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen (BGH VersR 1976, 967 [968 unter II 1]; Senat, a.a.O.). Daher ist es verständlich, dass ein Geschädigter in der Lage sein möchte, die Höhe eines „angemessenen“ Schmerzensgeldes anhand von bestimmten „gerechten, numerischen Kriterien“ nachzuvollziehen zu können.

Andererseits wäre die Annahme verfehlt, jegliche Art und Intensität körperlicher Einschränkungen sowie Schmerzen objektiviert bemessen zu können. Die von dem Autor des Handbuchs Schwintowski dargestellte Methode zur Berechnung eines tagegenauen Schmerzensgeldes nimmt, nachdem zunächst auf die Arbeitsunfähigkeit und dann auf den Grad der Schädigungsfolgen (GdS), abgestellt wird, in einer weiteren Stufe individuelle Zu- und Abschläge in erhöhender oder vermindernder Art und Weise, vor. Wie das OLG Düsseldorf (vgl. VersR 2019, 1165-1168) zutreffend herausgearbeitet hat, kommt es nach in dieser Methode zunächst vorgesehenen schematisierenden Herangehensweise im Ergebnis dann doch entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Somit kann mit dieser Methode die erstrebte Erleichterung der Berechnung nicht erreicht werden, weshalb ihr bei der Berechnung des Schmerzensgeldes nicht zu folgen ist.

d) Unstreitig leisteten die Beklagten an den Kläger bereits einen Betrag von insgesamt 30.000,00 €. Im Hinblick auf die Verrechnung dieses Betrages auf das Schmerzensgeld und weitere materielle Schäden gilt (teilweise ergänzend zu oben) Folgendes:

Zutreffend trägt der Kläger in seinem Schriftsatz vom 14.08.2019 vor, wonach die Beklagten im Schriftsatz vom 01.03.2016 (vgl. Bl. 67 d.A.) unter Bezugnahme „zu Ziffer 1“ des klägerischen Schriftsatzes vom 05.02.2016 ihr Einverständnis mit einer Verrechnung des weiteren Betrages in Höhe von 16.449,00 € auf das Schmerzensgeld erklärt (vgl. Bl. 67 d. A.) haben. Aufgrund eines versteckten Dissenses ist diese Tilgungsbestimmung unwirksam. Ein versteckter Dissens nach § 155 BGB liegt bei einem Vertrag dann vor, wenn keiner der beiden Vertragspartner darauf vertrauen durfte, dass der Vertrag in dem von ihm verstandenen Sinn zustande kommt, wenn also beiden der (verobjektivierte) Vorwurf mehrdeutiger Erklärungen oder unaufmerksamer Auslegung gemacht werden muss (vgl. Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 8. A. 2018, § 119, Rn. 64).

In dem Schreiben vom 18.03.2014 (vgl. Anlage K 29) verlangte die damalige anwaltliche Vertreterin des Klägers „einen angemessenen Schmerzensgeldvorschuss“. Von einem Teil-Schmerzensgeld war keine Rede. Auf diese Anforderung wurde von den Beklagten ein Vorschuss von 10.000,00 € geleistet (vgl. Anlage K 29). Zwar nehmen die Beklagten im Schriftsatz vom 01.03.2016 Bezug auf Ziffer 1 des klägerischen Schriftsatzes vom 05.02.2016 (vgl. Bl. 67 d.A.). In diesem führt der Kläger selbst aus, dass ein „Schmerzensgeldvorschuss“ von den Beklagten geleistet wurde. Dass es sich hierbei um eine Anrechnung auf einen Teil-Schmerzensgeldvorschuss handelt, wird gerade nicht ausgeführt, was jedoch bei der seinerzeitigen Diskussion über die Verrechnung zur Klarstellung notwendig gewesen wäre. Der Senat übersieht nicht, dass der Kläger bereits in der Klage eine Teilklage bzgl. des Schmerzensgeldes erhoben und diese erläutert hat. Gleichzeitig muss aber beachtet werden, dass die Beklagten die Gewährung eines Teil-Schmerzensgeldes für unzulässig erachteten. Sie haben ausdrücklich im Schriftsatz vom 07.01.2016 (vgl. Bl. 36 d.A.), also zeitlich vor dem klägerischen Schriftsatz vom 05.02.2016, unter konkreter Bezugnahme auf S. 10 und 11 der Klageschrift Ausführungen zur Unzulässigkeit einer Teilklage gemacht. Unter diesen Umständen kann eine Tilgungsbestimmung zur Verrechnung der geleisteten Zahlungen auf ein Teil-Schmerzensgeld nicht angenommen werden.

