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Entscheidungen

OWi

Einsicht, Messunterlagen, ablehnende Entscheidung, Beschwerde

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Wiesbaden, Beschluss vom 24.02.2021 – 3 Qs 2/21

Leitsatz: Die Beschwerde gegen die Versagung der Einsicht in Messunterlagen durch das (erkennende) Amtsgericht ist unzulässig.


In pp.

Die Beschwerde des Betroffenen vom 22.12.2020 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11.12.2020, Aktenzeichen 5521 Js 37862/20-76 Owi, wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe:

Gegen den Betroffenen wurde nach vorheriger Anhörung am 10.09.2020 ein Bußgeldbescheid durch das Regierungspräsidium Kassel (Az.: …) erlassen. Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am 24.03.2020 um … Uhr in Wiesbaden, A 66, Fahrtrichtung Rüdesheim, KM 24,800, als Führer des Pkw … die dort vorgeschriebene zulässige. Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 43 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten zu haben. Dabei wurde der Geschwindigkeitsverstoß ermittelt durch das digitale Geschwindigkeitsmessgerät PoliScanSpeed M1 des Herstellers Vitronic, Gerätenummer PS-680190, welches am konkreten Vorfallstag an der verfahrensgegenständlichen Örtlichkeit zur Messung eingesetzt war von 18:17 Uhr bis 19:31 Uhr.

Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in Höhe von 160 € zzgl. Auslagen und Gebühren sowie ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt. Außerdem sollen 2 Punkte im Fahreignungsregister eingetragen werden.

Nachdem dem Verteidiger durch das Regierungspräsidium Kassel unter dem (03.07.2020 Akteneinsicht gewährt wurde, beantragt dieser mit Schriftsatz vom 20.07.2020 die zur Verfügungstellung weiterer Unterlagen und Dateien (vgl. Bl. 29 d.A.), woraufhin ihm seitens der Verwaltungsbehörde (lediglich) die erbetene (konkrete) Falldatei unter dem 03.08.2020 zur Verfügung gestellt wurde (Bl. 32f. d.A.). Daraufhin erneuerte der Verteidiger sein Begehren mit Schriftsatz vom 14.08.2020 unter vertiefenden Ausführungen und beantragte zugleich gerichtliche Entscheidung (Bl. 34ff. d.A.). Für die Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Verteidigung Bezug genommen.

Nachdem dem Betroffenen der Bußgeldbescheid am 12.09.2020 zugestellt worden war, legte er durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.09.2020, Eingang beim Regierungspräsidium Kassel am gleichen Tag, Einspruch hiergegen ein. Unter dem 02.10.2020 wurde das Verfahren nach der Einspruchseingabe gem. § 69 OWiG unter Aufrechterhaltung des Bußgeldbescheides durch das Regierungspräsidium Kassel an die Staatsanwaltschaft Wiesbaden abgegeben, die das Verfahren unter dem 27.10.2020 dem Amtsgericht Wiesbaden zuleitete. Mit Verfügung vom 10.11.2020 teilte das Amtsgericht Wiesbaden unter anderem mit, dass Zweifel an der zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung nach Lage der Akten nicht bestünden. Die Messung sei mit einem anerkannten Messverfahren mit einem über eine gültige Eichung und einer Zulassung der PTB verfügenden Gerät durchgeführt worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung des Amtsgerichts Wiesbaden verwiesen (Bl. 58 d.A.). Mit Schriftsatz vom 27.11.2020 wiederholte der Verteidiger daraufhin sein Anliegen aus dem Schriftsatz vom 14.08.2020 und beantragte vor dem Amtsgericht Wiesbaden, das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen nach § 69 Abs. 5 OWiG. Für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht erfolge, beantragte er zudem ausdrücklich erneut unter gleichzeitiger Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 14.08.2020 die zur Verfügungstellung der Unterlagen und Dateien, die er ausdrücklich benannte (Bl. 61 d.A.). In der Folge teilte das Amtsgericht Wiesbaden in der Ladungsverfügung zum Hauptverhandlungstermin zum 01.02.2021 vom 11.12.2020 mit einem “Zusatz” unter anderem mit, dass nach derzeitiger Einschätzung des Gerichts die Akte vollständig sei. Ein Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe gebe es nicht. Zudem wurde der Verteidiger auf das Beweisbesichtigungsrecht verwiesen (Bl. 68 d.A.). Hiergegen hat der Verteidiger unter dem 22.12.2020 Beschwerde eingelegt und sein Gesuch nebst Begründung im Wesentlichen wiederholt und weiter vertieft. Für die konkreten Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift der Verteidigung Bezug genommen (Bl. 74 ff. d.A.).

