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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit, Ausnahme

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 08.01.2021 - 512 Qs 62/20

Leitsatz: Grundsätzlich ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmbar. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, wenn trotz zwischenzeitlich erfolgter Verfahrenseinstellung zum Zeitpunkt der Antragstellung die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und die Entscheidung über diese z.B. aus gerichtsinternen Gründen unterblieben ist.


Landgericht Berlin

Beschluss

512 Qs 62/20

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Betruges

hat die Strafkammer 12 des Landgerichts Berlin am 8. Januar 2021 beschlossen:

Auf die Beschwerde des ehemaligen Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 8. Dezember 2020 aufgehoben.

Dem ehemaligen Angeklagten wird sein Verteidiger mit Wirkung vom 30. September 2020 (Eingang seines Schreibens gleichen Datums bei Gericht) gemäß § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem ehemaligen Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe:

Die mit Schreiben vom 30. September 2020 vom Verteidiger beantragte Beiordnung hat das Amtsgericht Tiergarten mit Beschluss vom 8. Dezember 2020 abgelehnt, nachdem es das Verfahren gemäß § 154 Abs: 2 StPO eingestellt hatte. Das Amtsgericht hat ausgeführt, von daher liege „kein Fall der notwendgen Verteidigung mehr" vor.

Grundsätzlich ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmbar. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, wenn trotz zwischenzeitlich erfolgter Verfahrenseinstellung zum Zeitpünkt der Antragstellung die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und die Entscheidung über diese z.B. aus gerichtsinternen Gründen unterblieben ist (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 28. Januar 2004 — 504 Qs 08/04 —, juris).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat von einer Entscheidung über die beantragte Beiordnung offensichtlich deshalb abgesehen, weil eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO im Raum stand, welche schließlich auch erfolgte. Die Beiordnung hätte indes unschwer zeitnah vorgenommen werden oder mit • der Möglichkeit einer Anfechtung durch den Angeklagten abgelehnt werden können.
Der Antrag auf Beiordnung ist auch begründet. Die Sachlage ist schon als schwierig anzusehen (§ 140 Abs. 2 StPO). Dies folgt bereits aus dem Inhalt des umfangreichen Verteidigerschreibens vom 30. September 2020, dessen Argumentationen, denen die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2020 unter anderem mit dem Hinweis auf erforderliche Zeugenbefragungen zu den ngenauen" vertraglichen Vereinbarungen in einer möglichen Hauptverhandlung entgegengetreten ist, sich dem juristischen Laien nicht ohne weiteres auf Anhieb erschließen.

Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten, weil sonst niemand dafür haftet.


Einsender: RA R. Beth, Berlin

Anmerkung:


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