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Entscheidungen

StPO

Anhörung ohne Dolmetscher, Strafvollstreckungsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 24.03.2020 – 2 Ws 11/20

Leitsatz: Ergeben sich im Rahmen der mündlichen Anhörung im Strafvollstreckungsverfahren Zweifel, ob die anzuhörende Person in ausreichendem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, muss ein Dolmetscher hinzugezogen werden.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer:
2 Ws 11/20121 AR 11/20

In der Strafsache
gegen pp.

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 24. März 2020 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin – Strafvollstreckungskammer – vom 18. Dezem-ber 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung – auch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens – an die Strafvollstreckungs-kammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen den Beschwerdeführer wurde aufgrund des Urteils des Landgerichts Berlin vom 2. Juli 2018 wegen im Zustand der Schuldunfähigkeit begangener Delikte (Tätli-cher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung, versuchte gefährlicher Körperverletzung sowie gefährliche Körperverletzung) die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Er befindet sich seit der Rechts-kraft des Urteils am 14.Dezember 2018 im Krankenhaus des Maßregelvollzuges, wo er zuvor vom 28. Mai 2018 an auch schon einstweilig untergebracht war.

Anlässlich der ersten Fortdauerprüfung beraumte die Strafvollstreckungskammer einen Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten für den 20. November 2019 an. Im Verlauf dieser Anhörung beriet sich die Kammer dahin, dass ein neuer Termin mit Dolmetscher anberaumt werden sollte, weil beim Beschwerdeführer zwar der Verdacht einer Simulation von sprachlichem Unverständnis bestehe, das Ausmaß des deutschen Sprachverständnisses aber unklar sei. Zum neuen Anhörungstermin am 18. Dezember 2019 wurde ein Dolmetscher für die chinesische Sprache geladen, der jedoch nicht erschien. Gleichwohl führte die Strafvollstreckungskammer die An-hörung des Untergebrachten durch, wobei sich dieser ausweislich des Anhörungs-vermerks in „bruchstückhaftem Deutsch“ äußerte.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer – ohne wei-tere Anhörung des Verurteilten – die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerde-führers psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Verur-teilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil die Strafvollstreckungskammer trotz erkannter Sprachdefizite seine Anhörung ohne Dolmetscher durchgeführt habe.


II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 463 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 Satz 1, § 462 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und gemäß § 311 Abs. 2 StPO rechtzeitig erhoben.


2. Sie hat auch in der Sache (zumindest vorläufigen) Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts sowie zur Zurückverweisung der Sache.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem durchgreifenden Verfahrensfehler.

Es mangelt an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Beschwerdeführers.

Die beiden von der Strafvollstreckungskammer durchgeführten Anhörungen des Untergebrachten erfüllen nicht die Voraussetzungen einer umfassenden Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG.

Aus § 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO folgt, dass vor einer Fortdaueranordnung die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Person mündlich anzuhören ist. Die gesetzlich zwingende Anhörung dient dabei der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Gewährung rechtlichen Gehörs und der bestmöglichen Sachverhaltsermittlung (vgl. Appl in KK-StPO 8. Aufl., § 454 Rn. 18 mwN). Sie soll dem Untergebrachten die Möglichkeit geben, sich zu der ihm drohenden nachteiligen Entscheidung umfassend zu äußern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 453 Rn. 6). Der Anzuhörende muss dabei Gelegenheit erhalten, seine Standpunkte und Anliegen an das Gericht unbefangen und ausführlich darzulegen (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 454 Rn. 38). Grundvoraussetzung hierfür ist es, dass der Untergebrachte den Kommunikationssträngen der Anhörung sprachlich zu folgen vermag und seine eigenen Erwägungen in einer Sprache vorbringen kann, die ihm eine bestmögliche inhaltliche, aber auch emotionale Differenzierung gestattet. Ergeben sich Zweifel, ob der Anzuhörende hierzu in ausreichendem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, muss die mündliche Anhörung nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. August 2009 – 2 Ws 221/09 –, juris Rn. 12, zu § 453 StPO).

Nach diesen Maßstäben war hier die Durchführung der mündlichen Anhörung unter Beteiligung eines Dolmetschers für die chinesische Sprache geboten.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Anhörungsvermerk vom 20. November 2019 dokumentiert, dass sie keine Klarheit über den Umfang des Sprachverständnisses des Beschwerdeführers gewinnen konnte und daher – folgerichtig – entschieden, dass ein neuer Termin mit Dolmetscher anberaumt werden solle. Das Ausbleiben des geladenen Dolmetschers im Termin vom 19. Dezember 2019 hätte die Kammer indes nicht zum Anlass nehmen dürfen, den Untergebrachten nun doch ohne Übersetzungsmöglichkeiten anzuhören. Ausweislich des weiteren Anhörungs-vermerks äußerte sich der Beschwerdeführer im zweiten Termin in „bruchstückhaftem Deutsch“. Dies schließt es aus, dass sich der Untergebrachte gegenüber dem Gericht im gebotenen Maße differenziert erklären konnte und begründet zudem Zweifel, ob die von der Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage seiner Äußerungen gewonnenen Erkenntnisse zur Persönlichkeit und zum Krankheitsbild des Untergebrachten auf hinreichend authentischen Eindrücken beruhen.

Der aufgezeigte Verfahrensfehler muss zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer führen, weil der Senat nicht nach § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden kann. Zwar kann das rechtliche Gehör grundsätzlich im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Jedoch stellt das Unterlassen einer zwingend vorgeschriebenen mündlichen Anhörung des Untergebrachten in der verfassungsrechtlich gebotenen Form einen im Beschwerderechtszug nicht heilbaren Verfahrensmangel dar (vgl. KG, Beschluss vom 18. August 2014 – 5 Ws 2/14141 AR 376/14 –; Senat, Beschluss vom 5. April 2019 – 2 Ws 48/19 –).

III.

Das Landgericht wird im Rahmen seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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