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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrtenbuchauflage, Firmenfahrzeug, Mitwirkungsobliegenheiten

Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Münster, Beschl. v. 30.06.2020 – 8 A 1423/19

Leitsatz: 1. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen.
2. Auf die Einhaltung der Zweiwochenfrist kann sich der Halter nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Darin liegt keine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung von Haltern von Firmenfahrzeugen gegenüber anderen Fahrzeughaltern.
3. Die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters im Verfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob ein Foto vorgelegt wird.
4. Die Führung eines Fahrtenbuchs kann auch dann angeordnet werden, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung mitgewirkt hat, die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde jedoch gleichwohl erfolglos geblieben sind.
5. Die Feststellung des Fahrers ist auch dann unmöglich i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten und eine Person ernsthaft verdächtigt ist, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.


In pp.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 25. Februar 2019 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.678,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall.

I. Es liegen nicht die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit dem das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die gegen die Fahrtenbuchauflage vom 22. November 2018 erhobene Klage abgewiesen hat.

Die angeordnete Fahrtenbuchauflage findet ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel daran, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

1. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, ein Verkehrsverstoß sei nicht bindend festgestellt worden.

Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen. Dabei genügt es, anders als im Strafprozess, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Die Intensität der Prüfung darf auf das im jeweiligen Fall gebotene Maß an sachlichem und zeitlichem Aufwand beschränkt werden. Allgemein gilt, dass das Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen ist (§ 10 Satz 2 VwVfG NRW) und sich die Pflicht der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts nach dem Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG NRW richtet. Wie in anderen Massenverfahren auch kann eine Plausibilitätsprüfung genügen und ist eine weitere Erforschung des Sachverhalts erst auf einen konkreten Anhalt hin geboten. In Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage verpflichtet deshalb der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis einer Geschwindigkeits- oder Abstandsmessung zu hinterfragen. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen: Er muss auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweisen oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigen. Hinreichende Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen sind auch dann gegeben, wenn sich der Behörde die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen muss.

Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - 8 B 1018/18 -, juris Rn. 4 f., 13 ff., m. w. N.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die aktenkundige Dokumentation weckt keine Zweifel an der Richtigkeit der Abstandsmessung. Die von der Klägerin vorgebrachten Zweifel gaben ebenfalls keinen Anlass, die konkrete Abstandsmessung zu hinterfragen, weil sie zu allgemein gehalten und teilweise spekulativ sind: Die Klägerin macht – erstmals im Zulassungsverfahren – geltend, eine ordnungsgemäße Eichung stehe nicht fest, dafür hätte festgestellt werden müssen, dass die Eichsiegel unbeschädigt gewesen seien und das Gerät nach einer möglichen Reparatur neu geeicht worden sei, und die Geräteakte hätte beigezogen werden müssen; im Übrigen wäre das Messverfahren technisch zu überprüfen gewesen. Fehler könnten etwa durch kurzfristiges Abbremsen des Vordermannes sowie durch Abstandsschwankungen oder Winkelveränderungen entstehen. Auch wenn diese Umstände eine korrekte Messung im Einzelfall verhindern mögen, hat die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies hier der Fall sein könnte. Ihr schlichter Hinweis, nach einer Studie seien 30 % der Messungen fehlerhaft, genügt ebenfalls nicht, um die Fehlerhaftigkeit der konkreten Messung oder zumindest hinreichend vernünftige Zweifel an ihrer Fehlerfreiheit aufzuzeigen.

2. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht möglich war i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO.

a) Der verantwortliche Fahrer ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ermittelt worden. Die Anhörung ihres Geschäftsführers als Betroffener im Bußgeldverfahren mit Schreiben vom 29. März 2018 genügt dafür nicht.

b) Dass der verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt worden ist, beruht nicht deshalb auf einem Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde, weil diese die Klägerin erst über drei Wochen (mit Schreiben vom 1. Februar 2018) nach dem Verkehrsverstoß (9. Januar 2018) als Zeugin angehört hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt die Behörde ihrer in § 31a StVZO vorausgesetzten Pflicht, zunächst selbst alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Feststellung des Täters zu ergreifen, nur dann, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt. Die hierzu eingeräumte Anhörungsfrist darf im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten, wobei allerdings bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles ein Abweichen von dieser Regelfrist begründet sein kann.
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1997 - 3 B 28.97 -, juris Rn. 3.

