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Entscheidungen

OWi

Unerlaubte Weiterbeschäftigung, Leiharbeitnehmer über 18 Monate hinaus

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 22.01.2020 - 201 ObOWi 2474/19

Leitsatz: 1. Die Weiterbeschäftigung eines Leiharbeitnehmers über 18 Monate hinaus bei demselben Entleiher stellt auch dann ordnungswidriges Verhalten des Verleihers nach §§ 1 Abs. 1b Satz 1, 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG dar, wenn der Leiharbeitnehmer eine Festhalteerklärung abge-geben hat. Diese führt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b 2.HS. AÜG lediglich dazu, dass das Arbeitsver-hältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG für die Dauer von maximal weiteren 18 Monaten (zivilrechtlich) wirksam bleibt.
2. Die in § 1 Abs. 1b AÜG geregelte Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten greift weder in unzulässiger Weise in die Grundrechte von Verleihern nach Art. 12 Abs. 1 GG ein noch steht ihrer Wirksamkeit die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit des Verleihers (Art. 49, 56 AEUV) entgegen.
3. Beruht die gleichzeitige (weitere) Überlassung mehrerer Leiharbeitnehmer an denselben Entleiher auf einem einheitlichen Tatentschluss, so liegt die Annahme von Tateinheit i. S. d. § 19 OWiG nahe.


In pp.

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 15.07.2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht hat zunächst am 07.06.2019 eine Hauptverhandlung durchgeführt und nach Eingang ergänzender Erklärungen der Verteidigung die Betroffene durch Beschluss nach § 72 Abs. 1 OWiG vom 15.07.2019 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Höchstüberlassungs-dauer in zehn Fällen zu zehn Geldbußen in Höhe von jeweils 2.000 € und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Höchstüberlassungsdauer in einem weiteren Fall zu einer Geldbuße in Höhe von 1.500 € verurteilt.

Mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Ver-letzung materiellen Rechts und führt insbesondere aus, dass die dem Ordnungswidrigkeiten-tatbestand zugrunde liegende Bestimmung des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG gegen höherrangiges Recht verstoßen würde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 20.11.2019 beantragt, den Be-schluss des Amtsgerichts vom 15.07.2019 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsge-richt zurückzuverweisen.


II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbe-schwerde der Betroffenen hat - zumindest vorläufig - Erfolg, da die getroffenen Feststellungen zum Sachverhalt und zur Beweiswürdigung lückenhaft sind und damit den getroffenen Schuld-spruch nicht tragen.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses hat die Betroffene als Geschäfts-inhaberin der Fa. X. zehn namentlich bezeichnete Leiharbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG über den 30.09.2018 hinaus und damit länger als 18 Monate sowie einen weiteren namentlich bezeichneten Arbeitnehmer über den 18.12.2018 hinaus und damit länger als 18 Monate an die Firma Z. überlassen. Die betroffenen Leiharbeitnehmer, allesamt Kraftfahrer, haben bei der Bundesagentur vorgesprochen und sogenannte Festhaltenserklärungen abge-geben. Seit welchem Zeitpunkt die Leiharbeitnehmer bei der Fa. X. beschäftigt sind, teilt das Amtsgericht nicht mit. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird lediglich ausgeführt, dass die Betroffene den Sachverhalt voll umfänglich eingeräumt habe, aber der Meinung sei, dass der Sachverhalt keine Ordnungswidrigkeit darstelle, da die Festhaltenserklärungen der Leiharbeit-nehmer bestätigen würden, dass die Leiharbeitnehmer bei der Betroffenen rechtlich besser gestellt seien als bei Übernahmen durch die Entleihfirma. Die vermittelten Leiharbeitnehmer würden über Fähigkeiten zum Fahren eines Treibstoffkraftfahrzeuges und insbesondere über das spezifische Fachwissen zum Be- und Entladen verfügen. Es dauere vier bis sechs Mona-te, bis ein Kraftfahrer in der Lage sei, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Treib-stofftransport zu bewältigen. Anderen Entleihfirmen könnten diese Leiharbeitnehmer nicht überlassen werden, da sie über absolut vertrauliches Know-how des Arbeitgebers - gemeint ist die Entleihfirma - verfügen und diese keinen Einsatz bei anderen Unternehmen wünschten.

