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Entscheidungen

Gebühren

Gebührenbemessung, Bußgeldverfahren, zusätzliche Verfahrensgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 05.10.2020 – 5 Qs 77/20

Leitsatz: 1. Als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, kommt grundsätzlich nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht.
2. Allein der Umstand, dass vor dem Hintergrund eines standardisierten Messverfahrens prophylaktisch ein Gutachten durch das Gericht eingeholt werden sollte und der Verteidiger hierzu seine Zustimmung erteilte, führte nicht zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und zum Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr.


In pp.

1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 18.06.2020 dahingehend abgeändert, dass der von der Staatskasse zu erstattende Betrag auf 422,45 Euro festgesetzt wird.
2. Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Dresden erließ am 26.06.2018 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid, weil dieser am 23.04.2018 auf der Friedrich - August - Straße in Dresden die innerhalb geschlossener Ortschaft zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 35 km/h überschritten hatte.

Die Geldbuße wurde auf 160,- Euro festgesetzt. Zudem drohte die Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister und ein einmonatiges Fahrverbot.

Nachdem sich für den Betroffenen bereits im verwaltungsrechtlichen Anhörungsverfahren Rechtsanwalt pp. für den Betroffenen angezeigt hatte, legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 02.07.2018 Einspruch ein. Mit dem Einspruch wurde mitgeteilt, dass die Fahrereigenschaft nicht eingeräumt werde und keine weiteren Angaben zur Sache erfolgen werden. Zudem wurde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

Mit Beschluss vom 01.04.2020 wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren durch das Amtsgericht Dresden wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2020 begehrte der Verteidiger die Festsetzung der Gebühren gegenüber der Staatskasse in Höhe von 891,85 Euro, wobei er jeweils eine erhöhte Mittelgebühr geltend machte:

Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG 120,00 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 192,00 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 192,00 Euro
Vermeidungsgebühr Nr. 5115 VV RVG 160,00 Euro
Aktenauslage 12,00 Euro
Kopien Nr. 7000 VV RVG 9,00 Euro
Auslagen Nr. 7001, 7002 VV RVG 40.00 Euro
gesamt 725,00 Euro
Umsatzsteuer 19% 137,75 Euro
Rechnungsbetrag 862,75 Euro

Zudem begehrt er die Erstattung der Kosten in Höhe von 1.074,81 Euro für ein erstelltes Sachverständigengutachten.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Dresden setzte die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren jeweils in Höhe der Mittelgebühr fest, gewährte die beantragte Vermeidungsgebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG und die geltend gemachten Pauschalen für Aktenversendung und Kommunikation. Die Erstattung der begehrten Gutachterkosten in Höhe von 1.074,81 Euro lehnte sie ab, sodass dem Betroffenen mit Beschluss vom 18.06.2020 ein Gesamtbetrag in Höhe von 762,79 Euro zugesprochen wurde.

Dabei ließ die zuständige Rechtspflegerin außer Betracht, dass im Vorfeld eine andere Rechtspflegerin mit Verfügung 30.04.2020 den Betroffenen auf die Rechtsprechung der Kammer hingewiesen hatte. Auf den hierauf erfolgten Schriftsatz des Verteidigers des Betroffenen vom 20.05.2020 wird verwiesen.

Aufgrund dessen legte der Bezirksrevisor des Amtsgerichts Dresden nach Zugang des Beschlusses am 23.07.2020 am selben Tag "Erinnerung" gegen die Kostenfestsetzung ein. In weiterem Schreiben vom 03.08.2020 wurde die "Beschwerde" unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der Kammer begründet und darauf hingewiesen, dass die Vermeidungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG nicht entstanden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung des Bezirksrevisors verwiesen.

II.

Das zunächst als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden war gem. § 46 Abs. 1 OwiG i.V.m § 300 StPO als sofortige Beschwerde auszulegen.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die im Kostenfestsetzungsantrag vorgenommene Bestimmung der Grundgebühr, der Vorverfahrensgebühr und der Verfahrensgebühr in Höhe einer jeweils erhöhten Mittelgebühr ist gegenüber der Staatskasse nicht verbindlich. Die getroffene Gebührenbestimmung ist im Hinblick auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unbillig.

Die Gebührenbestimmung bewegt sich nicht innerhalb der zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20 % und ist daher unverbindlich.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer kommt als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, grundsätzlich nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht (vgl. Landgericht Dresden, 03.04.2014, 5 Qs 24/14; 24.03.2009, 5 Qs 34/09, zuletzt 25.01.2019, 5 Qs 122/18 und 13.03.2019, 5 Qs 23/19).

Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenraten sind für die Vergütung in sämtlichen Bußgeldsachen heranzuziehen. Dies sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens von 60,00 bis 5.000,00 Euro geahndet werden und mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind. Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen. Allerdings sind durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.

Gegenstand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens war eine Geschwindigkeitsübertretung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 35 km/h mit der Folge einer Geldbuße von 160,00 Euro, einem drohenden einmonatigen Fahrverbot und einer Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister.

