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Entscheidungen

OWi

Unverwertbarkeit von Messergebnissen, Widerspruch in der Hauptverhandlung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 22.01.2020 - 3 Ws (B) 18/20 -

Leitsatz: 1. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Aufklärungsrüge im Falle eines abgelehnten Beweisantrages.
2. Soll die Unverwertbarkeit von Messergebnissen gerügt werden, bedarf es des (protokollierten) Widerspruches bis zu dem in § 257 StPO bezeichneten Zeitpunkt.
3. Der Widerspruch ist mit der Verfahrensrüge vorzutragen.


3 Ws (B) 18/20 - 122 Ss 7/20

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am
22. Januar 2020 beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 21. November 2019 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Der Senat merkt lediglich an:

Mit Blick auf die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße von 160 Euro kommt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs.1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG nur in Betracht, wenn sie zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder - vorliegend nicht geltend gemacht - wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs geboten ist.

Der Senat versteht die Antragsbegründung dahin gehend, dass der Verteidiger unter Hinweis auf die oben genannten Zulassungsgründe die fehlerhafte Ablehnung mehrerer von der Verteidigung gestellter Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG rügt. Wenn das Gericht den Anträgen nachgegangen wäre, hätte es – so die Verteidigung – nicht mehr von einem standardisiertem Messverfahren ausgehen dürfen, weil das Messergebnis der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Poliscan Speed PM1 mangels ausreichender technischer Nachprüfbarkeit nicht verwertbar gewesen sei. Zur Begründung zitiert der Verteidiger auch aus einem offensichtlich von der Verteidigung in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes verletze dies die Grundrechte des Betroffenen auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung (RBS S. 4). Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts läge vor, weil der Senat Grundsätze aufzustellen habe, „wann ein Sachverständigengutachten durch das Tatsachengericht eingeholt werden muss“ (RBS S. 3). Der Zulassungsgrund der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sei auch gegeben, weil – so der Verteidiger sinngemäß weiter – verbindlich die Rechtfrage geklärt werden müsse, ob solche Messergebnisse wie in vorliegenden Fall bei bundesweit verwendeten Messgeräten verwertbar seien (RBS S. 5).

1. Entgegen der Auffassung des Verteidigers liegt der Zulassungsgrund zur Fortbildung des (formellen) Rechts nicht vor. Er setzt eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage voraus. Ob und unter welchen Voraussetzungen sich das Tatgericht veranlasst sehen muss, ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist aber stets dem Einzelfall verhaftet. Demnach ist die vom Verteidiger aufgeworfene Frage nicht abstraktionsfähig. Auch hat sich der Senat bereits dazu geäußert (vgl. Senat, Beschluss vom 14. August 2018 - 3 Ws (B) 187/18 – m.w.N.) und damit ist die Frage auch nicht mehr klärungsbedürftig. Denn es geht um die Fortbildung des Rechts und nicht um das Herbeiführen einer rechtlich richtigen Entscheidung im vorliegenden Fall.
Ob der weitere Zulassungsgrund der Einheitlichkeit der Rechtsprechung vorliegt, kann offen bleiben.

2. Denn selbst wenn die Zulassungsgründe vorlägen, bedarf es, da vorliegend die unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts durch das Tatgericht behauptet wird, für die Zulässigkeit des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde einer ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge. Eine solche Rüge muss den Darlegungsanforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen. Danach sind die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau anzugeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen.

Konkret bezogen auf die behauptete unrichtige Ablehnung von Beweisanträgen nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG muss der Antrag zur Begründung der der Sache nach erhobenen Aufklärungsrüge jedenfalls die gestellten Beweisanträge, die ablehnenden Beschlüsse des Gerichts, die Tatsachen, die das Gericht unterlassen hat zu ermitteln, die Beweismittel genau und konkret bezeichnen, dessen sich das Gericht hätte bedienen sollen, konkrete und bestimmte Angaben dazu, welche bekannten oder erkennbaren Umstände das Gericht zur vermissten Beweiserhebung hätte drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre, darstellen (vgl. Beschlüsse vom 1. August 2019 - 3 Ws (B) 232/19, juris und vom 26. November 2019 - 3 Ws (B) 361/19 -).

Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Verteidigers nicht gerecht. Es fehlen jedenfalls die konkret gestellten Beweisanträge mit Beweistatsachen und Beweismittel. Auch wenn anerkannt ist, dass die Anträge nicht wörtlich wiedergegeben werden müssen, so muss für das Rechtsbeschwerdegericht jedenfalls eindeutig zu erkennen sein, welche Beweistatsachen konkret behauptet worden sind. Daran fehlt es hier.

3. Soweit der Betroffene unter Bezugnahme auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17, NJW 2019, 2456 ff.) das gewonnene Messergebnis für unverwertbar hält, weil Rohmessdaten nicht ausreichend vom Gerät gespeichert werden und deshalb nicht für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses zur Verfügung stehen, kann dahingestellt bleiben, ob die aus der Verwertung des Messergebnisses abgeleitete Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren über den Wortlaut des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (RBS S. 4) die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen kann. Denn auch diese Verfahrensrüge ist bereits nicht in einer den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt und deshalb bereits unzulässig. Wird ein Verwertungsverbot - wie vorliegend - aus der Verletzung einer den Rechtskreis des Betroffenen schützenden Verfahrensnorm abgeleitet, muss der verteidigte Betroffene nach gefestigter höchstrichterlicher und verfassungsgerichtlich gebilligter (BVerfG NJW 2012, 907) Rechtsprechung (grundlegend BGHSt 38, 214 ff.; BGHSt 42, 15 ff.) der Verwertung des Beweises in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bezeichneten Zeitpunkt widersprochen haben (ausf. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. November 2019, 2 Rb 35 Ss 808/19, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02. Januar 2020 – (1Z) 53 Ss-OWi 676/19 (388/19) –, juris).

Der Antragsbegründungsschrift ist ein entsprechender Vortrag nicht zu entnehmen.

4. Mit der allgemein erhobenen Sachrüge greift der Verteidiger maßgeblich die Beweiswürdigung des Tatgerichts wegen der Verwertung des Messergebnisses an, womit er jedoch nicht gehört werden kann. Abgesehen davon, dass es allein Sache des Tatrichters ist, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen (vgl. BGHSt 41, 376), prüft das Rechtsbeschwerdegericht die Beweiswürdigung im Zulassungsverfahren grundsätzlich nicht auf Rechtsfehler, weil ein derartiger Verstoß regelmäßig nicht abstraktionsfähig, sondern auf den Einzelfall bezogen ist und folglich keinen Zulassungsgrund darstellen kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 13. März 2019 – 3 Ws (B) 89/19 –).

5. Einer weitergehenden Begründung bedarf der Beschluss (§ 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG) nicht.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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