2. Für die Begründung eines verurteilenden Beschlusses gemäß § 72 OWiG gelten - wie sich insbesondere aus § 72 Abs. 4 Sätze 3 - 5 OWiG ergibt - die Grundsätze für die Begründung eines Urteils entsprechend, denn der Beschluss nach § 72 OWiG ist grundsätzlich mit dem gleichen Rechtsmittel anfechtbar wie das Urteil (Göhler OWiG 17. Aufl. § 72 Rn. 63). Wie ein Urteil ist auch der Beschluss nach § 72 OWiG der formellen und materiellen Rechtskraft fähig. Das Gericht prüft auch im Beschlussverfahren den Bußgeldbescheid als vorangegangene Ent-scheidung nicht nach, sondern entscheidet gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 OWiG auf schriftlicher Grundlage, ob der Betroffene hinsichtlich des im Bußgeldbescheid enthaltenen Tatvorwurfs freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird (vgl. BeckOK OWiG/Hettenbach 24. Ed. 15.09.2019 § 72 Rn. 41-43 unter Hinweis u.a. auf BayObLG NJW 1972, 1771). Auch wenn im Bußgeldverfahren an die Gründe eines Beschlusses nach § 72 OWiG keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind und der Begründungsaufwand sich auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß beschränken kann, müssen sie aber jedenfalls eine Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ermögli-chen (vgl. Göhler a.a.O. § 71 Rn. 42 ff. für das Urteil). Soweit die tatrichterliche Überzeugung darauf gestützt ist, erstreckt sich der Umfang der Nachprüfung auch auf den Akteninhalt (Göh-ler a.a.O. § 72 Rn. 79; vgl. auch KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 72 Rn. 58; OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 - 4 RBs 320/15 bei BeckRS 2016, 3117; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2002, 219). Unbeschadet des Umfangs der Nachprüfung müssen die Beschlussgründe daher zu den entscheidungserheblichen Vorgängen und Umständen Feststellungen sowie eine Beweiswür-digung enthalten, aus der sich die durchgeführten Beweiserhebungen, deren Ergebnis und deren Beurteilung durch das Tatgericht ergeben. Die Beweiswürdigung muss mithin so be-schaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung insbesonde-re im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ermöglicht. Auch muss die angefochtene Entscheidung, wenn sie nicht lediglich eine sachlich und rechtlich einfach gelagerte Fallgestaltung von geringer Bedeutung betrifft, regelmäßig er-kennen lassen, wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Einlassung gefolgt wird oder ob und inwieweit die Einlassung als widerlegt angesehen wird (OLG Stuttgart NJW 1977, 1410).

3. Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht hinreichend gerecht.

a) Den Feststellungen im Beschluss lässt sich bereits nicht entnehmen, ob die tatbestandli-chen Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1e i.V.m. § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG vorliegen. Demnach handelt ordnungswidrig, wer als Verleiher denselben Leiharbeitnehmer länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlässt. Die tatrichterliche Entscheidung muss sich damit zwingend zu der Frage verhalten, seit wann der jeweilige Leiharbeitnehmer der Firma Z. überlassen worden ist und dass die Beschäftigung dort ununterbrochen angedau-ert hat. Daran fehlt es hier.

