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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährung, Verlängerung, Widerruf

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.03.2020 - 3 Ws 34/20

Leitsatz: Nach einer Verlängerung der Bewährungszeit kann ein Widerruf einer Strafaussetzung auf eine vor dem Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die Bewährungsverlängerung nicht bekannt war.


Oberlandesgericht Karlsruhe
3. STRAFSENAT

Beschluss

In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.

Rechtsanwalt

wegen Betrugs

hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten pp.

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe am 9. März 2020 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafkammer 18/Strafvollstreckungskammer - Mannheim vom 4. Februar 2020 aufgehoben.

2. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Mannheim auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2015 (29 Ds 201 Js 31617/13) wird zurückgewiesen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen Auslagen.

Gründe

I.

PP. wurde durch Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.10.2015, rechtskräftig seit 23.10.2015, wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

Innerhalb der Bewährungszeit wurde er

a) durch Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 8.12.2015 (31 Cs 213 Js 36872/15), rechtskräftig seit 5.1.2016, wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.
Daraufhin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 1.3.2016 die Bewährungszeit um sechs Monate verlängert.

b) durch Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 14.3.2017 (22 Ds 201 Js 527/17), rechtskräftig seit 22.3.2017, wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

Daraufhin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 20.6.2017 die Bewährungszeit um ein weiteres Jahr verlängert.

c) durch Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 (25 Cs 203 Js 36094/18), rechtskräftig seit 24.11.2018, wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

d) durch Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 12.4.2019 (20 Cs 203 Js 11869/19), rechtskräftig seit 1.5.2019, wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

Daraufhin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 10.7.2019 die Bewährungszeit um weitere sechs Monate verlängert.

Der Verurteilte befindet sich - nachdem die ihm mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 14.3.2017 (b) gewährte Strafaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 28.9.2018 wegen Weisungsverstößen widerrufen worden war - seit 1.7. 2019 in Strafhaft. Das Strafende ist auf 26.4.2020 notiert.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim beantragte am 16.12.2019 den Widerruf der Strafaus-setzung zur Bewährung auf Grundlage der Verurteilung durch das Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 (c). Der Verurteilte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und äußerte sich mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.1.2020.

Mit Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 4.2.2020 wurde die Aussetzung der Straf-vollstreckung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.10.2015 widerrufen. Nach am 6.2.2020 erfolgter Zustellung des Beschlusses legte der Verurteilte, vertreten durch seinen Verteidiger, mit Telefax vom 10.2.2020 sofortige Beschwerde ein.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Gem. § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Vorliegend wurde der Beschwerdeführer innerhalb der Bewährungszeit mehrfach, auch einschlägig strafbar, so dass - wie oben dargelegt - die ursprünglich auf vier Jahre festgesetzte Bewährungszeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.10.2015 auf insgesamt sechs Jahre verlängert wurde.

2. Soweit die Strafvollstreckungskammer nunmehr jedoch aufgrund des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 (25 Cs 203 Js 36094/18 - vgl. oben c) die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hat, steht dem der Vertrauensschutz des Verurteilten entgegen.

Grundsätzlich kann zwar auch eine Verurteilung wegen eines eher geringfügigen Delikts (wie vorliegend den beiden Vergehen des Hausfriedensbruchs) zum Widerruf der Strafaussetzung führen, wenn - wie vorliegend - der Verurteilte bereits mehrfach bewährungsbrüchig war und die Taten zusammengenommen nicht (mehr) bedeutungslos sind (Fischer, StGB, 67. Aufl., Rdn. 8 a zu § 56 f).

Allerdings kann nach einer Verlängerung der Bewährungszeit (vorliegend durch Be-schluss vom 10.7.2019 - vgl. oben d) der Widerruf einer Strafaussetzung auf eine vor dem Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die Bewährungsverlängerung nicht bekannt war (OLG Celle, B. v. 23.1.2018 - 2 Ws 47/18 – Nds.Rpfl 2018, 112).

Vorliegend befand sich der seit 24.11.2018 rechtskräftige Strafbefehl vom 5.11.2018 bei der Akte, war dem Amtsgericht Mannheim bei Erlass des (Verlängerungs)Beschlusses vom 10.7.2019 bekannt und war auch in dem (vor Erlass des Verlängerungsbeschlusses) neu eingeholten BZR-Auszug vom 4.7.2019 enthalten. Auch wenn sowohl das amtsgerichtliche Anhörungsschreiben vom 5.6.2019 als auch der Beschluss vom 10.7.2019 ausdrücklich nur auf den Strafbefehl vom 12.4.2019 Bezug nehmen, durfte der Verurteilte dennoch darauf vertrauen, dass das Amtsgericht Mannheim alle für die Entscheidung über eine nochmalige Verlängerung der Bewährungszeit oder einen Bewährungswiderruf maßgeblichen Gesichtspunkte, somit auch die zeitlich vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 12.4.2019 liegende Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018, berücksichtigt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat und dass sein, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 zugrunde liegendes strafbares Verhalten daher keine weiteren Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten war daher der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 4.2.2020 aufzuheben.

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Aufgrund des dem Verurteilten zustehenden Vertrauensschutzes kam auch eine Verlängerung der Bewährungszeit vorliegend nicht mehr in Betracht. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass mit dem Verlängerungsbeschluss vom 10.7.2019 alle zuvor ergangenen neuen Straferkenntnisse verwertet worden waren.

Im Fall einer erneuten Strafbarkeit des Verurteilten nach Erlass des Verlängerungsbeschlusses vom 10.7.2019 steht die vorliegende Entscheidung einem eventuellen Bewährungswiderruf jedoch nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.


Einsender: RA S. Allgeier, Mannheim

Anmerkung:


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