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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, nachträgliche Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bremen, Beschl. v. 23.09.2020 - 1 Ws 120/20

Leitsatz: 1. Eine auf ein beendetes Verfahren bezogene rückwirkende bzw. nachträgliche Bestellung eines Verteidigers ist grundsätzlich unzulässig, da die Bestellung eines Verteidigers nach § 140 StPO nicht im Kosteninteresse des Beschuldigten erfolgt, sondern allein dem Zweck dient, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten.
2. Der Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Bestellung als Verteidiger gilt auch für den Fall einer vorläufigen Einstellung des Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO.


In pp.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 05.08.2020 gegen den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 03.08.2020 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 31.07.2019 wurde der Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je EUR 20,- verurteilt. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

Mit Schriftsatz vom 03.06.2020 zeigte der Verteidiger des Angeklagten seine Bevollmächtigung an und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Mit Beschluss vom 03.08.2020 stellte die Kleine Strafkammer 52 des Landgerichts Bremen das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf weitere gegen den Angeklagten geführte Verfahren ein und lehnte den Beiordnungsantrag des Verteidigers des Angeklagten ab.

Gegen diese Ablehnung des Beiordnungsantrags wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 05.08.2020.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 25.08.2020 zu der Beschwerde Stellung genommen und beantragt, sie als unbegründet zu verwerfen. Der Angeklagte hat hierzu weiter Stellung genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Strafkammer 5 des Landgerichts Bremen vom 03.08.2020, soweit darin die beantragte Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt wurde, ist statthaft (§ 142 Abs. 7 StPO) sowie frist- und formgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und erweist sich infolge der sich aus dem angefochtenen Beschluss für den Angeklagten ergebenden Beschwer daher als zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet, da die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO nicht vorlagen. Eine nicht auf eine zukünftige Tätigkeit des Verteidigers gerichtete, sondern lediglich auf ein beendetes Verfahren bezogene rückwirkende bzw. nachträgliche Verteidigerbeiordnung ist grundsätzlich unzulässig, da die Bestellung eines Verteidigers nach § 140 StPO nicht im Kosteninteresse des Beschuldigten erfolgt, sondern allein dem Zweck dient, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten (siehe BGH, Beschluss vom 27.04.1989 – 1 StR 627/88, juris Rn. 2, StV 1989, 378 (Ls.); Verfügung vom 04.09.2006 – 1 StR 113/06, juris Rn. 4, StraFo 2006, 455; Beschluss vom 20.07.2009 – 1 StR 344/08, juris Rn. 4, NStZ-RR 2009, 348). Dies gilt auch für den Fall einer vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO (ebenso LG Magdeburg, Beschluss vom 20.02.2020 – 29 Qs 2/20, juris Rn. 7, StRR 2020, Nr 5, 24-26; offen gelassen in LG Stuttgart, Beschluss vom 18.07.2008 – 7 Qs 64/08, juris Rn. 8, StRR 2009, 226). Auch in diesem Fall ist das Verfahren beendet und eines weiteren Tätigwerdens des Verteidigers in diesem Verfahren bedarf es nicht, solange nicht zur Wiederaufnahme ein Gerichtsbeschluss nach § 154 Abs. 7 StPO ergangen ist.

Auch soweit von diesem Grundsatz teilweise eine Ausnahme dahingehend befürwortet wird, eine rückwirkende bzw. nachträgliche Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann zuzulassen, wenn der Antrag auf Beiordnung bereits rechtzeitig vor Verfahrensabschluss gestellt wurde, die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verteidigers gemäß § 140 StPO vorlagen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hatte (so angenommen von LG Bremen, Beschluss vom 12.01.2004 – 27 Qs 197/03, juris Ls.; LG Hamburg, Beschluss vom 19.01.2005 – 624 Qs 4/05, juris Rn. 4, StV 2005, 207; LG Hechingen, Beschluss vom 20.05.2020 – 3 Qs 35/20, juris Rn. 13, LG Itzehoe, Beschluss vom 07.06.2010 – 1 Qs 95/10, juris Rn. 3, NStZ 2011, 56; LG Magdeburg, Beschluss vom 20.02.2020 – 29 Qs 2/20, juris Rn. 16, StRR 2020, Nr 5, 24-26; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26.02.2004 – 4 Qs 10/04 I, juris Ls., StV 2005, 82; LG Stuttgart, Beschluss vom 18.07.2008 – 7 Qs 64/08, juris Rn. 5, StRR 2009, 226; vgl. dagegen aber BGH, Beschluss vom 27.04.1989 – 1 StR 627/88, juris Rn. 3, StV 1989, 378 (Ls.); KG Berlin, Beschluss vom 27.02.2006 – 1 AR 1471/05 - 3 Ws 624/05, juris Rn. 3, StV 2007, 343; OLG Bamberg, Beschluss vom 15.10.2007 – 1 Ws 675/07, juris Rn. 5, NJW 2007, 3796; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2002 – 2 Ws 307/02, juris Rn. 5, StraFo 2003, 94 m.w.N.), rechtfertigen diese Erwägungen jedenfalls für den vorliegenden Fall keine Abweichung vom oben genannten Grundsatz. Der Beschuldigte hat weder im Antrag vom 03.06.2020 noch im weiteren Schriftsatz seines Verteidigers vom 24.07.2020 vor dem Landgericht konkrete Gründe für eine Bestellung eines Verteidigers benannt, sondern lediglich auf Beiordnungsentscheidungen in anderen Verfahren verwiesen. Erst in der Beschwerdeinstanz – und damit nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens – hat der Beschuldigte konkret zu einer psychischen Erkrankung vorgetragen, aufgrund deren Vorliegens er die Gebotenheit der Mitwirkung eines Verteidigers geltend macht. Inwieweit sich hieraus die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO ergeben, kann aber dahinstehen, da jedenfalls eine lediglich im Kosteninteresse des Beschuldigten zu begründende Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit der rückwirkenden bzw. nachträglichen Bestellung eines Verteidigers dann nicht geboten ist, wenn wie hier der Beschuldigte bzw. sein Wahlverteidiger die maßgeblichen Umstände dem Gericht nicht rechtzeitig zur Kenntnis gebracht haben und das Unterbleiben der begehrten Entscheidung damit nicht allein auf justizinternen Umständen beruht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


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