b) Der angefochtene Beschluss legt auch nicht ausreichend nachvollziehbar dar, warum die Betroffene wegen vorsätzlicher Tatbegehung verurteilt wurde, obwohl sie der Meinung war, „dass der Sachverhalt keine Ordnungswidrigkeit“ darstelle (Beschluss S. 2). Den Beschluss-gründen lässt sich in ihrer Gesamtheit zwar entnehmen, dass der Betroffenen die Bestimmung des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG bekannt war, da nach ihrer Auffassung die sogenannte Festhal-tenserklärung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1b 2. HS AÜG bestätigen würde, dass Leiharbeit-nehmer bei ihr besser gestellt seien als bei Übernahme durch die Entleihfirma. Eine derartige Festhaltenserklärung aber steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Weiterbeschäfti-gung über die Zeitdauer von 18 Monaten hinaus. Allerdings lässt sich nicht nachvollziehen, wie die - offenbar in der durchgeführten Hauptverhandlung abgegebene - Einlassung der Betroffe-nen im Einzelnen gelautet hat und wie diese aus Sicht des Tatgerichts zu verstehen ist. Auf-grund der Feststellungen kann nicht abgegrenzt werden, ob sich die Betroffene insoweit auf einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 OWiG be-ruft. Sollte aus Sicht des Tatgerichts die Einlassung der Betroffenen als sogenannter Verbot-sirrtum zu qualifizieren sein (§ 11 Abs. 2 OWiG), so müsste sich der verurteilende Beschluss dazu verhalten, ob ein entsprechender Irrtum vermeidbar war oder nicht.

c) Ein weiterer durchgreifender Rechtsfehler liegt darin, dass der angefochtene Beschluss eine Begründung dafür vermissen lässt, weshalb die weitere Beschäftigung der genannten elf Ar-beitnehmer über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus als Tatmehrheit im Sinne von § 20 OWiG anzusehen ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der ersten zehn Verstöße, bei denen zehn Arbeitnehmer über den 30.09.2018 hinaus demselben Entleiher überlassen wurden. Insoweit ist stets zu prüfen, ob deren Einsatz auf einem oder mehreren Entschlüssen des Entleihers beruht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. 06.1999 - 3 ObOWi 50/99 bei juris). Im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 Nr. 1a AÜG geht es beim Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG lediglich um das Überlassen. Ob die (weitere) Überlassung der verschiedenen Arbeitnehmer über den 30.09.2018 bzw. (in einem Fall) über den 18.12.2018 hinaus auf einem gesonderten Tatent-schluss beruht, lässt sich den Feststellungen im angegriffenen Beschluss nicht entnehmen. Auch insoweit erweisen sich die Ausführungen als lückenhaft. Überlässt der Verleiher mehrere Leiharbeitnehmer gleichzeitig oder aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses an einen Ent-leiher, liegt Tateinheit iSd § 19 OWiG nahe (vgl. für den entsprechenden Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG: BeckOK ArbR/Motz 54. Ed. 01.12.2019 AÜG § 16 Rn. 12). Dies wird bei der neuen Entscheidung zu bedenken sein.

4. Auch die Bemessung der Rechtsfolgen lässt - unabhängig von der Frage von Tateinheit oder Tatmehrheit - durchgreifende Rechtsfehler erkennen.

a) In einem verurteilenden Beschluss nach § 72 OWiG sind auch die tatrichterlichen Erwägun-gen für die Bemessung der Geldbuße, die nach § 17 OWiG vorzunehmen ist, darzulegen (vgl. OLG Bamberg Beschluss vom 27.11.2018, Az. 2 Ss OWi 1359/18 bei juris; OLG Brandenburg ZfS 2003, 471). Nach § 17 Abs. 3 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht. Die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist in aller Regel daran abzulesen, welche Einstufung der Gesetzgeber ihr hat zukommen lassen, was sich in der Bußgelddrohung widerspiegelt (vgl. KK OWiG/Mitsch 5. Aufl. § 17 Rn. 35).

b) Auch dem werden die Gründe in dem angefochtenen Beschluss nicht gerecht. Die Tatrichte-rin benennt den zugrunde liegenden Bußgeldrahmen vorliegend nicht. Sie führt auch im Übri-gen keinerlei weitere Kriterien an, die für die Bemessung der einzelnen verwirklichten Tatbe-stände maßgeblich sind. Es lässt sich insbesondere auch nicht nachvollziehen, warum die ersten zehn Verstöße mit einer Geldbuße von jeweils 2.000 € und der elfte Verstoß mit einer Geldbuße von 1.500 € geahndet worden ist, obwohl jeweils dieselbe Beschäftigungsdauer zugrunde liegt.