Der Verteidiger des Betroffenen hat den Einspruch nicht begründet und hatte bereits im verwaltungsrechtlichen Verfahren Einsicht in die zu diesem Zeitpunkt 9 Seiten umfassende Akte genommen.

Der Umfang (der zeitliche Aufwand) und die Schwierigkeit (die Intensität der Arbeit) der anwaltlichen Tätigkeit waren als unterdurchschnittlich zu bewerten, auch wenn der Verteidiger nach eigenem Vorbringen mehrere ausführliche Beratungsgespräche geführt haben will. Auch der Umstand, dass der Betroffenen beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, mach die Angelegenheit nicht zu einer zumindest durchschnittlichen Ordnungswidrigkeit i.S.d. des Gebührenrechts.

Vielmehr ist das vorliegende Bußgeldverfahren unter Berücksichtigung dieser Kriterien gegenüber anderen als unterdurchschnittlich anzusehen. Aufgrund der Gesamtumstände erscheint daher - wie es der Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Fällen entspricht - eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren in Höhe von 70 % der jeweiligen Mittelgebühr angemessen.

In Anbetracht dieser Sachlage ist der Ansatz der Kostenbeamtin, jeweils die Mittelgebühr anzusetzen, nicht gerechtfertigt. Sofern sich der Verteidiger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Angemessenheit zumindest der jeweiligen Mittelgebühren auf anderslautende Entscheidungen beruft, ist dies kein Anlass für die Kammer, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Danach sind zur Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowohl die Höhe der Geldbuße, der Aktenumfang, als auch die Dauer der Hauptverhandlung Kriterien, welche neben dem Inhalt des Vorwurfs des Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen sind.

Wie der Bezirksrevisor des Amtsgerichts Dresden zu Recht ausführt, stellt die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit (Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit) eine unterdurchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit dar. Auch der Umstand, dass die Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister und ein einmonatiges Fahrverbot drohte, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Mittelgebühr ist zugeschnitten auf den Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche und nicht auf den Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Zum anderen ist auch das drohende Fahrverbot von einem Monat nicht geeignet, einen besonderen Umstand zu begründen. Ein besonderer Härtefall, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine besondere Bedürftigkeit (z.B. Behinderung) drohten nicht. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen spielten bei der Entscheidung keine Rolle.

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war insgesamt vielmehr im unterdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln. Die Verfahrensakte war überschaubar, einfach zu erfassen und wies in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf. Aufgrund dieser Gesamtumstände erscheint daher - wie es der Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Fällen entspricht - eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren wie auch der Terminsgebühr in Höhe von 70% der jeweiligen Mittelgebühr angemessen (vgl. u.a. LG Osnabrück, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 15 Qs 11/20 -, juris; LG Hanau, Beschluss vom 18. Mai 2020 - 7 Qs 38/20 -, juris; LG Halle (Saale), Beschluss vom 18. Dezember 2019-3 Qs 117/19-, juris).

Nachdem die Gebührenbestimmung durch den eingereichten Kostenfestsetzungsantrag wegen Unbilligkeit nicht mehr bindend ist, hat das Beschwerdegericht die Gebühren selber festzulegen. Wie vom Bezirksrevisor des Amtsgerichts Dresden ausgeführt, ist hier lediglich eine auf 70 % reduzierte Mittelgebühr angemessen.

Soweit mit Antrag vom 16.04.2020 auch die Gebühr gem. Nr. 5115 VV RVG begehrt wurde, ist diese nicht zuzubilligen, da die Gebühr durch das Verhalten des Verteidigers nicht zur Vermeidung der Hauptverhandlung beigetragen hat. Allein der Umstand, dass vor dem Hintergrund eines standardisierten Messverfahrens prophylaktisch ein Gutachten durch das Gericht eingeholt werden sollte und der Verteidiger hierzu seine Zustimmung erteilte, führte dies nicht zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung.

Die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ist eine Erfolgsgebühr. Der Erfolg muss - anders als der Verteidiger offenbar meint - gerade durch die Mitwirkung des Verteidigers eingetreten sein. Der Verteidiger soll für eine Mitwirkung an einer Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens gesondert honoriert werden (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, VV RVG 5115, Rdnr. 1 und 2) nicht aber für eine dem Betroffenen besonders günstige Verteidigungsstrategie.

Die Einlegung des Einspruchs ist für sich genommen keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Mitwirkungshandlung und kann auch nicht als "gezieltes Schweigen" angesehen werden.

Nachdem tatsächlich kein Gutachten eingeholt worden war, sondern das Verfahren schlicht nicht bearbeitet werden konnte und somit die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit verjährt ist, lag in der Tätigkeit des Verteidigers keine Förderung des Verfahrens vor.

Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG 70,00 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 112,00 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 112,00 Euro
1 Aktenauslage 12,00 Euro Kopien
Nr. 7000 VV RVG 2 x Pauschale für Entgelte für Post und 9,00 Euro
Telekommunikationsdienstleistungen
Nr. 7002 VV RVG 40,00 Euro
Zwischensumme netto 355,00 Euro
19% MwSt. Nr. 7008 VV RVG 67.45 Euro
Gesamtbetrag 422,45 Euro

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, nachdem die Beschwerde der Staatskasse erfolgreich war.


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