Auf die Einhaltung dieser Zweiwochenfrist, die ohnehin weder ein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch eine starre Grenze darstellt, kann sich der Halter nach ständiger Rechtsprechung des Senats und anderer Obergerichte nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2019 - 8 B 774/19 -, juris Rn. 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21. Juli 2014 - 10 S 1256/13 -, juris Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - 11 CS 13.606 -, juris Rn. 13; Sächs. OVG, Beschluss vom 3. Juli 2013 - 3 B 349/13 -, juris Rn. 11; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 26. März 2012 - 2 LA 21/12 -, juris Rn. 8; OVG M.-V., Beschluss vom 26. Mai 2008 - 1 L 103/08 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 12 LA 267/07 -, juris Rn. 17 (zur Dokumentationspflicht); OVG Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2006 - 1 A 236/05 -, juris Rn. 6, 8.

Grundlage für diese Rechtsprechung sind folgende Erwägungen: Die Zweiwochenfrist beruht auf dem Erfahrungssatz, dass eine Person Vorgänge des persönlichen Lebensbereichs aus den letzten 14 Tagen im Regelfall wird erinnern oder jedenfalls noch rekonstruieren können. Deshalb darf angenommen werden, dass ein konkreter Anstoß innerhalb dieser Frist ausreicht, um zu verhindern, dass die Erinnerung entscheidend verblasst oder wesentliche, den Vorgang betreffende Unterlagen vernichtet werden. Auf diese Weise bleibt es dem Fahrzeughalter in den sich an den Verkehrsverstoß anschließenden Verfahren möglich, seine Verteidigung auf dieser Grundlage einzurichten. Die Zweiwochenfrist gilt daher für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen – bei typisierender Betrachtung – auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist außerdem unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist. Ausgehend davon ist ein Ausnahmefall von der Geltung der Zweiwochenfrist anzunehmen, wenn ein Kaufmann im Sinne des Handelsrechts Halter des Fahrzeugs ist, mit dem die Verkehrszuwiderhandlung im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden ist. Unabhängig von der Reichweite gesetzlicher Buchführungspflichten entspricht es sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Anders als etwa bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs durch verschiedene Familienmitglieder liegt dies im kaufmännischen Eigeninteresse, schon um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendungen der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können. Es kann deshalb unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Auslieferungsvorgänge, Geschäftsfahrten usw. nach seinen Aufzeichnungen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Seiner Verpflichtung als Fahrzeughalter, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, kann er deshalb – ohne stichhaltige Erläuterung im Einzelfall – nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen.

Davon, dass es auf die Einhaltung der Zweiwochenfrist nicht ankommt, wenn der Fahrzeughalter zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrers nicht auf seine Erinnerung angewiesen ist, geht auch der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 29. August 2019 - Lv 3/19 - (S. 5, 7 des Entscheidungsabdrucks zu § 25a Abs. 1 StVG) aus.

Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung von Haltern von Firmenfahrzeugen gegenüber anderen Fahrzeughaltern folgt daraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Wegen der für Kaufleute schon im Eigeninteresse bestehenden Dokumentationsobliegenheiten ist ihr Fall nicht mit dem privater Fahrzeughalter vergleichbar. Denn hier geht es gerade nicht um das typischerweise anzunehmende Vermögen einer Privatperson, sich an Vorgänge des persönlichen Lebensbereichs zu erinnern. Dass in ihrem Unternehmen grundsätzlich die Daten der jeweiligen Fahrer erfasst werden, hat die Klägerin zudem im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 9. August 2018 selbst nicht in Frage gestellt. Sie hat vielmehr darauf verwiesen, dass sie nach der Datenschutzgrundverordnung verpflichtet sei, diese Daten nach drei Wochen zu löschen. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese Behauptung abwegig sei, ist die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht entgegengetreten. Ausgehend von dem eigenen Vortrag der Klägerin, das Fahrzeug werde von Kunden und – nicht näher bezeichneten – „Dritten“ genutzt, so dass sie nicht einmal den in Betracht kommenden Personenkreis habe eingrenzen können, ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb sie meint, dass sie im Falle einer früheren Übersendung des Zeugenfragebogens sachdienliche Angaben hätte machen können.