Darüber hinaus werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen noch nicht einmal ansatzweise dargestellt, obwohl die Betroffene in ihrer Einlassung (Bl. 165 d.A.), auf die die Tatrichterin in dem angefochtenen Beschluss auf S. 2 verweist und die dem Rechtsbeschwer-degericht daher zur Überprüfung zur Verfügung steht, Angaben zu ihren Unterhaltsverpflich-tungen macht und die vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2019 zumin-dest vorlegen wollte. Die Tatrichterin hat - soweit erkennbar - die Geldbußen aus dem Buß-geldbescheid ohne eigenständige Prüfung übernommen und ist damit ihrer Aufgabe, Geldbu-ßen aufgrund eines eigenen Zumessungsaktes zu verhängen, nicht gerecht geworden.

III.

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 15.07.2019 war daher mit den getroffenen Feststellun-gen (§ 353 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) und in der Kostenentscheidung aufzu-heben und die Sache zur erneuten (Verhandlung und) Entscheidung an das Amtsgericht zu-rückzuverweisen.

IV.

Für das weitere Verfahren sieht der Senat noch Anlass für folgende Hinweise:

1. § 9 Nr. 1b 2. HS AÜG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich die zivilrechtliche Wirksamkeit von Verträgen. Dementsprechend führt eine sogenannte Festhaltenserklärung lediglich dazu, dass der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer für die Dauer von maximal weiteren 18 Monaten (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 3 AÜG) wirksam bleibt und entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entlei-her fingiert wird. Demgegenüber begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG, wer entgegen § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG einen Leiharbeitnehmer - über die maximal zu-lässige Dauer von 18 Monaten hinaus - überlässt. Die Bestimmung des § 9 Nr. 1b 2. HS AÜG ändert damit nichts daran, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG einen Leiharbeitnehmer überlässt (vgl. BeckOK ArbR/Motz 54. Ed. 01.12.2019 AÜG § 16 Rn. 35). Für diese Auslegung spricht auch der Wille des Gesetzgebers, der als Be-gründung für die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG u.a. ausführt, dass die beschriebe-nen Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Überlassungshöchstdauer und die vorgesehene Möglichkeit der Ahndung mit einer Geldbuße bei einem schuldhaften Verstoß geeignet, erfor-derlich und angemessen sind, um den überlangen Einsatz von Leiharbeitskräften zu vermei-den (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 26).

2. Der Bestimmung des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG steht auch nicht entgegen, dass der Verleiher bei Überschreitung von 18 Monaten Höchstüberlassungsdauer gezwungen wäre, eine - mit den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht vereinbare - Kündigung auszuspre-chen. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG regelt ausdrücklich, dass mit dem Überschreiten der zulässigen Höchstüberlassungsdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG der Arbeitsvertrag kraft Gesetzes unwirksam wird, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

3. Entgegen der Rechtsbeschwerde verstößt die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG weder gegen das Grundgesetz noch gegen die europarechtlichen Regelungen zur Niederlas-sungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 06.10.1987 (NJW 1998, 1195 ff.) aus-drücklich festgestellt, dass das durch § 12a AFG ausgesprochene Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Bereich des Baugewerbes nicht in verfassungswidriger Weise in die Grundrechte der Verleiher oder Entleiher aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Vielmehr hat der Gesetzgeber auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung einen weiten Beurteilungsspielraum, den er erst dann überschreitet, wenn seine Erwägungen so offensicht-lich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die gesetzgeberische Maß-nahme bilden können. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Regelung des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG dazu dienen soll, Missbrauch von Leiharbeit zu verhindern, indem grundsätzlich eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten festgesetzt wird (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 1, S. 2).