Durch das Amtsgericht Wiesbaden wurde mit Verfügung vom 29.12.2020 unter anderem der Beschilderungsplan angefordert und die (Duplo)Akte der Kammer als Beschwerdegericht über die Staatsanwaltschaft Wiesbaden vorgelegt.

Förmlich beschieden wurde der Antrag des Verteidigers seitens des Amtsgerichts Wiesbaden nicht. Auch eine (Nicht)Abhilfeentscheidung wurde nicht getroffen.

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden beantragte mit Verfügung vom 07.01.2021 Nichtabhilfe. (Bl. 98 d.A.).

Nach amtsgerichtlicher Auskunft wurde der Betroffene durch das Amtsgericht Wiesbaden am 01.02.2021 in vorliegender Sache erstinstanzlich zu einer Geldbuße in Höhe von 320 € sowie einem einmonatigen Fahrverbort verurteilt. Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht Frankfurt/Main eingelegt, über die zum aktuellen Zeitpunkt nach noch nicht entschieden wurde.

Die Beschwerde ist vorliegend nicht zulässig, § 305 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

Nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen solche Entscheidungen der erkennenden Gerichte nicht der Beschwerde, die der Urteilsfällung vorausgehen. Die Vorschrift bezweckt, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten. Der Ausschluss nach § 305 Satz 1 StPO gilt insofern für Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, Az.: 1 Qs 46/17; LG Hanau, Beschluss vom 07.01.2019, Az.: 4b Qs 114/18; Meyer-Goßner, StPO, 63. Auflage 2020, § 305 Rn. 4). Unzulässig ist eine Beschwerde gegen Entscheidungen, die dem Urteil zeitlich und sachlich vorausgehen, wenn sie mit ihm in einem inneren Zusammenhang stehen (Meyer-Goßner, aaO, § 305 Rn. 4). Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betroffenen durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann (LG Trier, aaO; LG Hanau, aaO). Insofern ist eine Beschwerde nur ausgeschlossen, wenn das Urteil anfechtbar ist (Meyer-Goßner, aaO, § 305 Rn. 1).

Hiernach ist die Beschwerde nicht zulässig. Die angegriffene Entscheidung ging dem amtsgerichtliehen Urteil sachlich und zeitlich voraus und steht mit diesem zudem in einem inneren Zusammenhang. Weiter kann der Betroffene die vorliegende Entscheidung des Amtsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Überprüfung stellen, weil er letztlich die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend macht, § 79 OWiG in Verbindung mit § 338 Nr. 8 StPO, wodurch eine Beschwer des Betroffenen im Rechtsmittelverfahren beseitigt werden kann. Dass der Betroffene über seinen Verteidiger unter Umständen ein Recht auf Einsicht in die begehrten Unterlagen hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Die Fachgerichte haben dem aus dem Recht auf ein faires Verfahren resultierenden Anspruch des Beschwerdeführers auf Informationszugang auch zu den nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen hinreichend Rechnung zu tragen. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt hiernach, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens (und der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens) neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht haben kann, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden, wobei das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen nicht unbegrenzt gilt. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen (vgl. hierzu insgesamt: BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020, 2 BvR 1616/18).

Die Ablehnung der Einsichtnahme in die begehrten Unterlagen seitens des Amtsgerichts ist grundsätzlich geeignet den Beschwerdeführer möglicherweise nach dem zuvor Gesagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren zu verletzen. Insoweit greift jedoch der Beschwerdeausschluss nach § 305 Satz 1 StPO, denn eine eventuelle Verletzung des Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren ist wiederum gem. § 79 OWiG in Verbindung mit § 338 Nr. 8 StPO Gegenstand eines Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem jeweils zuständigen Oberlandesgericht, hier Oberlandesgericht Frankfurt (vgl. : Meyer-Goßner, aaO, § 338 Rn. 59; BayObLG, Beschluss vom 04.01.2021, Az.: 202 ObOWi 1532/20). Die eingelegte Beschwerde war demnach, auch unter Berücksichtigung der im Übrigen durch die Verteidigung aufgeführten Umstände, als unzulässig zu verwerfen. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist demnach einer obergerichtliehen Prüfung zugänglich, so dass der Betroffene vorliegend auch nicht rechtsschutzlos gestellt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


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