Da die Tilgungsbestimmung vom 01.03.2016 aufgrund des Dissenses unwirksam ist, kommt es auf die von den Beklagten im Termin vom 26.07.2019 abgegebene Tilgungsbestimmung an. Die Beklagtenvertreterin erklärte, dass sie hinsichtlich der über die bezahlten 10.000,00 € Schmerzensgeld hinausgehenden 16.449,00 € mit einer Verrechnung in der Höhe einverstanden ist, in der der Senat bei Einberechnung eines Mitverschuldens des Klägers ein Teil-Schmerzensgeld über 10.000,00 € hinaus für angemessen erachtet.

Demgemäß hat der Kläger von den Beklagten bereits das ihm zustehende Teil-Schmerzensgeld in Höhe von 16.000,00 € erhalten, so dass der vom Kläger in der Berufung gestellte Leistungsantrag zu Ziff. I 1) unbegründet ist. Der Kläger hat diesen Antrag mit einem grundsätzlich zulässigen Hilfsantrag verbunden. Da der Senat das weitergehend geforderte Teil-Schmerzensgeld für unbegründet erachtet, ist die innerprozessuale Bedingung eingetreten, so dass über den Hilfsantrag zu Ziff. I 1) im Berufungsantrag zu entscheiden war.

Die Feststellungsklage war nach § 256 I ZPO zulässig, da wie gerade dargelegt, Streit über die Verrechnung der Vorschusszahlungen besteht. Der Feststellungsantrag ist auch in Höhe des Ausspruchs einer Feststellung, dass die Schmerzensgeldzahlung der Beklagten in Höhe von 16.000,00 € eine Teil-Schmerzensgeldleistung darstellt, begründet. Im Übrigen ist auch das Feststellungsbegehren im Hilfsantrag erfolglos.

5. Neben der berechtigten Teil-Schmerzensgeldforderung in Höhe von 16.000,00 € sind die berechtigten Beträge für Zuzahlungen und Fahrtkosten in Höhe von 484,40 € (Verrechnungen von 300,85 € und 185,55 €, s.o.) und für Haushaltsführungsschaden in Höhe von 900,27 € unter Beachtung der vorgenommenen Verrechnungsabreden einschließlich der vom 26.07.2019, zu berücksichtigen. Den unstreitigen Vorschusszahlungen der Beklagten in Höhe von 30.000,00 € steht eine berechtigte Gesamtforderungen des Klägers in Höhe von 17.384,67 € gegenüber, die in dieser Höhe durch Verrechnung erloschen sind.

III. Ferner war das Ersturteil entsprechend in Nr. II. abzuändern, wobei unter Berücksichtigung der o.g. Mitverursachungsquote von 30% der Feststellungsantrag nicht nur hinsichtlich der weiteren materiellen Schäden, sondern auch bzgl. der weiteren immateriellen Schäden (vgl. auch Doukoff in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. A., § 2, Rdnr. 1106), begründet ist. Die festgestellte Ersatzpflicht steht dem Kläger nur für solche Schäden zu, welche dem Kläger kausal aus dem Unfall vom 13.07.2013 bei Ortenburg (94496 Ortenburg, Staatsstraße 2119, Abschnitt 260 – km 0.550, Lkr. Passau) entstanden sind und künftig noch entstehen werden, soweit solche Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

IV. Die vom Kläger im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten vorgenommene Änderung des Antrags von einem Freistellungsbegehren zu einem Leistungsantrag an den Klägervertreter ist grundsätzlich zulässig.