Mit dieser Regelung ist auch nicht eine mit den Bestimmungen der EU nicht vereinbare Ein-schränkung der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit gegeben, da es dadurch - im Ge-gensatz zu § 1b AÜG a.F. (vgl. hierzu EuGH NZA 2001, 1299) - weder den Leiharbeitnehmern noch den Verleihern unmöglich gemacht wird, sich im Bereich der Bundesrepublik Deutsch-land gewerblich zu betätigen. Ein Verstoß gegen Artikel 49 bzw. Artikel 56 des Vertrages über die Arbeitsweise in der Europäischen Union (AEUV) ist damit nicht verbunden.

4. Eine Verfahrensrüge, die sich gegen die Durchführung des Beschlussverfahrens richtet, wurde vorliegend nicht erhoben, so dass dieses Verfahren nicht zur Überprüfung steht (vgl. zur Notwendigkeit der Verfahrensrüge: KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 72 Rn. 76 m.w.N.). Außerhalb der Sachprüfung weist der Senat aber darauf hin, dass die Durchführung des Beschlussverfah-rens - ungeachtet des erteilten Einverständnisses der Verfahrensbeteiligten - vorliegend recht-lich bedenklich erschien. Die Tatrichterin hat nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass die Fest-stellungen zum Sachverhalt auf der durchgeführten Hauptverhandlung beruhen (Beschluss S. 2). Nach ausgesetzter Hauptverhandlung kann aber nur dann durch Beschluss entschieden werden, wenn nicht auf das in der Hauptverhandlung gewonnene Beweisergebnis zurückge-griffen wird (KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 72 Rn. 8, 9; Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 71 Rn. 31 jeweils m.w.N.).

V.

Über die Rechtsbeschwerde entscheidet der Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern, § 80a Abs. 2 Satz 1 OWiG.

§ 80a Abs. 2 OWiG schreibt die Dreierbesetzung vor, wenn eine Geldbuße von mehr als 5.000 Euro verhängt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn wegen einer Tat im verfahrensrechtlichen Sinn (§ 264 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG) mehrere Geldbußen verhängt worden sind, die in ihrer Summe die Wertgrenze von 5.000 Euro überschreiten (KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 80a Rn. 7). Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 3 GG ist für die Beurteilung der Zuständigkeit nur die prozessuale Tat maßgebend, was sich auch aus § 79 Abs. 2 OWiG ergibt (BayObLG, Be-schluss vom 27.01.1999 - 3 ObOWi 5/99 bei juris = BayObLGSt 1999, 25, 27). Der Senat hat im Übrigen auch dann in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden, wenn keine der fest-gesetzten Einzelgeldbußen den Betrag von 5.000 Euro übersteigt, die Einzelgeldbußen aber in ihrer Summe über 5.000 Euro liegen und aufgrund unzulänglicher Feststellungen im angefoch-tenen Urteil nicht geklärt werden kann, ob die festgesetzten Geldbußen wegen einer oder we-gen mehrerer Taten im prozessualen Sinne verhängt worden sind (BayObLG, Beschluss vom 09.06.1999 - 3 ObOWi 47/99 bei juris = BayObLGSt 1999, 107, 109).

Auch wenn das Amtsgericht die Betroffene vorliegend „zu Geldbußen in Höhe von insgesamt 21.500 €“ verurteilt hat, lassen die Beschlussgründe erkennen, dass die Tatrichterin von elf eigenständigen Verstößen ausgeht. Wie bereits oben ausgeführt lässt sich den Gründen aber nicht entnehmen, ob die der Betroffenen angelasteten Ordnungswidrigkeiten auf einem einheit-lichen Tatentschluss beruhen oder ob sie Ausfluss eines jeweils gesonderten Tatentschlusses sind. Auch wenn die Annahme von Tatmehrheit im Sinne von § 20 OWiG in Betracht kommen sollte, liegt jedenfalls ein enger innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Taten nahe, so dass die Annahme einer prozessualen Tat zumindest in Betracht kommt. Da aufgrund der unzulänglichen Feststellungen jedoch offen bleibt, ob die festgesetzten Geldbußen wegen ei-ner oder wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinne verhängt worden sind, entscheidet der Senat in Dreierbesetzung.

VI.

Der Senat entscheidet durch Beschluss, § 79 Abs. 5 S. 1 OWiG.


Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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