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Entscheidungen

Gebühren

Mittelgebühr, straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren, Verletzung des Zitiergebotes

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Trier, Beschl. v. 08.12.2020 - 35a OWi 58/20

Leitsatz: Unter Geltung des RVG ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt der Gebührenbemessung gerechtfertigt.


35a OWi 58/20
Amtsgericht Trier

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Antrags auf gerichtliche Entscheidung

hat das Amtsgericht Trier durch pp am 08.12.2020 beschlossen:

1. Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 18.11.2020 wird der Kostenfestsetzungsbescheid der pp. vom 04.11.2020 aufgehoben. Die Gebühren und
Auslagen werden auf 557,78 € festgesetzt.
2.Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die insoweit notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Die Betroffene wendet sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der nachfolgend: Bußgeldbehörde) vom 04.11.2020.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 21.10.2020 wurde der Kostenbescheid pp. vom 05.10.2020 aufgehoben und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2020 bezifferte die Verteidigerin des Betroffenen ihre Gebühren und Auslagen wie folgt:

Tätigkeit im Bußgeldverfahren
1) Grundgebühr, § 14RVG i. V. m. Nr. 5100 VV RVG: 100,00 €
2) Verfahrensgebühr, § 14 RVG i. V. m. Nr. 5101 VV RVG: 160,00 €
3) Dokumentenpauschale (21 Kopien an EA), § 14 RVG i. V. m. Nr. 7000 la RVG: 10,50 €
4) Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
5) Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG: 336,98 €
6. Akteneinsichtsgebühr vom 04.07.2018: 12,00 €

Summe: 348,98 €

II. Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren / Antrag auf gerichtliche Entscheidung
1) Verfahrensgebühr, § 14 RVG i. V. m. Nr. 510 VV RVG: 160,00 €
2) Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
3) Umsatzsteuer: 28,80 €
Summe: 208,80
Gesamtbetrag: 557,78 €

Die Bußgeldbehörde setzte in dem hier angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheid vom 04.11.2020, der Verteidigerin zugestellt am 05.11.2020, Auslagen und Gebühren in Höhe von 198,18 € fest und lehnte den weitergehenden Antrag ab.

Dem mit Schriftsatz vom 18.11.2020, eingegangenen am 18.11.2020, gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung half die Bußgeldbehörde nicht ab.

Der Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig gemäß §§ 108 Abs. 1 Nr. 3, 62 OWiG. Insbesondere wahrt er die zweiwöchige Frist des § 108 Abs. 1 Satz 2 OWiG.

Der Antrag hat auch in der Sache weit überwiegend Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat die seitens der Verteidigerin beantragte Auslagen- und Gebührenfestsetzung bei der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG sowie der Verfahrensgebühr nach Nr.5103 VV RVG zu Unrecht gekürzt.

Nach den in § 14 RVG vorgegebenen Kriterien sind die Gebühren unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bestimmung ist nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Es war die Mittelgebühr festzusetzen.

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. Burhoff RVGreport 2007, 252, Einl. Teil 5 W Rn 20, LG LSK 07 230178, AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Unerheblich ist, dass selbst ohne Einlegung eines Einspruchs die Nebenfolge des Fahrverbotes aufgrund zwischenzeitlich erfolgten Weisungen des zuständigen Ministeriums nicht vollstreckt worden wäre, da auch ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich zieht.

Auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, war vorliegend die Mittelgebühr nicht herabzusetzen. Entgegen der Auffassung der Bußgeldbehörde ist das vorliegende Verfahren als absolut durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit einzustufen.

Allein aus dem Grund, dass bei Erlass des ersten Bußgeldbescheides am 16.06.2020 der Bußgeldbehörde noch keine Hinweise auf den Verstoß gegen das Zitiergebot vorlagen, kann darauf geschlossen werden, dass eine anwaltliche Tätigkeit von nicht nur unterdurchschnittlicher Schwierigkeit vorlag. Vielmehr musste auch nach Bekanntwerden des Verstoßes von Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften gegen das Zitiergebot anwaltlich geprüft werden, ob tatsächlich ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG vorliegt. Der Verstoß gegen das Zitiergebot war nicht derart offensichtlich, dass von einer einfachen Angelegenheit ausgegangen werden kann. In diesem Kontext wird auch auf die fehlerhafte Annahme des Justizministeriums Baden-Württemberg hingewiesen, dass die STVO-Novelle von 2013 das Zitiergebot verletze. Die Angelegenheit war daher insgesamt als durchschnittlich anzusehen.

Nach alledem ist die Beantragung der Festsetzung der Mittelgebühr nicht unbillig. Die sonstigen Festsetzungen sind nicht zu beanstanden.

Gebühren und Auslagen waren in Höhe von insgesamt 557,78 € festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 S. 1, 46 Abs. 1 OWiG i.V,m. 467 Abs. 1 StPO. Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 2, §108 Abs. 1 OWiG nicht anfechtbar


Einsender: RÄin S. Gallien, Trassem

Anmerkung:


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