Vor diesem Hintergrund war die von der Klägerin beanstandete Versagung der Akteneinsicht im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht ursächlich für die unterbliebene Feststellung des Fahrzeugführers. Hätte die Klägerin ihre Dokumentationsobliegenheit erfüllt bzw. hätte sie auf ordnungsgemäß geführte Unterlagen zurückgegriffen, hätte sie für eine ordnungsgemäße Mitwirkung nicht der Akteneinsicht bedurft. Es ist abgesehen davon auch nicht erkennbar, inwieweit die Akteneinsicht die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers hätte nennenswert fördern können. Im Zeugenfragebogen waren alle der Bußgeldbehörde zur Verfügung stehenden Informationen über die Verkehrsordnungswidrigkeit benannt und die in dem im Gerichtsverfahren vorgelegten Verwaltungsvorgang enthaltenen Fotos sind ähnlich verschwommen wie das der Klägerin übermittelte.

Mit Blick auf ihre Dokumentationsobliegenheit geht auch der Einwand der Klägerin fehl, es sei ihr nicht zumutbar gewesen, auf Verdacht sämtliche potentiellen Fahrer („Geschäftskunden“ und „Mitarbeiter“; von sonstigen „Dritten“ ist in diesem Zusammenhang nicht mehr die Rede) mitzuteilen, weil sie damit „an den Grenzbereich der falschen Verdächtigung gekommen“ wäre.

c) Es liegt kein Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde darin, dass sie der Klägerin kein Foto in besserer Bildqualität übermittelt hat.

Die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob ihm ein Foto vorgelegt wird, weil ein solches für die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht erforderlich ist und oftmals auch gar nicht gefertigt werden kann. Dasselbe gilt, wenn zwar ein Foto vorgelegt wird, dieses aber – gleich aus welchen Gründen – keine Identifikation ermöglicht. Erst recht ist dies vor dem Hintergrund der aufgezeigten erhöhten Mitwirkungspflicht für den Halter eines Firmenfahrzeuges anzunehmen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 8 B 1465/14 -, juris Rn. 21.

Daher kommt es auch nicht darauf an, ob dann, wenn die Klägerin den Fahrer benannt hätte, die Bußgeldbehörde den Tatnachweis wegen des unklaren Fotos nicht hätte führen können und ein Bußgeldverfahren deswegen eingestellt worden wäre.

3. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin nach Erhalt des Anhörungsbogens der Bußgeldbehörde mit Schreiben vom 12. Februar 2018 mitgeteilt hat, er sei „kooperationsbereit und kooperationswillig“ und wolle den Tatvorwurf prüfen und den Fahrer ermitteln, hindert die Anordnung der Fahrtenbuchauflage nicht.

Abgesehen davon, dass die Klägerin nach dem Vorstehenden tatsächlich nicht kooperiert hat, ist es rechtlich unerheblich, ob der Fahrzeughalter seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat, indem er alle ihm möglichen Angaben gemacht hat, oder ob ihn ein Verschulden an der Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers trifft. Die Fahrtenbuchauflage hat eine präventive und keine strafende Funktion. Sie stellt eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind. Die Führung eines Fahrtenbuchs kann daher auch dann angeordnet werden, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung mitgewirkt hat, die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde jedoch gleichwohl erfolglos geblieben sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - 8 A 562/13 -, juris Rn. 12 ff., m. w. N.

