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Entscheidungen

StPO

(Pflicht)Verteidiger, Anwesenheit, Anhörung Strafvollstreckungsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bielefeld, Beschl. v. 06.10.2020 - 3 Qs 326/20

Leitsatz: Zwar handelt es sich bei der Anhörung im Vollstreckungsverfahren nicht um eine förmliche Vernehmung im Sinne der §§ 163a, 168c StPO. Jedoch gebietet es der im Rechtsstaatsprinzjp wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Verteidiger in den Fällen der notwendigen Verteidigung in entsprechender Anwendung der Vorschriften auch bei der mündlichen Anhörung im Vollstreckungsverfahren die Teilnahme zu gestatten.


3 Qs 326/20
Landgericht Bielefeld

Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Brüntrup, Minden

wegen besonders schweren Raubes
hier: Beschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung

hat die III. Strafkammer Jugendkammer des Landgerichts Bielefeld auf die Beschwerde des Verurteilten vom 07.09.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Herford — Jugendschöffengericht — vom 24.08.2020 am 06.10.2020 beschlossen:

Der Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 24.08.2020 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung verletzt das Recht des Verurteilten auf ein faires Verfahren. Aufgrund der psychischen Erkrankung des Verurteilten und des eingeholten Gutachtens lag ein Fall der notwendigen 'Verteidigung nach S 140 Abs. 2 StPO analog vor.

Mit dieser notwendigen Verteidigung ist es nicht zu vereinbaren, dass die mündliche Anhörung ohne den Verteidiger durchgeführt worden ist. Zwar handelt es sich bei der Anhörung im Vollstreckungsverfahren nicht um eine förmliche Vernehmung im Sinne der §§ 163a, 168c StPO. Jedoch gebietet es der im Rechtsstaatsprinzjp wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Verteidiger in entsprechender Anwendung der vorgenannten Vorschriften auch bei der mündlichen Anhörung im Vollstreckungsverfahren die Teilnahme zu gestatten. Dieses Recht hat das Amtsgericht verletzt (vgl. OLG Hamm BeckRS 201 5, 19671 ; OLG Köln BeckRS 2006, 1622). Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, der Verteidiger sei nur Wahl- und nicht Pflichtverteidiger, ändert dies an der Tatsache, dass es sich - aus Sicht der Kammer - um eine notwendige Verteidigung handelt, nichts.

Soweit der Verurteilte sich im Anhörungstermin damit einverstanden erklärt hat, angehört zu werden und der Vermerk über die Anhörung seinem Verteidiger zugeleitet wird, führt dies zu keiner anderen Einschätzung. Das Anwesenheitsrecht des Pflichtverteidigers wird durch Erklärungen des Verurteilten nicht berührt. Seine Aufgabe verlangt von ihm, das Verfahren in eigener Verantwortung und unabhängig von dem Verurteilten zu dessen Schutz mitzugestalten (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Köln a. a. O.) Gleiches muss daher für den Wahlverteidiger gelten, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, da der Verurteilte auch dann - wie im Falle der erfolgten Beiordnung — nicht in der Lage ist, sich selber zu verteidigen.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene Entscheidung der Kammer kommt wegen der erneut — unter Beteiligung des Verteidigers durchzuführenden Anhörung nicht in Betracht.

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, die Zurückverweisung der Sache ist nur ein vorläufiger Erfolg. Maßgebend für den Rechtsmittelerfolg ist erst die abschließende Entscheidung. In der dortigen Entscheidung über die Kosten ist dann über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden.


Einsender: RA B. Brüntrup, Minden

Anmerkung:


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