Die vom Erstgericht ausgeurteilte Höhe der anzusetzenden Gebühr für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1,6 steht mit der Systematik des RVG und der ganz herrschenden Rechtsprechung, auch des Senats, und Literatur nicht im Einklang. Nr. 2400 VV schreibt vor: „Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.“ Bei diesem Wert von 1,3 handelt es sich um die sogenannte Schwellengebühr. Selbst wenn die höhere Mittelgebühr von 1,5 (vgl. dazu grdl. Madert zfs 2004, 391) angefallen ist, darf ein die Schwellengebühr überschreitender Geschäftswert nur angesetzt werden, wenn alternativ die zusätzlichen Merkmale des Umfangs oder der Schwierigkeit der Tätigkeit vorliegen. Die ganz herrschende Rechtsprechung geht davon aus, dass es sich bei der Abwicklung eines üblichen Verkehrsunfalls auch nach Inkrafttreten des RVG grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit handelt, bei der die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG angemessen ist (so Senat, Hinweis vom 19.04.2006 im Verfahren 10 U 1613/06; vgl. ferner die Rechtsprechungsübersichten in DAR 2006, 58 f., NJW 2006, 1477 ff. und in MittBl. der Arge VerkR 2006, 53 ff.).

Nach § 249 I, II 1 BGB sind nur diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach den dem Urteil zufolge als begründet anzusehenden Forderungen (BGHZ 39, 73 [74] = NJW 1963, 640; BGH NJW 1970, 573 ff. und 1122 [1123]; 2005, 1112 unter II 2; MDR 2008, 351 [352] = zfs 2008, 164 m. zust. Anm. Hansens).

Zusammenfassend steht dem Kläger ein Teil-Schmerzensgeld in Höhe von 16.000,00 €, ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 900,27 € sowie Zuzahlungen und Fahrtkosten in Höhe von 484,40 €, jedoch kein Verdienstausfallschaden, zu (insgesamt also ein Betrag von 17.384,67 €, vgl. oben Ziff. II 5). Das Feststellungsbegehren ist bei Einrechnung des Mitverschuldenseinwands mit 17.500,00 € berechtigt.

Mit Schreiben vom 17.06.2015 forderte der Klägervertreter die Beklagten zur außergerichtlichen Zahlung von weiteren 72.476,85 € auf (vgl. Anlage K 27). Zudem verlangte der Kläger dort auf S. 8 ein Anerkenntnis zur Feststellung von materiellen und immateriellen Schäden. Die Zahlung der weiteren 10.000,00 € durch die Beklagten erfolgte am 09.07.2015. Zuvor wurden bereits, wie der Kläger selbst in der Klageschrift (vgl. Bl. 13 d.A.) ausführte, außergerichtlich an den Kläger von den Beklagten am 25.04.2014 und am 12.08.2014 jeweils ein Vorschuss in Höhe von 10.000,00 € bezahlt. Ein Anerkenntnis über den Eintritt für Zukunftsschäden ist außergerichtlich nicht erfolgt. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten zugunsten des jetzigen Klägervertreters ist daher zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der gesamten berechtigten materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche der Kläger bereits vor dem Anforderungsschreibens des Klägervertreters vom 17.06.2015 befriedigt war, so dass sich die dem Klägervertreter zustehenden vorgerichtlichen Anwaltskosten nur aus dem Streitwert des berechtigten Feststellungsbegehrens (17.500,00 €) berechnen. Bei diesem Gegenstandswert beträgt eine 1,3 Geschäftsgebühr 904,80 €. Zuzüglich Pauschale i.H.v. 20,00 € und Umsatzsteuer i.H.v 19 % ergibt sich damit insgesamt ein Betrag von 1.100,51 €. Die Verrechnungserklärung der Beklagten vom 26.07.2019 (mündliche Verhandlung vor dem Senat) erstreckte sich nicht auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten, so dass dieser Betrag zuzusprechen ist.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 Fall 1 ZPO.

Im Hinblick auf Ziffer I. 1 des klägerischen Berufungsantrages ist bezüglich des Hilfsantrags von 4.000,00 € auszugehen. Dies entspricht dem Interesse des Klägers, dass in dieser Höhe lediglich von einem Teil-Schmerzensgelds ausgegangen wird.

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII. Die Revision ist nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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