4. Soweit die Klägerin geltend macht, die Bußgeldbehörde habe in noch unverjährter Zeit ohne weitere Mitwirkungshandlungen ein Verfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin durchgeführt und dieses Verfahren ohne gerichtliche Verhandlung nur auf dessen Einwände hin eingestellt, um sofort mit einer Fahrtenbuchauflage reagieren zu können, hat sie nicht dargelegt, wie sich daraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sollen. Die Einschätzung der Bußgeldbehörde, mit der schlechten Qualität des Fahrerbildes lasse sich die Fahrereigenschaft des Geschäftsführers der Klägerin nicht gerichtsfest beweisen, ist nach Aktenlage nachvollziehbar.

Im Übrigen ist die Feststellung des Fahrers auch dann unmöglich i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten und eine Person ernsthaft verdächtigt ist, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 8 A 740/18 -, juris Rn. 39 ff., m. w. N.

5. Der bloße Hinweis der Klägerin, die Fahrtenbuchauflage sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der Hinweis genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO, weil die Klägerin sich insoweit nicht ansatzweise mit den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

II. Besondere rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Die Fallkonstellation mit einem ungeeigneten Lichtbild und einem Alibi des Geschäftsführers der Halterin für den Tatzeitpunkt begründet keine solchen Schwierigkeiten. Beides kommt nach der Erfahrung des Senats aus zahlreichen Verfahren mit Fahrtenbuchauflagen immer wieder vor und lässt sich – auch in der Kombination – anhand der gesetzlichen und der von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben rechtlich würdigen, ohne dass es der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens bedarf.

III. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliegt, wenn bei Kleinfirmen mit einem Geschäftsführer andere Maßstäbe an das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit gestellt werden als bei einer Einzelfirma, ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie war weder für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts relevant noch würde sie sich in einem Berufungsverfahren stellen. Nach den Ausführungen unter I. 2. b), von denen auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, handelt es sich bei dem Erfordernis, den Fahrzeughalter unverzüglich von dem Verkehrsverstoß zu benachrichtigen, um ein Element der letztlich einzelfallbezogenen Prüfung, ob die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers im Rechtssinne unmöglich war oder die Nichtermittlung des verantwortlichen Fahrers auf einem behördlichen Ermittlungsdefizit beruht. Zudem wirkt sich eine Überschreitung der Zweiwochenfrist bei Verkehrsverstößen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind, und zwar unabhängig von der Größe des Betriebs, regelmäßig nicht aus. Einen über die oben zitierte gefestigte Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf grundsätzlicher Art zeigt die Antragsbegründung nicht auf.

2. Auch die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob darin ein Gleichheitsverstoß besteht, dass für die Halter geschäftlich genutzter Fahrzeuge hinsichtlich der Zweiwochenfrist andere Maßstäbe gelten als für Halter von privat genutzten Fahrzeugen, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lässt sich anhand der gesetzlichen Vorschriften und der dazu entwickelten Rechtsprechung ohne Weiteres verneinen. Die oben dargestellten kaufmännischen Dokumentationsobliegenheiten rechtfertigen es, diese Fälle unterschiedlich zu behandeln.

IV. Ein (der Sache nach geltend gemachter) Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann, liegt nicht deswegen vor, weil die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ohne weitere Aufklärung einen Verkehrsverstoß angenommen und dabei wesentlichen Tatsachenvortrag übersehen habe.

Das Verwaltungsgericht war ausgehend von den unter I. 1. genannten Maßstäben nicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären: Die Klägerin hatte im Gerichtsverfahren erster Instanz in ihrer Klageschrift vom 10. Dezember 2018 lediglich pauschal geltend gemacht, dass „ein derartiger Verstoß erfolgt ist, steht nirgendwo bindend fest und bleibt bestritten“. Weder dieser Vortrag noch der der Verwaltungsvorgang boten Anlass für weitere Ermittlungen durch das Gericht.

Die pauschale Bezugnahme der Klägerin auf ihren gesamten Vortrag in erster Instanz und die darin enthaltenen Beweismittel genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für jeden Monat der hier auf neun Monate befristeten Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400 Euro zugrunde. Hinzu kommen die Beträge der ebenfalls angefochtenen Verwaltungsgebühr i. H. v. 75 Euro und der Auslagen i. H. v. 3,50 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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